1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gegner von Charta 77 vor Gericht

5. Dezember 2001

– Den fünf Funktionären des tschechoslowakischen kommunistischen Innenministeriums wird zur Last gelegt, Regimegegner zur Ausreise genötigt zu haben

https://p.dw.com/p/1SOS

Prag, 4.12.2001, RADIO PRAG, deutsch

Die größte Aktion der kommunistischen Geheimpolizei StB, die gegen die Signatare der Charta 77 gerichtet war, ist dieser Tage vor Gericht gekommen. Fünf Funktionäre des Innenministeriums sollen mittels Erpressung und Drohungen einige unbequeme Leute gezwungen haben, die Tschechoslowakei zu verlassen.

Vor dem Gerichtstribunal steht zum ersten Mal der ehemalige kommunistische Innenminister Jaromir Obzina, dem wegen Amtsmissbrauchs bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug drohen. Gemeinsam mit ihm wurden auch weitere vier Funktionäre des damaligen Innenministeriums angeklagt. Zum Gegenstand der Anklage sagte die Staatsanwältin Jana Herzegová:

"Als leitende Funktionäre des Innenministeriums, konkreter der Abteilung der Staatspolizei, organisierten sie die Aktion mit dem Stecknamen ‚Assanierung‘ (sic), deren Ziel es war, die Aussiedlung der Signatare und Sympathisanten der Charta 77 zu erreichen."

Anfang der 80er Jahre gelang es der StB 20 Leute zur Aussiedlung zu veranlassen. Eine der Verfolgten, die ihr Land verlassen mussten, war auch Zdena Tominova. Sie beschreibt die Methoden der Geheimpolizei, wie folgt:

"Sie schrieben für sich alles auf, was sie uns angetan haben und noch antun wollen: vom Verlust der Arbeit, über unendliche Vorführungen und Verhöre, bestimmte Zeit gab es bei uns jeden Mittwoch eine Razzia, Hausuntersuchungen, Abhören usw."

Tominova begrüßte die Eröffnung des Gerichtsverfahrens.

"Als ich die Rede besonders Herrn Obzinas hörte, der die ganze Sache in dem Sinne präsentierte, dass das Föderale Innenministerium, die tschechische Polizei, die Staatssicherheit und die Generalanwaltschaft der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik eigentlich die Helsinki-Vereinbarungen verteidigt hätten und der wichtigste Verteidiger der Menschenrechte und Freiheiten gewesen seien, habe ich mir gesagt, dass es wohl gut ist, dass dieses Gericht stattfindet. Es musste stattfinden, denn es gibt bei ihnen keine Scham."

Die Angeklagten bestreiten jede Schuld und Verantwortung. Der damalige StB-Chef Zdenek Wiederlechner behauptet, von der Aktion "Assanierung" nie gehört zu haben.

"Na sehen Sie, ich habe davon nichts gehört. Mehr sage ich Ihnen nicht, ich fühle mich nicht wohl, lassen wir das."

Ein weiteres Argument der Angeklagten neben dem, mit der Aktion nichts zu tun gehabt zu haben, lautet, die Aktion sei im Einklang mit den damaligen Gesetzen gewesen. (fp)