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Rassismus im Fußball

2. Februar 2011

Beschimpfungen nimmt Schiedsrichter Alexandre Ntouba schon lang nicht mehr persönlich. Doch der Notarzt aus Kamerun wurde auf dem Fußballplatz immer öfter das Ziel rassistischer Beleidigungen.

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Portrait Schiedsrichter Dr. Alexandre Ntouba
Kämpft gegen Rassismus: Alexandre NtoubaBild: Alexandre Ntouba

Sonntagnachmittag, Spitzenspiel im Kreis Düren in Nordrhein-Westfalen. 80 Zuschauer sind da, die Spielführer treffen sich im Mittelkreis mit dem "Schiri" zum Münzwurf. Schiedsrichter Alexandre Ntouba aus Kamerun stellt sich vor und wünscht ein gutes Spiel. Der routinierte Unparteiische hat die Partie jederzeit im Griff. Souverän und autoritär leitet er das Spiel.

Die Dürener Zuschauer kennen den Schiri gut. Er engagiert sich im Kreis und ist dort auch Lehrwart. Das Kreisligaspiel verläuft friedlich, die Heimelf gewinnt. Dr. Alexandre Ntouba sitzt nach dem Spiel gemeinsam mit seinen beiden Jung-Assistenten in der Kabine und teilt mit ihnen die 50 Euro, die es für diesen Einsatz als Aufwandsentschädigung gegeben hat. "Es ist nicht immer so ruhig", stellt er nüchtern fest. Seine Assistenten nicken bestätigend. "Die Jungs wissen, wovon ich rede."

Rassismus ist nahezu Alltag auf den Fußballplätzen

Auf der Videowand im Weserstadion wird am Sonntag, 30. Januar 2005, vor dem Fussball Bundesliga-Spiel Werder Bremen gegen Hansa Rostock zur Fairness gegenueber dem Schiedsrichter aufgerufen. (AP Photo/Joerg Sarbach)
Ein Appell nicht nur an Bundesliga-Fans und -SpielerBild: AP

Es gibt auch hässliche Spiele. Denn der Kameruner fällt auf. Vor einigen Jahren pfiff der promovierte Anästhesist und Notarzt in der Oberliga – an Orten, wo ihn niemand kannte. "Meistens ist erstmal die Bewunderung da, weil es einfach zu wenig Schwarze gibt, die Schiedsrichter sind", versucht Ntouba den Fremdenhass zu erklären. Oft wurde er übel beschimpft. "Bimbo", "Bananenfresser" oder "Geh zurück in den Dschungel" riefen Zuschauer und Spieler. Und das seien nicht einmal die schlimmsten Beleidigungen. "Inzwischen bin ich abgehärtet."

Auf dem Platz kann er sich wehren und zur Not auch mal einen Platzverweis aussprechen. Doch außerhalb des Fußballplatzes ist er der Willkür und der Gewalt wehrlos ausgesetzt. Als Ntouba, der selbst auch gern Handball spielt, eines Tages vom Training kommt, greifen ihn plötzlich drei Jugendliche an. Nur weil er athletischer und austrainierter ist, kann er fliehen. "Da hatte ich wirklich Angst und habe überlegt, ob das überhaupt noch Sinn macht, so spät raus zu gehen", gibt er zu. Doch aufgeben war nie sein Ding.

Fußball kann Vorbildfunktion haben

Gunter A. Pilz, Sportsoziologe und Gewalt- und Konfliktforscher von der Leibniz Universität Hannover (Archivfoto von August 1998). (Foto: dpa/Erwin Elsner)
Pilz: DFB engagiert sich vorbildlich gegen RassismusBild: picture alliance / dpa

Nicht nur wegen dieses Schockerlebnisses engagiert sich Alexandre Ntouba im Kampf gegen den Rassismus. Gemeinsam mit der Initiative "Fußballvereine gegen Rechts" betrieb er zudem Entwicklungshilfe: Er sammelte Fußballtrikots- und Schuhe, Torwartnetze und alles, was zum Fußball dazu gehört und schickte alles auf eigene Rechnung in seine Heimat Kamerun.

Gewaltforscher Gunter Pilz beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit dem Thema Gewalt und Rassismus und spricht dem Fußball eine wichtige Rolle zu. Wenn alle gesellschaftlichen Bereiche dieses Problem so ernst nähmen, wie das beim DFB und seinen Vereinen und Verbänden passiert, hätten man in der Gesellschaft erheblich weniger Probleme bezüglich Rassismus, behauptet er. "Da könnte der Fußball mittlerweile in der Tat den Anspruch erheben, dass er hier eine Vorbildfunktion hat."

Niemals aufgeben

In der Oberliga war Alexandre Ntouba zu seiner Zeit der einzige schwarzafrikanische Unparteiische. Auf Einladung des Schiedsrichterausbilders Volker Roth hielt er bei einer Tagung einen Vortrag über Rassismus und sammelte bei dieser Gelegenheit gleich Spenden für Schiedsrichter in Kamerun.

Auch wenn es mittlerweile mehrere Initiativen und Projekte des DFB gebe, sei es bedauerlich, dass die Situation erst eskalieren müsse, klagt Ntouba. Schiedsrichter möchte er aber weiter bleiben. Auch nach seinem beruflich bedingten Umzug nach Amiens in Frankreich hat er die Pfeife nicht an den Nagel gehängt. Lehrwart ist er nicht mehr – dazu hat er einfach keine Zeit mehr. Doch bei der nächsten Schiedsrichter-Weiterbildung im Frühjahr 2011 will er dabei sein. "Niemals nachgeben" ist sein Motto. "Da muss ich durch. Solange man mich nicht körperlich angreift, mache ich fleißig weiter."

Autorin: Olivia Fritz
Redaktion: Arnulf Boettcher