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Geist und Materie

Ingun Arnold26. April 2004

Eine Platte auf vier Beinen nennen wir "Tisch". Genau genommen ist das nur einer von vielen - ein Prototyp. Ein Tisch kann schließlich auch ganz anders aussehen. Warum also erkennen wir einen Tisch als "Tisch"?

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Bild: Illuscope

Sobald das Wort gelesen oder ausgesprochen wird, haben wir sofort ein Bild von einem Tisch im Kopf. Natürlich sieht der Tisch bei jedem anders aus, aber im Grunde sind sich alle einig, was gemeint ist. Die Materie Platte auf vier Beinen hat offenbar eine geistige Entsprechung: Tisch.

Eigentlich funktioniert das Zusammenspiel von Geist und Materie ja gar nicht so schlecht: Der Geist denkt "Ich will den Löffel" und schon hat ihn die Hand willig gepackt. Oder: "Hol' mal den Campingtisch für den Grillabend hoch!" heißt so viel wie: "Geist (bzw. Wille), mach', dass ich im Keller das Weinregal links liegen lasse und stattdessen die Ecke mit den Gartenmöbeln ansteuere".

Der Mensch - das beschränkte Wesen

Weimar
Tafel im Goethehaus WeimarBild: DW

Es mag ja sein, dass der Geist an sich schon schwer zu fassen ist, aber was eigentlich ist Materie? Sind es die Nervensignale, die Moleküle, die Atome oder die Quarks? Eine hintersinnige Lösung dieser Frage wird immer populärer: Geist und Materie sind nicht zweierlei, sondern zwei Seiten ein und desselben Prinzips. Der Mensch nimmt immer nur die eine oder die andere Seite wahr: Materie kann man riechen, schmecken, fühlen. Der Geist lebt nur im Inneren.

Philosophie kontra Naturwissenschaft

Die Frage, was Geist und Materie zusammenhält, hat unzähligen Denkern seit Jahrhunderten Kopfschmerzen bereitet und zu fast ebenso vielen verzweifelten Lösungsvorschlägen geführt. Der Philosoph René Descartes etwa glaubte, dass die menschliche Zirbeldrüse das Verbindungstor zwischen Körper und Geist sei.

Die Naturwissenschaftler suchten vor allem in der Materie das allumfassende Prinzip von Natur und Leben. Geist, so war ihr erstes Argument, ist ein Chamäleon: Er tritt als Bewußtsein auf, als Gedanke, Wille, Empfindung oder Gefühl. Wut oder Angst seien darauf zurückzuführen, dass bestimmte Hormone fließen oder Nervenzellen aktiv werden.

Die ungleichen Zwillinge

Aber auch den hartgesottensten Naturwissenschaftlern wurde klar, dass Wut oder Angst nicht von überreizten Nervenzellen oder verrückten Hormonen kommen. Das führte dazu, dass vor allem im 20. Jahrhundert erneut komplizierte Theoriegebäude entstanden. Sie haben abenteuerliche Namen wie "Eigenschaftsdualismus" oder "Supervenienztheorie". Grundannahme dieser Theorien: Geist und Materie sind Zwillinge. Zwar gleichen sich nicht bis aufs Haar, aber das eine kann ohne das andere nicht sein - eben wie zwei Seiten ein und derselben Medaille.