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Gelbe Karte für italienische Regierung

Svenja Üing21. November 2003

Ein Gesetz erlaubt italienischen Fußballclubs, ihre Schulden länger als üblich abzuschreiben. Mit dem eingesparten Geld können sie neue Spitzenspieler kaufen. Nun prüft die EU, ob das Gesetz den Wettbewerb verzerrt.

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Hauptaktionär des Fußballclubs AC Mailand: Der italienische Ministerpräsident Silvio BerlusconiBild: AP

Nach "fair play" klingt das Gesetz nicht, welches der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi im Frühjahr 2003 erlassen hat: Das so genannte "Salva calcio-Gesetz" macht es möglich, dass italienische Fußballclubs die Schulden, die durch teuer eingekaufte Spitzenspieler entstanden sind, bis zu zehn Jahre lang abschreiben können – selbst wenn die entsprechenden Spieler-Verträge nur für zwei oder drei Jahre gelten. Auf diese Weise können die betreffenden Vereine beispielsweise kurzfristig Ablösesummen und Spielergehälter in die Höhe treiben, obwohl ihre tatsächliche finanzielle Situation das gar nicht erlaubt. Innerhalb der Europäischen Union verzerre das sowohl den wirtschaftlichen als auch den sportlichen Wettbewerb zwischen den Vereinen – so sieht das jedenfalls die EU-Kommission.

EU: Bilanzgesetz verzerrt möglicherweise Wettbewerb

Die Kritik der EU-Kommission in Brüssel kommt im Doppelpack: EU-Binnenmarktskommissar Frits Bolkenstein nimmt den steuerlichen Aspekt ins Visier. Er hat ein Verfahren eingeleitet, das klären soll, ob das italienische Gesetz mit den Bilanzrichtlinien der EU vereinbar ist. Und Wettbewerbskommissar Mario Monti geht der Frage nach möglichen versteckten Staatsbeihilfen und unlauterem Wettbewerb auf EU-Ebene nach: "Es besteht konkreter Verdacht, dass das Gesetz de facto eine Staatsbeihilfe für die Serie-A-Clubs ist", so Monti. Zwei Monate hat die Berlusconi-Regierung nun Zeit, zum "Schuldendehngesetzes" Stellung zu nehmen. "Sollte binnen dieser Frist keine zufriedenstellende Antwort eingehen", schreibt die EU-Kommission, "kann die Kommission ihr Vertragsverletzungsverfahren fortsetzen und als letzten Schritt den Europäischen Gerichtshof anrufen."

UEFA: sportlicher Wettbewerb nicht beeinträchtigt

Mike Lee, Direktor für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der UEFA (Europäische Fußball-Union), betrachtet das Verfahren um das "Salva calcio-Gesetz" als Angelegenheit, die auf die italienische Regierung und die EU-Kommission beschränkt bleibt. "Die UEFA hat keinen Anlass zur Sorge, vor allem dann nicht, wenn sich Italien innerhalb der rechtlich vorgegebenen Grenzen bewegt." Und wenn nicht, sei es Sache der EU-Kommission, dagegen vorzugehen. Eine Beeinträchtigung des sportlichen Wettbewerbs sieht er nicht, da das Gesetz bisher lediglich eine Spielsaison betrifft. Ob andere europäische Vereine vergleichbare juristische Vergünstigungen in Anspruch nehmen, ist Lee nicht bekannt.

Beispiel: Frankreich

Eine staatliche Subventionierung anderer Art kommt französischen Profi-Sportvereinen zugute: Dort werden Fußball-, Basketball-, Rugby- und Volleyballclubs mit bis zu 2,3 Millionen Euro im Jahr unterstützt. Voraussetzung für die finanzielle Förderung: Die Profi-Vereine müssen staatlich zugelassene Ausbildungszentren für Jugendliche unterhalten. Im April 2001 hat die EU-Kommission grünes Licht für dieses Subventionssystem gegeben, "da es sich nicht um eine staatliche Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags handelt", so die Begründung der EU-Kommission.

Auch AC Mailand profitiert vom "Salva calcio-Gesetz"

Mit dem italienischen Abschreibegesetz hat die Regierung Berlusconi im Sommer einige italienische Fußballclubs vor ernsten finanziellen Problemen, wenn nicht sogar vor der Pleite bewahrt. Für die Erstligisten bedeutet das Gesetz laut italienischer Medien nämlich millionenschwere Steuervorteile. Ohne diese Regelung hätten sich die Schulden der ohnehin hoch belasteten Vereine zum Teil vervielfacht. Profitiert hat auch der Champions-League-Sieger AC Mailand – an dem Berlusconis Medienholding Fininvest mit einem Anteil von 99,94 Prozent beteiligt ist. Statt eines Defizits von 29,50 Millionen Euro hätte Berlusconis Club 247,30 Millionen Euro in der Bilanz; bei Inter Mailand, Lazio Rom und AS Rom bietet sich ein ähnliches Bild. Nach der Verfahrenseröffnung durch die EU-Kommission brachen die Börsenkurse der römischen Clubs um knapp 5 Prozent ein.

Die italienische Regierung reagierte auf den Beginn des Verfahrens gelassen: "Monti hat Dialogbereitschaft gezeigt, nun liegt es an uns, ihm Vorschläge zu unterbreiten, die zu einer Lösung führen können", sagte der für Sport zuständige Staatssekretär Mario Pescante. Die Lage sei jedoch nicht tragisch: "Wir können das Gesetz ändern", so Pescante weiter. Der Trainer des Serie-A-Clubs FC Bologna, Carlo Mazzone, machte derweil die Clubchefs für die prekäre Lage der italienischen Top-Vereine verantwortlich: "Jahre lang sind sie mit dem Geld umgegangen als würden sie Monopoly spielen. Dabei ging es um echtes Geld und jetzt ist der Schuldenberg enorm geworden."