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Geld bis November - Athen zapft Reserve an

4. Oktober 2011

Die griechische Regierung hat bekanntgegeben, dass ihre Finanzlage bis Mitte November sicher sei. Derweil beschlossen die EU-Finanzminister in Luxemburg eine Verschärfung des Stabilitätspaktes.

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Statue ohne Kopf vor der Akropolis (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa
Evangelos Venizelos (Foto: dapd)
Venizelos: "Bis November gibt es kein Problem"Bild: dapd

1,5 Milliarden Euro – so hoch ist die Geldreserve, die die griechische Regierung noch besitzt und nun für die Zahlung der Löhne und Renten verwenden kann. "Bis Mitte November - das ist klar - gibt es kein Problem", sagte der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos am Dienstag (04.10.2011) auf einer Pressekonferenz in Athen. Bisher hatte es geheißen, Griechenland brauche die nächste Hilfstranche zwingend bereits im Laufe des Oktobers.

"Keine Zahlungsunfähigkeit"

Die Summe von 1,5 Milliarden Euro stammt nach Agenturangaben aus einem Banken-Stabilisierungs-Fonds, der im Zuge der Krise 2008 aufgelegt worden war. Dieses Geld soll Griechenland über die Durststrecke hinweghelfen, die entstanden ist, weil sich die EU-Finanzminister am Montag nicht auf die Auszahlung einer weiteren Milliarden-Tranche an das kriselnde Euroland einigen konnten. Eine Pleite Griechenlands ist nach Worten von Venizelos kein Thema. "Es gibt keine Diskussion über eine Zahlungsunfähigkeit", sagte der Finanzminister.

Stabilitätspakt verschärft

Wolfgang Schäuble, Anders Borg und Elena Salgado (v. r.) beim EU-Finanzministertreffen (Foto: dapd)
Wolfgang Schäuble und seine EU-Kollegen wollen den Stabilitätspakt verschärfenBild: dapd

Derweil haben die EU-Finanzminister die Grundlagen dafür geschaffen, dass ein zweiter "Fall Griechenland" nicht so schnell zur Realität wird. Daher wurden die Regeln des Stabilitätspaktes verschärft. Die 27 Minister einigten sich im Grundsatz auf ein Gesetzespaket, das strengere Haushaltsdisziplin, härtere Strafen für Defizitsünder und ein schnelleres Krisenmanagement vorsieht.

Nun muss der Text noch in die Amtssprachen der EU übersetzt werden, dann können die Minister die Vorschläge bei ihrem nächsten Treffen am 8. November endgültig und formal beschließen, wie Diplomaten berichteten. Das Europaparlament hatte bereits in der vergangenen Woche zugestimmt.

"Six Pack" mit Sanktionen

Die neuen Regeln werden nach Worten von EU-Währungskommissar Olli Rehn spätestens zum Jahresbeginn 2012 in Kraft treten, möglicherweise aber auch noch im Dezember. Dabei handelt es sich um die größte Reform des Stabilitätspaktes seit der Euro-Einführung 1999.

Die sechs Gesetze (auch "Six-Pack" genannt) sollen verhindern, dass sich Schuldenkrisen wie in Griechenland wiederholen. So werden Staaten, die beim Haushaltsdefizit die Grenze von drei Prozent reißen, quasi automatisch sanktioniert. Eine ausdrückliche Zustimmung aller EU-Staaten ist für die Einleitung eines Strafverfahrens dann nicht mehr nötig. Das Verhängen von Geldstrafen wird einfacher. Für die schärferen Strafen gilt eine Übergangsfrist von drei Jahren bis 2015.

Eine Euromünze neben europäischen Geldscheinen zu sehen (Foto: dpa)
Zahlreiche Regelungen sollen die Euro-Gemeinschaft stabilisierenBild: picture-alliance/dpa

Frühwarnsystem

Bei der Gesamtverschuldung ist es künftig möglich, gegen ein Land ein Defizitverfahren zu eröffnen, wenn es bei der gesamtstaatlichen Verschuldung die erlaubte Grenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung überschreitet.

Zu den zentralen Elementen gehört zudem eine Art Frühwarnsystem: Die EU-Kommission behält die Entwicklung der Volkswirtschaften im Auge und warnt, wenn sie Fehlentwicklungen oder Ungleichgewichte erwartet.

Nur noch zwei Stimmen fehlen

Auch die Ausweitung des Rettungsfonds EFSF macht Fortschritte. Nach Angaben von Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker fehlt nur noch die Zustimmung von zwei Staaten - die der Niederlande und die des Wackelkandidaten Slowakei. Der Fonds, der 440 Milliarden Euro Notkredite an Krisenländer verleihen kann, soll neue Aufgaben bekommen und schlagkräftiger werden.

Auch im Streit um Sicherheiten als Gegenleistung für neue Hilfskredite für Griechenland gibt es eine neue Entwicklung. Nach monatelangen Verhandlungen einigten sich die Minister der Euro-Staaten in Luxemburg, dass künftig die geldgebenden Euro-Staaten griechische Staatsanleihen als Sicherheitspfand verlangen können. Dies ist aber mit hohen Auflagen verbunden. Bis auf Finnland, das diese Sicherheiten gefordert hatte, zeigte aber kein anderer EU-Staat Interesse daran.

Immer neue Proteste in Griechenland

Demonstranten auf der Straße (Foto: dapd)
Tagtägliches Bild: Proteste in AthenBild: dapd

Parallel zu den Beratungen in Luxemburg gab es in Athen erneut Proteste. So blockierten Demonstranten die Eingänge zum Finanz- und Arbeitsministerium. Sie wollten nicht zu den Tausenden Bediensteten im Öffentlichen Dienst gehören, die im Zuge der zusätzlichen Sparmaßnahmen der Regierung Lohnkürzungen hinnehmen müssten, erklärten die Teilnehmer.

Die Gewerkschaft PAME warf der Regierung in einer Mitteilung vor, sie habe sich der Reduzierung der Mindestlöhne und der Aufhebung von Tarifverträgen den Interessen der Wirtschaft gebeugt.

Flugausfälle am Mittwoch

Flugzeuge auf dem Athener Flughafen (Foto: dapd)
Für 24 Stunden soll der Flugverkehr bestreikt werdenBild: dapd

Auch der griechische Luftverkehr steht vor einem 24-Stunden-Stillstand: Wegen eines Fluglotsenstreiks werde es an diesem Mittwoch keine kommerziellen Flüge von und nach Griechenland geben, teilten die wichtigsten Fluglinien mit. Der Streik solle am Dienstag um 23.00 Uhr beginnen und am Mittwoch 23.00 Uhr enden. Hunderte Flüge müssen demnach ausfallen.

Die Fluglinien erklärten, sie wollten möglichst viele Passagiere auf Flüge nach dem Streik umbuchen. Flüge über Griechenland ohne Zwischenlandung sollten normal stattfinden, erklärte die Gewerkschaft der Fluglotsen.

Mindestlohn vor Abschaffung?

Empört sind auch die Angestellten des privaten Bereichs: Die Experten der sogenannten "Troika" aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) sollen nach Informationen aus dem Arbeitsministerium jetzt fordern, dass der griechische Mindestlohn von netto 548 Euro abgeschafft wird.

Griechenland ist auf einen Notkredit der Euro-Staaten und des IWF angewiesen, um eine Staatspleite abzuwenden. Im Juli wurde dem Land zwar von seinen Europartnern und dem Internationalen Währungsfonds ein zweites Rettungspaket in Höhe von 109 Milliarden Euro gewährt. Von der Einschätzung der "Troika" machen die Euroländer die Freigabe der nächsten Hilfsrate abhängig.

Autorin: Marion Linnenbrink (afp, dpa, rtr)
Redaktion: Ursula Kissel