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Geldhahn auf - warum?

Rolf Wenkel19. September 2008

Die wichtigsten Notenbanken weltweit haben in einer beispiellosen Aktion ihre Kräfte gebündelt und mit einer milliardenschweren Rettungsaktion den Geldmarkt vor einem Kollaps bewahrt. Wie funktioniert so etwas?

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Wenn das Geld fehlt, klappt das Bankensystem zusammen
Wenn das Geld fehlt, klappt das Bankensystem zusammenBild: picture-alliance/dpa

Allein am Donnerstag (17.9.) stellte die US-Notenbank FED insgesamt 180 Milliarden US-Dollar bereit. Dieses Geld können die anderen Zentralbanken an die Kreditinstitute weiterreichen, die sich untereinander nicht mehr trauen und deswegen untereinander kaum noch Dollar leihen. Dazu kamen Milliardenbeträge, die von der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bank von England und anderen Notenbanken in eigener Währung ausgegeben wurden. Eine derartige Aktion hatte es selbst nach den Anschlägen in New York vom 11. September 2001 nicht gegeben.

Warum pumpt die Europäische Zentralbank Milliarden Euros in den Finanzmarkt und wie muss man sich das vorstellen – rotieren da die Gelddruckmaschinen schneller und fahren da Lastwagen mit Geldscheinen durch die Gegend? Natürlich nicht. Jede Bank hat einen so genannten Geldhändler, der morgens abschätzt, wie viel Geld die Bank und ihre Filialen für diesen Arbeitstag brauchen. Das besorgt er sich gegen Hinterlegung von Wertpapieren bei der Zentralbank. Die allerdings verschenkt das Geld keineswegs, sondern verlangt dafür Zinsen, in der Regel den berühmten Leitzinssatz.

Nichts zu verschenken

Das Geld wird auch nicht mit vollen Händen verteilt, sondern in bestimmten Bieterverfahren zugeteilt (Zins- oder Mengentender). Kommt unser Geldhändler bei der Zuteilung zu kurz und steht zufällig die Auszahlung ungewöhnlich vieler Hypothekendarlehen oder Unternehmenskredite an, hat der Mann ein Problem: Er hat zu wenig Geld. Das kann er sich aber im so genannten Interbankenhandel bei einer anderen Bank besorgen, idealerweise bei einer Bank, deren Geldhändler den Tagesbedarf seiner Bank überschätzt hat.

Der Schmierstoff für die Wirtschaft
Der Schmierstoff für die WirtschaftBild: picture-alliance / chromorange

Seit der Finanzkrise droht jedoch etwas, was die Banker einen "Credit Crunch" (eine Kreditklemme) nennen. Weil kein Banker weiß, welche faulen Eier sein Wettbewerber in den Büchern hat, tendiert die Kreditvergabe untereinander gegen Null - man weiß ja nie, ob man das Geld jemals zurück bekommt. Werden die Banken jedoch nicht ausreichend mit Liquidität versorgt, klappt das ganze Bankensystem zusammen. Diese Situation drohte am vergangenen Montag. Abzulesen war das an der Tatsache, dass die Banken bei Krediten untereinander plötzlich das Achtfache des normalen Zinssatzes als Risikoaufschlag verlangten. Deshalb sind die Zentralbanken im Moment sehr großzügig und schmeißen jedem das Geld hinterher, damit die Finanzmärkte nicht austrocknen.

Virtuelles Geld

Lastwagen fahren da natürlich auch nicht durch die Gegend. Es genügt ein Knopfdruck am Computer, wie man es in Deutschland bei der staatlichen KfW-Bank gesehen hat. Tatsächlich gibt es im Euroraum für 240 Millionen Bürger nur etwa 600 Milliarden Euro in physischer Form, also Banknoten und Münzen. Der weitaus überwiegende Teil des Geldes, mit dem die Wirtschaft und die Bürger täglich umgehen, existiert nur in Form von Guthaben und Forderungen in Büchern oder auf Festplatten großer Rechner, das ist das so genannte Giralgeld.

Dieses virtuelle Geld sollen sogar schon Urvölker erfunden haben, die sich unbequemerweise Mühlsteine als Währung ausgesucht haben. Einmal fiel ein Mühlstein in einen Bach, keiner bekam ihn da wieder raus, aber der Mühlstein wechselte ständig seinen Besitzer, es konnte fröhlich weitergehandelt werden, weil man soeben den bargeldlosen Zahlungsverkehr erfunden hatte.

Hausgemachte Inflation

Es rotiert also weder eine Gelddruckmaschine schneller noch werden Lastwagen in Bewegung gesetzt. Eine andere Frage ist, ob mit dieser gigantischen Ausweitung der Zentralbankgeldmenge nicht die Inflation angeheizt wird. Üblicherweise hat es eine Zentralbank am liebsten, wenn das Geldmengenwachstum im Einklang mit dem Wirtschaftswachstum steht. Wächst die Geldmenge zu schnell, ohne dass ihr ein entsprechendes wirtschaftliches Leistungspotenzial gegenübersteht, steigen die Preise. Dann käme zur importierten Inflation (Rohstoff- und Energiepreise) noch eine hausgemachte Inflation dazu.