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Gemeinsam gegen kriminellen Grenzverkehr

7. August 2010

Autodiebstahl an der polnischen Grenze - Klischee, aber auch harte Realität. Erst recht seit dem Schengen-Beitritt Polens. Deutsche und polnische Grenzpolizisten versuchen dagegenzuhalten und gehen gemeinsam auf Streife.

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Grenzpfeiler an der deutsch-polnischen Grenze (Foto: FFO)
Grenzpfeiler an der deutsch-polnischen GrenzeBild: picture-alliance/dpa

Es ist 13 Uhr, als Polizeiobermeister Jörg Müller die Wache in Slubice erreicht. Von Frankfurt an der Oder aus ist er zu Fuß über die Oderbrücke auf die polnische Seite der Grenzstadt gelaufen. In der dortigen Polizeidienststelle wartet Tomasz Zelazowski. Der nimmt noch einen Schluck aus der Kaffeetasse und setzt seine Schirmmütze auf. Beide in blauen Uniformen verlassen der hochgewachsene Pole und sein kleinerer Kollege aus Deutschland die Wache.

Das deutsch-polnische Polizisten-Duo Jörg Müller (l.) und Tomasz Zelazowski (Foto: Anna Corves)
Das deutsch-polnische Polizisten-Duo Jörg Müller (l.) und Tomasz ZelazowskiBild: Anna Corves

Seit fünf Jahren gehen Müller und Zelazowski zusammen auf Streife, immer vier Stunden in Slubice, vier Stunden in Frankfurt/Oder. Viel Zeit für Gespräche. Jörg Müller radebrecht auf Polnisch, Zelazowski auf Deutsch. Für den Job haben sie Sprachunterricht bekommen. "Zwei Mal zwei Wochen in Frankfurt und zwei Mal in Polen", erzählt Zelazowski.

Deutscher Einsatz im "Deutschen Eck"

Die beiden sind ein eingespieltes Team. Die Rollenverteilung auf Streife ist klar, sagt Müller. "Auf der deutschen Seite bin ich der Chef. Hier in Polen gilt: Der polnische Kollege handelt, der deutsche geht ihm zur Hand." Zelazowski geht voran, schaut bei einer Tankstelle vorbei, wo häufig Benzin geklaut wird, mahnt den Besitzer eines Tabakladens, vor dem es immer wieder zu laut ist. Jörg Müller hält sich im Hintergrund. Sein Einsatz kommt später: Stippvisite bei einer polnischen Gaststätte im so genannten "Deutschen Eck" - wo besonders Deutsche gerne billig viel Bier trinken.

Vier Männer sitzen draußen am Tisch: Rote Köpfe, leicht glasiger Blick. Müller tritt an sie heran: Ausweiskontrolle. Ohne Murren aber mit albernen Sprüchen kramen die Herren ihre Ausweise hervor. Müller nickt: "Alles OK." Dass sie von einem deutschen Polizisten in Polen kontrolliert werden, finden die Männer "beruhigend", wie einer aus der Runde sagt. "Es gibt doch ein paar Vorbehalte zwischen Polen und Deutschen. Wenns bei einer Kontrolle dann Konflikte gibt, kann ich mir vorstellen, dass er als deutscher Polizist den wunderbar klären kann."

Autodiebstahl boomt

Nach dem Beitritt Polens zum Schengen-Abkommen der Europäischen Union, das Personenkontrollen an den EU-Binnengrenzen regelt, ist die Zahl der Straftaten in den Grenzgemeinden insgesamt zurückgegangen. In den Gemeinden des Bundeslandes Brandenburg, in dem Frankfurt/Oder liegt, deutlich um 19 Prozent. Aber einige Delikte haben drastisch zugelegt - vor allem der Autodiebstahl. Wurden an der brandenburgischen Grenze zu Polen von Januar bis Mai 2007 nur 77 Autos geklaut, waren es in diesem Jahr bis Mai schon 272. Der Grenzübergang Frankfurt/Oder ist bei Autodieben besonders beliebt: Durch die Autobahn A12 von Berlin können sie sich schnell gen Osten absetzen - nach Polen, oft aber auch noch weiter, in die Ukraine etwa.

Das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit liegt direkt auf dem Grenzübergang zwischen Deutschland und Polen (Foto: Anna Corves)
Das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit liegt direkt auf dem Grenzübergang zwischen Deutschland und PolenBild: Anna Corves

Die Polizei versucht, die Kriminalität in den Griff zu bekommen. Seit 2007 gibt es in Swiecko, direkt auf der Autobahn-Grenzbrücke zwischen Polen und Deutschland, das "Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit". Im dortigen Lagezentrum arbeiten Polizisten beider Nationen zusammen, können so Informationen buchstäblich auf Zuruf austauschen. Das ermöglicht eine nahtlosere Verfolgung von Straftätern, und vor allem eine kürzere Aufklärungszeit.

Kein Problem mit Spontankontrollen?

Um des grassierenden Autodiebstahls Herr zu werden, hat der Polizeipräsident von Frankfurt/Oder zudem seit März eine Ausnahmegenehmigung erlassen. Die erlaubt es der Polizei, in einer 30-Kilometer-Zone entlang der Grenze anlassunabhängig zu kontrollieren: Jeder Verkehrsteilnehmer kann jederzeit nach seinem Ausweis gefragt werden. Solche Kontrollen sind auch der Job von Jörg Müller. Auch, wenn er mit Tomasz Zelazowski unterwegs ist. Aber erst, nachdem sie über die Oderbrücke die deutsche Seite in Frankfurt/Oder erreicht haben.

"Die typischen Klaumarken sind Mercedes, VW und Audi", sagt Müller. Die würden in Frankfurt auch am helllichten Tag geklaut. Von den anlassunabhängigen Kontrollen erhofft er sich eine abschreckende Wirkung auf potentielle Straftäter. Müller und Zelazowski treten auf die Straße, winken einen blauen Polo an die Seite. "Die Fahrzeugpapiere bitte, und einmal den Kofferraum öffnen!" Der Hände des jungen Fahrers zittern etwas, so oft werde man ja nicht kontrolliert, sagt er entschuldigend. Müller hat nichts zu beanstanden, der junge Mann darf weiter. Ob er ein Problem damit habe, einfach so heraus gewunken und kontrolliert zu werden? "Nein", sagt er, und fährt wieder los. Müller wundert das nicht: "Das ist die normale Reaktion. Wenn einer was zu verbergen hat, dann wird es natürlich auch andere Reaktionen geben."

Im März und April wurden rund 4000 Verkehrsteilnehmer kontrolliert - 41 von ihnen wurden vorläufig festgenommen, etwa wegen Diebesgutes im Kofferraum. "Eine höhere Quote wäre wünschenswert", findet Jörg Müller. Bis Ende August sind die anlassunabhängigen Kontrollen zunächst erlaubt, auf Bewährung sozusagen. Bestehen sie die, kann die Ausnahmegenehmigung noch mal verlängert werden.

Autorin: Anna Corves
Redaktion: Klaudia Prevezanos