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"Gemeinsam Geschichte geschrieben"

Wim Abbink17. Dezember 2004

Die EU und die Türkei haben sich auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen am 3. Oktober 2005 geeinigt. Die Türkei sagte im Gegenzug zu, das EU-Mitglied Zypern bis zur Aufnahme der Verhandlungen anzuerkennen.

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Ende gut, alles gut?Bild: AP

Nach stundenlangem Ringen versprach der türkische Premierminister Recep Tayyip Erdogan beim EU-Gipfel in Brüssel am Freitag (17.12.2004), die Ausdehnung der Zollunion auf die zehn neuen EU-Länder - und damit auch Zypern - anzuerkennen. Der Streit um die geteilte Insel hatte die Einigung über die geplanten Beitrittsgespräche bis zum Schluss in Frage gestellt.

"Die Türkei hat heute die Hand ergriffen, die wir ausgestreckt hatten", sagte der Ratsvorsitzende und niederländische Regierungschef Jan Peter Balkenende. "Wir haben heute gemeinsam Geschichte geschrieben." Erdogan habe in einer Erklärung deutlich gemacht, dass er zur späteren Unterzeichnung des Protokolls zur Zollunion bereit sei. Damit beginne eine neue Epoche in den Beziehungen zwischen der Türkei und der EU. Die Türkei wartet seit 40 Jahren auf einen Beitritt zur Europäischen Union.

EU Gipfel Türkei Gruppenfoto
Bild: AP

Neue Hürden?

Erdogan weigerte sich in Brüssel, das so genannte Ankara-Protokoll zur Zollunion noch beim EU-Gipfel abzuzeichnen. Ratspräsident Balkenende erklärte jedoch, der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan habe zugesichert, das Protokoll noch vor dem Start der Beitrittsverhandlungen unterzeichnen zu wollen. Damit sei zwar noch nicht eine "rechtsgültige Anerkennung" der Republik Zypern verbunden, die Ankara bislang vehement ablehnt. Doch sei es eine "formale" Anerkennung".

Unterdessen baute aber der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel eine neue Hürde für den angestrebten EU-Beitritt der Türkei auf. Er wolle in einer Volksabstimmung in Österreich über den Beitritt des ersten muslimischen Kandidatenlandes zur EU entscheiden lassen, kündigte Schüssel in Brüssel an. Außerdem forderte der französische Staatspräsident Jacques Chirac von der Türkei ausdrücklich eine Anerkennung des Völkermordes in Armenien während des Ersten Weltkrieges. Falls dies nicht geschehen sollte, würden dies die Franzosen bei dem geplanten Referendum über den Türkei-Beitritt sicherlich berücksichtigen.

"Wichtiger Tag in der Geschichte Europas"

Schröder und der britische Premierminister Tony Blair erklärten, die geforderte Unterzeichnung des Ankara-Protokolls bedeute nicht notwendigerweise eine förmliche Anerkennung Zyperns durch die Türkei. Der deutsche und der britische Regierungschef hatten zuvor am Rande des Gipfels auf Erdogan eingewirkt, um eine Lösung zu erzielen. Blair betonte, in den anstehenden Verhandlungen mit der Türkei müssten noch zahlreiche Fragen geklärt werden: "Jeder erkennt an, dass es bis zur Mitgliedschaft noch mindestens ein Jahrzehnt dauern wird."

Der Zankapfel Zypern ist seit 1974 in einen türkisch-zyprischen Nordteil und die unabhängige griechisch-zyprische Republik im Süden geteilt. Eine Wiedervereinigung der Insel nach einem Plan von UN-Generalsekretär Kofi Annan war im Frühjahr von der Türkei unterstützt worden, scheiterte jedoch an der Mehrheit der Bevölkerung im Süden. Seitdem haben sich die Fronten wieder verhärtet.

Der EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sprach ebenfalls von einem "sehr positiven Ergebnis" des Brüsseler EU-Gipfels. Die Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit der Türkei bedeute "einen Neuanfang für Europa", sagte er. Nun sei es an Ankara, "klare Signale" für ihre Beitrittsfähigkeit zu senden. Ungeachtet der noch offenen Zypernfrage markiere die Entscheidung von Brüssel aber "einen ganz wichtigen Tag in der Geschichte Europas".

EU Gipfel Türkei Jose Manuel Barroso
Zufrieden: Kommissionspräsident BarrosoBild: AP