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Gemeinsam stark

22. Februar 2010

Um Entlassungen zu vermeiden, haben sich 27 Kunststofffirmen in Nordrhein-Westfalen zusammen geschlossen. Je nach Arbeitslage tauschen sie ihre Mitarbeiter aus.

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Facharbeiter beim Schweißen in der Firma Henze, Troisdorf bei Bonn (Foto: DW)
Ohne Jobverlust durch die KriseBild: DW

Es sind kleine und mittelgroße Betriebe mit zusammen rund 100 Millionen Euro Jahresumsatz und 600 Beschäftigten, die in der Interessengemeinschaft Kunststoff - kurz IGK - enger zusammen arbeiten. Das Prinzip ist ganz einfach: Wer zu wenig Aufträge hat, kann seine Mitarbeiter einem Unternehmen anbieten, in dem mehr Arbeit anfällt. Auf diese Weise konnten im Krisenjahr 2009 schon mehrere Beschäftigte vor der Arbeitslosigkeit bewahrt werden, sagt Wolfgang Fester, Geschäftsführer der Kunststoffwerke Henze in Troisdorf bei Bonn: "Das funktioniert auf informellem Wege. Wir rufen an: Du, ich habe viel zu tun - oder zu wenig Arbeit, kannst Du mir helfen?" Das sei ein Weg, sagt Fester - ein weiterer war die Gründung des "Internationalen Arbeitskräfte-Pools" (IAP).

Mitarbeiter werden betriebsübergreifend eingesetzt

Mitglieder der Interessengemeinschaft Kunststoff (v.l.n.r. Thomas Meyer (Fa. Kubatec), Wolfgang Fester (Fa. Henze) Joachim Eggers (Ausbildung Fa. Henze), Heinz Palkowsk (IAP) (Foto: DW)
Gehören zur IAP: Thomas Meyer, Wolfgang Fester, Joachim Eggers, Heinz Palkoska (v.l.n.r.)Bild: DW

Vor Jahren haben sich sieben der in der IGK verbundenen Betriebe darauf verständigt, den IAP ins Leben gerufen. "Wenn ein Betrieb vor der Frage steht, Leute entlassen zu müssen, dann haben wir sie in den IAP übernommen", sagt Heinz Palkoska, Geschäftsführer des Internationalen Arbeitskräfte-Pools. Und der funktioniert so: Je nach Lage übernimmt der IAP die qualifizierten Mitarbeiter samt Bezahlung. Sie sind dort angestellt und werden in jenen Betriebe des Verbundes eingesetzt, die mehr Aufträge abzuarbeiten haben.

Facharbeiter Dario Radic gehört zum IAP und hat bereits in verschiedenen Firmen gearbeitet. Er sei jetzt 20 Jahre als Facharbeiter tätig, sagt Radic, und lerne auf diese Weise jeden Tag etwas Neues hinzu. "Ich lerne viele neue Kollegen kennen, gute Handwerker, von denen ich mir auch etwas abgucke. Und ich hoffe, dass die Lehrlinge sich in Zukunft auch mal etwas bei mir abgucken werden".

Ausbildung in der Gemeinschaft

Auszubildende und ein Facharbeiter stehen zusammen vor einem großen Kunststoffrohr (Foto: DW)
Ob Azubi oder Facharbeiter: durch den Austausch sind die Jobs sichererBild: DW

Der Arbeitskräftepool vermittelt aber nicht nur qualifizierte Mitarbeiter, sondern bildet auch Lehrlinge aus. "Unser Ausbildungskonzept sieht vor, dass die Auszubildenden vier Monate eine überbetriebliche Ausbildung bekommen, also Grundkurse in Metall, Kunststoff, Hydraulik, Elektronik und Pneumatik. Dann werden sie für die Prüfungen vorbereitet", sagt Heinz Palkoska. Die ersten vier Monate verbringen die Auszubildenden ausschließlich in einer Lehrwerkstatt. Sie ist in einem der zusammen arbeitenden Betriebe eingerichtet worden. Erst dann geht es direkt in die Unternehmen. Am Ende einer Berufsausbildung ist dann auch noch ein Auslandspraktikum vorgesehen. Derzeit bemühe man sich, innerhalb der Europäischen Union Betriebe zu finden, die bei einem derartigen Austausch mitmachten, erläutert Palkoska. Erste Kontakte gebe es bereits in Slowenien, Polen, England und Italien.

Die umfangreichen Lehrjahre, vor allem auch die Aussicht, einige Wochen im Ausland zu verbringen, kommt bei den jungen Leuten in den Betrieben gut an. Doch sei es teilweise erschreckend, mit welchem Bildungsstand die Auszubildenden von der Schule abgehen würden, sagt Joachim Eggers. Er ist Ausbildungsverantwortlicher bei der Firma Henze in Troisdorf: "Wenn Jugendliche beispielsweise mit mathematischen Defiziten eine neue Ausbildung beginnen, dann bekommen sie über kurz oder lang Schwierigkeiten. Um diese Defizite auszugleichen, schicken wir sie in einen Förderunterricht", so Eggers. Das vereinfache den Einstieg in den Berufsschul-Alltag. Der Förderunterricht wird vom IAP bezahlt.

Die Geschäftsaussichten für 2010 sind gut

Für Thomas Meyer, Geschäftsführer der Firma Kubatec in Troisdorf, ist diese Art der Ausbildung, vor allem aber der Mitarbeiteraustausch, ideal. In seinem Betrieb werden Rohre, Behälter und Apparate für die Industrie gefertigt und montiert. In der Krise seien die Aufträge aus der Großindustrie dramatisch zurück gegangen - um 70 Prozent, sagt Meyer. Sofort habe es einen Kontakt innerhalb der Interessengemeinschaft gegeben - nicht nur in Sachen Personal: "Wer Arbeit zu viel hatte", so Thomas Meyer, "hat dann auch Arbeit abgegeben, und somit konnten wir uns im Grunde genommen über das Jahr hinwegretten". Für 2010 sieht es wohl besser aus, obwohl der kalte Winter auf die Konjunktur drückt. Aber die Signale aus der Industrie seien gut, sagt Thomas Meyer. Anfragen und Aufträge seien bereits da.

Kunststoffrohr für die Abwassertechnik bei der Firma Henze in Troisdorf (Foto: DW)
Nach der Flaute werden wieder mehr Behälter für Abwassertechnik gefertigtBild: DW

Für die Kunststoffbranche scheint es wieder aufwärts zu gehen. Die 27 Betriebe der Interessengemeinschaft in Nordrhein-Westfalen sind dafür gut aufgestellt. Denn sie haben erkannt, dass sie gemeinsam besser durch wirtschaftlich flaue Zeiten kommen.

Autorin: Monika Lohmüller

Redaktion: Julia Elvers-Guyot