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Gemeinsam statt einsam

20. Juni 2011

Immer mehr ausländische Studierende kommen nach Deutschland. Doch an den Unis fühlen sie sich oft einsam und schlecht integriert. Das Programm "Profin" will dies mit Projekten an 100 Hochschulen ändern.

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Tandem aus einer deutschen und einer ausländischen Studentin (Foto: Fotodesign Marion Nelles/DAAD)
Zu zweit fällt vieles leichter ...Bild: Fotodesign Marion Nelles/DAAD

Es ist Mittag. Die Mensa der Berliner Humboldt-Universität ist voll. Es gibt indischen Pfeffertopf und paniertes Schweineschnitzel. Studierende aus dem In- und Ausland laufen an der Theke mit ihren Tabletts herum, stehen an der Kasse, lächeln sich zu. Doch dann setzen sie sich wieder getrennt an die Tische. Hier die deutschen Studierenden, da die ausländischen Studenten. He Jang aus Südkorea ist nicht glücklich darüber. "Es ist schwer, Deutsche kennenzulernen", sagt er. "Selbst hier in der Mensa kommt es nur selten zu Gesprächen."

Seine Kommilitonin Hang Ju hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Zunächst habe sie Veterinärmedizin studiert, erzählt sie, dann Agrarwissenschaften, aber in beiden Fachbereichen sei sie bei ihren deutschen Kommilitonen auf Distanz gestoßen. "Vielleicht liegt es ja auch an mir", meint sie selbstkritisch. "Vielleicht habe ich diese Schwierigkeiten, weil ich nicht so offen bin." Rund ein Drittel der ausländischen Studierenden, so zeigt eine Untersuchung des Bundesbildungsministeriums, findet es schwierig, Kontakt zu Deutschen zu knüpfen – sowohl in der Uni, als auch außerhalb des Campus.

Kultureller Schock in Deutschland

DAAD-Preis für hervorragende Leistungen ausländischer Studierender 2010: v.l.n.r. Itzia Gómez Torrentera, Bürgermeisterin Brigitte Kramps, Dekan Prof. Dr. Werner Hug (Foto: FH Südwestfalen)
DAAD-Preis für Itzia Gómez Torrentera (links)Bild: FH Südwestfalen

"Gerade für Nicht-EU-Studenten ist die erste Zeit in Deutschland oft ein kultureller Schock", weiß Itzia Gómez Torrentera. Die Mexikanerin hat in Hagen Wirtschaftsingenieurwesen studiert. "Hinzu kommen bürokratische Hindernisse, jedes Jahr muss das Visum erneuert werden, auch die deutsche Sprache ist nicht einfach." Das Programm für ausländische Studierende "Profin" habe ihr bei der Eingewöhnung an der deutschen Fachhochschule Hagen geholfen, erzählt Torrentera. Sie konnte ihr Studium im vergangenen Jahr so erfolgreich beenden, dass sie mit dem Preis für hervorragende Leistungen ausländischer Studierender des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) geehrt wurde.

"Ausländische Studenten, die sich in der Hochschule und mit ihren Kommilitonen wohl fühlen und dort eingebunden sind, studieren besser und bauen auch insgesamt eine positive Beziehung zu Deutschland auf", betont Professorin Evelyn Albrecht, die das Projekt "Profin" an der Fachhochschule in Hagen betreut. DAAD-Generalsekretärin Dorothea Rüland kann das bestätigen. Das Programm habe vermutlich dazu beigetragen, die Quote der Studienabbrecher unter den ausländischen Studierenden um rund 20 Prozent zu senken, meint sie. "Aber noch immer bricht die Hälfte ihr Studium ab, und das ist zu viel."

Türen in die deutsche Gesellschaft öffnen

Ausländische Studenten und Studentinnen an der Universität Köln (Foto: dpa)
Auf Augenhöhe: deutsche und ausländische Studenten in KölnBild: picture-alliance/dpa

Also wirbt das 2009 gestartete Programm für mehr Integrationsprojekte an den deutschen Unis. Bundesweit fördert "Profin" derzeit 132 Initiativen an fast 100 Hochschulen. Dazu gehören unter anderem Erzählcafés, Kontaktbörsen und Tutorennetzwerke. Interkulturelle Lerngruppen gibt es an der Leibniz-Universität in Hannover. In Köln wurden Fachschaften, Uni- und Stadtverwaltung in ein Integrationsnetzwerk eingebunden. Allen Initiativen geht es darum, den ausländischen Studierenden mit Informations-, Sprach- und Freizeitangeboten Türen in die deutsche Gesellschaft zu öffnen. Gut zwölf Millionen Euro gibt das Bundesbildungsministerium für "Profin" aus. Nicht zuletzt, weil in Deutschland Fachkräfte fehlen.

Wichtig sei bei allen Projekten, dass die Begegnung auf Augenhöhe stattfinde, betont Azadeh Hartmann-Alampour. Sie leitet die "Profin"-Projekte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule in Aachen. Es solle nicht dem "Patienten Ausländer" vom "deutschen Therapeuten" geholfen werden, sondern beide Seiten profitierten von der Zusammenarbeit. Häufig entwickelten sich Freundschaften, manchmal sogar mehr. "Es kommt sogar vor, dass Liebespaare entstehen. Alles ist möglich."

Autoren: Heiner Kiesel, Sabine Damaschke
Redaktion: Gaby Reucher