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"Gemeinsames Interesse sollte die Stabilisierung des Südkaukasus sein"

22. Februar 2007

Im Interview mit DW-RADIO spricht Jörg Himmelreich, Kaukasusexperte beim German Marshall Fund Berlin, über das notwendige Interesse der EU an der Region, ungelöste Konflikte sowie den Einfluss Moskaus.

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Bild: DW

DW-RADIO: Herr Himmelreich, welche Interessen verfolgt die Europäische Union im Kaukasus?

Jörg Himmelreich: Es gibt mehrere Faktoren. Einer ist sicherlich die Stabilisierung der Region insgesamt. Die Staaten Georgien, Armenien, Aserbaidschan sind gekennzeichnet durch die so genannten eingefrorenen Konflikte, die "frozen conflicts" - das sind solche, wo sich autonome Regime auf dem Territorium der einzelnen Staaten gebildet haben mit Unterstützung Russlands. Das sind Südossetien und Abchasien in Georgien, das ist der bekannte Konflikt um Berg-Karabach. Das sind destabilisierende Elemente, die sicherlich die Europäische Union unmittelbar berühren. Ich denke an internationale Kriminalität, Drogenhandel, Waffenhandel, die über das Schwarze Meer hinweg bis zu den Grenzen der EU gelangen.

In der Region gibt es viele ungelöste Konflikte, sagen Sie. Kommen sich Europa und Russland da nicht ins Gehege, wenn beide Seiten vorgeben, sich um die politische Stabilität der Region zu kümmern?

Im Grunde genommen ist das Interesse Russlands und der EU ein gemeinsames: nämlich die Region zu stabilisieren. Wir haben alle noch diesen furchtbaren Anschlag auf die Schule in Beslan im Jahre 2004 vor Augen, der ja von kaukasischen, nordkaukasischen Terroristen durchgeführt worden ist, die über den Grenzweg Südossetiens in den Nordkaukasus, auf das Territorium Russlands eingeschleust wurden. Insofern gibt es eigentlich ein gemeinsames Interesse, diese Region zu stabilisieren. Bedauerlicherweise betrachtet Russland zunehmend mehr diese ehemaligen, jetzt unabhängigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion, doch immer noch als ureigenes Interessensgebiet, in dem sie keinen anderen dulden wollen.

Soll heißen: Europa kann eine Nachbarschaftspolitik im Südkaukasus nicht ohne Moskau machen?

Es wird sicherlich immer schwierig sein, das ohne Moskau zu machen. Am Ende darf man sich davon allerdings nicht abhängig machen. Wir bieten diesen Staaten eine verbesserte Kooperation mit der EU an. Es wäre wünschenswert, wenn das von Moskau unterstützt werden würde. Ich glaube langfristig, dass sich Moskau dem nicht verschließen wird, wenn der Erfolg erkennbar wird.

Sie haben angedeutet, wo die Interessen Europas in dieser Region liegen. Wie verlässlich sind denn die Regierungen vor Ort?

Diese Staaten sind stolz darauf, dass sie sich unabhängig gemacht haben von Russland und der Sowjetunion. Das hat natürlich zu großen Schwierigkeiten mit der russischen Bevölkerung, mit der russischen Politik geführt. Am Ende sind das ja Staaten, die durchaus schon nach dem ersten Weltkrieg für kurze Zeit unabhängig gewesen sind. Damals hat das Deutsche Reich zu den Staaten in Europa gehört, die zuerst diese Unabhängigkeit anerkannt haben. Insofern bestehen alte Kontakte auch Deutschlands insbesondere zu Georgien. Natürlich muss man die Unabhängigkeit dieser Staaten auch heute noch unterstützen. Das ist, glaube ich, auch eine vorrangige Aufgabe der EU.

Das Gespräch führte Stefan Dege
DW-RADIO, 20.2.2007, Fokus Ost-Südost