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Generationenvertrag für Afrika

Henrik Hübschen24. Juni 2003

Wie kann man soziale Sicherungssysteme wie die Altersrente so gestalten, dass Jung und Alt einen gerechten Teil zur Finanzierung dieser Systeme beitragen? Eine aktuelle Frage, die sich auch in Afrika stellt.

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Feldarbeit ernährt nicht im AlterBild: UNESCO

Die Frage der Generationen-Gerechtigkeit ist typisch für Industriestaaten mit jahrzehntelang staatlich garantiertem Wohlstand auch im Alter. In Entwicklungsländern gibt es ebenfalls Probleme mit der Altersversorgung - allerdings ganz andere, die drängender und lebensbedrohlicher sind, als die der entwickelten Industrienationen.

AIDS: Der schleichende Generationentod

Michael Cichon, Experte für soziale Sicherungssysteme bei der International Labour Organisation (ILO), hat den schleichenden Kollaps einer ganzen Generation in Afrika vor Augen: "Es gibt dort eine ganz andere Generationen-Ungerechtigkeit: Die Großeltern müssen doppelte Erziehungsarbeit leisten", sagt Cichon und nennt den Grund: "Wenn man durch ein Dorf geht, weiß man, dass 40 Prozent der Menschen in fünf Jahren nicht mehr leben werden: Sie sind an der Immunschwächekrankheit AIDS erkrankt. Das betrifft im wesentlichen die Elterngeneration." Deren Eltern wiederum kümmern sich um die Kinder und Enkelkinder - in der Regel ohne finanzielle Unterstützung durch den Staat.

Basis-Altersabsicherung tut Not

Gerade im ländlichen Afrika können die Menschen häufig nur durch harte, körperliche Arbeit in der Landwirtschaft überleben. Die Generation der Großeltern ist dazu körperlich zu schwach und die durch sie geführten Haushalte stehen deshalb ohne eigenes Einkommen da. Hinzu kommt, dass die traditionelle Hilfe von Nachbarn oder die Unterstützung innerhalb der Großfamilie angesichts der dramatischen Situation ebenfalls ausbleiben.

Notwendig ist darum der Aufbau von staatlichen Altersvorsorgesystemen. Nach Meinung der ILO muß eine steuerfinanzierte Basisrente eingeführt werden, die allen Teilen der Bevölkerung zugute kommt. Von den bisher teilweise eingeführten Beitragssystemen profitiert nämlich nur der geringe Teil der im offiziellen Arbeitssektor beschäftigten Afrikaner. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung arbeitet jedoch ohne Arbeitsvertrag oder als Selbstständige in der Landwirtschaft.

Internationale Finanzhilfe angemahnt

Im nationalen Alleingang ist der Aufbau einer solchen Grundversorgung allerdings kaum zu leisten, weshalb die ILO die Idee des Global Social Trust, des Welt-Sozial-Fonds, entwickelt hat. Schon wenn sich nur etwa fünf bis zehn Prozent der Erwerbstätigen in den Industrieländern freiwillig beteiligen würden, könnte man so die größe Armut in den Entwicklungsländern bekämpfen, rechnet Cichon vor.

Voraussetzung dafür ist allerdings ein verantwortungsbewusster Umgang mit den Mitteln in den Empfängerländern. Die ILO koppelt die finanzielle Unterstützung in ihrem derzeitigen Testprojekt in Namibia deshalb an genau festgelegte Kriterien: Das Empfängerland verpflichtet sich, nach Ablauf von sechs Jahren die Finanzierung der Altersvorsorge selbst zu übernehmen. Dazu reichen nach Berechnungen der ILO bereits 1 bis 1,5 Prozent des jeweiligen Bruttosozialprodukts.

Außerdem sollen nur diejenigen Großeltern eine Rente erhalten, die sich verpflichten, ihre Enkelkinder zur Schule zu schicken, anstatt sie weiter - ohne Ausbildung - als billige Arbeitskraft einzusetzen. Und da die Transfers an die Großeltern indirekt auch den Eltern und Kinder zugute kommen, könnte der Global Social Trust der ILO so eines Tages ein wirksames Mittel zur Armutsbekämpfung werden: eine Art weltumspannender Generationenvertrag.