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Genfood wird unsere Nahrungsprobleme nicht lösen

Johannes Beck13. Januar 2004

Lange hatte sich Deutschland dagegen gesperrt, den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen zuzulassen. Nun legte Ministerin Renate Künast einen Gesetzentwurf vor, der Genfood erlaubt. Johannes Beck kommentiert.

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Die Lösung der Energieprobleme. Strom für alle in Hülle und Fülle. Medizinische Wunder bei der Bekämpfung von Krebs. Eine strahlende Zukunft war es, die uns die Atomindustrie Mitte des vergangenen Jahrhunderts versprach. Schiffe, Züge und Autos sollten sich geradezu wundersam angetrieben von den Urkräften des Atoms bewegen, jeder Bürger im Keller sein kleines Atomkraftwerk betreiben; Kraftwerke des Typs "Schneller Brüter" die Weltreserven an Uran vervielfachen. Kein Strom? kein Problem! Bei uns kommt er einfach aus der Steckdose.

Soweit die Visionen der Atomstrategen. Die Wirklichkeit sieht einige Jahrzehnte später kläglich aus. Von der strahlenden Zukunft blieben vor allem strahlende Reaktorruinen, strahlende Plutoniumabfälle und strahlende Abwässer der Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und Sellafield. Zugegeben, in der Medizin ist die Nukleartechnik nicht wegzudenken, obwohl auch die Strahlentherapie den Krebs nicht hat besiegen können.

Problemlöser

Wer sich heute die Versprechen der Gen-Industrie anhört, fühlt sich sehr an die messianischen Botschaften des Atomzeitalters erinnert. Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen nicht nur Krankheiten heilen. Sie sollen auch die Umwelt schonen, indem sie Insektizide, Pestizide und Herbizide überflüssig machen. Und ganz nebenbei - sozusagen im Hauruck-Verfahren - lösen sie auch noch das Problem Welthunger.

Um es klar zu sagen: Jede neue Technik bietet auch Chancen. Das gilt ebenfalls für die Gentechnik. Bereits jetzt produzieren gentechnisch manipulierte Bakterien Insulin - eine große Hilfe für Millionen von an Diabetes erkrankten Menschen. Früher mussten tausende Rinder und Schweine geschlachtet werden, um aus deren Bauspeicheldrüsen geringe Mengen Insulin zu gewinnen. Verbunden waren große Probleme für Allergiker.

Resistenzen gebildet

Doch jede neue Technik hat auch Risiken. Und das gilt in ganz besonderer Weise für die Gentechnik. So sind beispielsweise in die Hälfte aller weltweit zugelassenen Gentechnikpflanzen so genannte Antibiotika-resistente Marker-Gene eingebaut. Diese dienen den Gentechnikern dazu, manipulierte Pflanzen von natürlichen zu unterscheiden.

Was aber nun, wenn diese Pflanzen in Zukunft in großen Mengen von Menschen und Tieren konsumiert werden? Bereits jetzt sind immer mehr Menschen gegen zahlreiche Antibiotika resistent. Wissenschaftler machen dafür den laxen Umgang mit Antibiotika in der Medizin und bei der Tiermast verantwortlich. Wenn nun zunehmende gentechnisch veränderte Pflanzen konsumiert werden, besteht das Risiko, dass Antibiotika Resistenzen zunehmen.

Unkontrollierte Verbreitung

Pestizide, Insektizide und Herbizide könnten zwar theoretisch eingespart werden, da man Pflanzen so gegen Schädlinge resistent machen kann. Die Erfahrung zeigt aber, dass die Gen-Firmen die Technik oft auch dazu einsetzen, die Pflanzen nicht gegen das Unkraut sondern gegen das Unkrautvernichtungsmittel resistent zu machen. Ergebnis: Noch mehr Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel, wie es der Roundup Ready-Mais der Firma Monsanto zeigt. Er wird gleich im Pack mit dem entsprechenden Herbizid Roundup verkauft.

Das größte Risiko ist aber, so fürchten Umweltschützer, die unkontrollierte Verbreitung von Genpflanzen. Es ist nicht klar, wie sich der großflächige Anbau von Genpflanzen auf lange Sicht auswirkt. Durch Bienen oder den normalen Pollenflug des Windes können sich beispielsweise gentechnisch manipulierte Pflanzen mit anderen, natürlichen Sorten vermischen. Die Strafe von 50.000 Euro für die Verunreinigung fremder Ernten, die Umweltministerin Renate Künast für solche Fälle angedroht hat, wird die Bienen oder den Wind wohl kaum daran hindern, die Pollen zu verbreiten.

Keine Hilfe gegen Hunger

Die größte Mär ist allerdings die vom Ende des Hungers durch die Gentechnik. Sie ist leicht zu entlarven, denn die Welt hungert nicht, weil es weltweit zu wenig Lebensmittel gäbe, sondern weil viele Menschen zu wenig Geld haben, um sich diese zu leisten. Hungerkrisen entstehen meistens, weil es den Menschen an Kaufkraft, sprich Geld fehlt - sei es durch Kriege, totalitäre Eingriffe in das Wirtschaftssystem oder schlichtweg dadurch, dass man ihnen keine Chance zu einer vernünftigen Entwicklung gibt.

An diesem Grundproblem ändert die Gentechnik erst einmal gar nichts. Sie verschlimmert das Problem sogar, indem sie das Saatgut verteuert, da die Gentechnik-Firmen ihre immensen Entwicklungskosten wieder auftreiben möchten.

Es wäre an der Zeit, Chancen und Risiken der Gentechnik in einem realistischen Licht zu sehen. Wir brauchen nach der Atomenergie nicht schon wieder eine Technik, die uns eine strahlende Zukunft verspricht und vor allem strahlenden Müll zurücklässt.