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Genmais - ganz oder gar nicht

Sabrina Pabst12. Juni 2014

Der Genmais 1507 ist in der EU zugelassen, aber einzelne Staaten können den Anbau jetzt trotzdem stoppen. Die EU hat hier eine Gelegenheit verpasst, Verantwortung zu übernehmen, meint Sabrina Pabst.

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Ein gelber Kolben einer Maispflanze auf dem Feld. (Foto: Patrick Pleul)
Bild: picture-alliance/ZB

Zugegeben, der gentechnisch veränderte Mais mit dem belanglosen Namen 1507 gleicht einem Wundermittel: Er geht durch den Einsatz von Pestiziden nicht kaputt. Durch seine veränderte Genstruktur produziert er ein eigenes Insektengift gegen den Maiszüstler, einen Schädling, dessen Mottenraupen laut Welternährungsorganisation FAO vier Prozent der weltweiten Maisernte zerstören.

Die US-Saatguthersteller Pioneer DuPont und Dow Chemical ziehen seit langem alle Register, um ihr "Wundermittel" auch endlich in Europa verkaufen zu können. Dafür sind sie bis vor den Europäischen Gerichtshof gezogen - mit Erfolg. So mussten die EU-Beamten den lange ignorierten Antrag zur Zulassung des Genmaises 1507 im November 2013 aus der Schublade holen. Die europäische Behörde zur Lebensmittelsicherheit (EFSA) hatte schon vorher grünes Licht für den Anbau gegeben. Der Genmais stellt Gutachten zufolge kein Risiko für Umwelt und Gesundheit dar.

Hitzige Debatte ohne Basis

In den USA können US-Konzerne genveränderte Lebensmittel ohne Kennzeichnung verkaufen. Für Amerikaner ist es selbstverständlich, diese Nahrungsmittel zu konsumieren. Für viele Europäer hingegen sind sie Teufelszeug.

Was viele nicht wissen: Der gentechnisch veränderte Mais wird schon seit Jahren als Futtermittel in die EU importiert. Etwa 60 genveränderte Pflanzenarten wie Mais, Soja, Raps oder Zuckerrüben sind in der EU für den Anbau zugelassen. Nur wenige der Pflanzen werden auch kommerziell angebaut, darunter der Genmais MON810 des amerikanischen Großkonzerns Monsanto. Hauptanbaugebiet in Europa ist Spanien. Aber auch Portugal, Tschechien, Rumänien und die Slowakei verwenden das umstrittene Saatgut.

Sabrina Pabst ist Redakteurin in der Nachrichtenredaktion. (Foto: DW)
Sabrina Pabst ist Redakteurin in der NachrichtenredaktionBild: DW/M.Müller

Die Emotionen kochen in Europa hoch, wenn es um die Anbauzulassung von genveränderten Pflanzen geht. Der jetzige Entschluss der EU-Umweltminister eine "Opt-Out"-Klausel einzufügen, also die Möglichkeit einzelner EU-Länder zum Verbot des Genmais-Anbaus, verdeutlicht die Skepsis verantwortlicher Politiker gegenüber genveränderten Lebensmitteln - egal sie ob durch Lobbyisten beeinflusst oder durch den großen Widerstand der Landwirte und Verbraucher wachgerüttelt wurden.

Mehr Selbstentscheidung für EU-Länder?

Hier wäre eine Gelegenheit für die EU, Verantwortung zu übernehmen - stattdessen weist sie sie von sich. Denn das beschlossene selbstbestimmte nationale Verbot gleicht einer indirekten Freigabe für genveränderte Lebensmittel. Positiv ist, dass es für EU-Staaten möglich sein wird, nach bestem Wissen und Gewissen den Anbau zu verbieten. Zum Beispiel wenn ein EU-Land eine Gefahr für die "öffentliche Ordnung" sieht, also Proteste der Bevölkerung. Das ist ein kleines Zeichen, dass der europäische Verbraucher Einfluss auf Regierungsentscheidungen nehmen kann.

Schlimm ist, dass sich die EU-Kommission vor einer gemeinsamen europäischen Verantwortung drückt. Und das passiert an der Stelle, an der sie tatsächlich zum Wohle der Landwirte und Verbraucher agieren und Position beziehen könnte. Denn die Hersteller können in einem nächsten Schritt gegen die Länder klagen, die ihre Genpflanzen nicht aussäen wollen. Der Streit geht dann weiter, nur vor Gericht. Wenn die Anti-Genmais-Argumentation dann nicht wasserdicht ist, kommt der Anbau doch - nur durch die Hintertür.

Ein Fest für Raupen: Umstrittener Gen-Mais kommt nach Europa

Was häufig vergessen wird: Viele Pflanzen sind bereits ohne Gentechnik, sondern durch moderne und sich weiterentwickelnde Züchtungsverfahren genetisch manipuliert. Die Gentechnik als solche wird beim Pflanzenanbaukaum gebraucht. Es läge an der EU-Kommission sich deutlich gegen die wenigen großen Saatguthersteller zu positionieren, wenn sie nicht die Umwelt verändern möchte, ohne das eigentliche Risiko zu kennen. Denn die Auswirkungen der Gentechnik-Monokulturen für die Umwelt und Gesundheit wird sich erst in einigen Jahren oder sogar Jahrzehnten zeigen.

Es wäre ein leichtes zu sagen, die Samen der Pflanzen verbreiten sich durch Bienen und Wind. Und beide halten sich nicht an Staatsgrenzen. Ob die tschechische, rumänische oder portugiesische Biene es schafft, bis nach Franken oder in die Oberpfalz zu fliegen, sei dahingestellt. Das ist nicht das zentrale Problem. Aber ein gemeinsamer EU-Binnenmarkt verpflichtet zu einheitlichen Regelungen. Denn der deutsche, holländische oder italienische Verbraucher weiß bisher nicht, ob genau dieses portugiesische oder spanische Lebensmittel in seiner Hand aus genveränderten Organismen entstanden ist.