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Genossenschaftsverband hilft im Ausland

Sabine Hartert4. Juli 2012

Der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband engagiert sich in der Entwicklungszusammenarbeit. Dabei geht es vor allem um Nachhaltigkeit und Eigenverantwortung.

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Peruanische Bäuerin mit der Pflanze Quinoa (Foto: DW/Elena Ern)
Bild: DW

Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung sind die Grundpfeiler von Genossenschaften. Schon im Mittelalter gab es Vorläufer der heutigen Genossenschaften: die Zünfte, in denen sich vor allem Handwerker organisierten. Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden fast zeitgleich in Großbritannien und in Deutschland die ersten Genossenschaften.

In Deutschland baut das moderne Genossenschaftswesen auf den Darlehenskassen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Hermann Schulze-Delitzsch auf. Die beiden gelten als Gründungsväter der Genossenschaften. Zu ihrer Zeit - in der Mitte des 19. Jahrhunderts - hatten in Deutschland viele Bauern und Handwerker nur sehr begrenzte Möglichkeiten, an Kredite zu kommen und sich eine Existenz aufzubauen. Mit den Darlehenskassen waren erste Kleinkredite möglich. 1889 wurde mit dem heute noch gültigen Genossenschaftsgesetz der rechtliche Rahmen für die Genossenschaften geschaffen.

Was in Europa gut funktioniert hat, wird heute auch in Entwicklungsländern umgesetzt, um durch Selbsthilfe Wege aus der Armut zu schaffen. Dabei unterstützt der  Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) viele lokale Genossenschaften im Ausland.

Vorbild Deutschland

Die internationale Arbeit des DGRV ist sehr komplex. Häufig beginnt eine Kooperation mit dem Blick auf die Rechtslage im jeweiligen Land. Denn überall dort, wo Genossenschaften erfolgreich arbeiten wollen, muss der entsprechende gesetzliche Rahmen vorhanden sein. Der DGRV berät bei der Ausarbeitung der nötigen Gesetze und Regelwerke. Ein weiterer Schwerpunkt sei dann die konkrete Anwendung dieser Gesetze, sagt Andreas Kappes, stellvertretender Abteilungsleiter des Ressorts Internationale Beziehungen.

Andreas Kappes, stellvertretender Leiter der Abteilung Internationale Beziehungen beim Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (Foto: DGRV)
Andreas Kappes: "Nachhaltige Strukturen schaffen"Bild: DGRV

Für Theresia Theurl, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen an der Universität Münster, ist das ein sehr wichtig: "Man muss Genossenschaftsgesetze schreiben, damit die Genossenschaften abgesichert sind und das tun dürfen, was sie umsetzen wollen." Da könne der DGRV viel von seiner langjährigen Erfahrung weitergeben.

Ist der rechtliche Rahmen geschaffen, geht es weiter mit dem konkreten Aufbau der Genossenschaften. "Wir wollen nachhaltige Strukturen schaffen ", sagt  Kappes. Dazu gehöre zunächst die Beratung bei Aufbau, Organisation und Management von Genossenschaften. Hinzu kommt die Unterstützung bei der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte wie zum Beispiel bei der Käseproduktion in Bosnien-Herzegowina.Hilfsorganisationen haben den Flüchtlingen, die nach dem Bürgerkrieg in die alte Heimat zurückgekehrt waren, eine oder zwei Kühe gegeben. Oft war mehr Milch da, als die Menschen selber zu entsprechenden Produkten verarbeiten konnten. Kappes gerät ins Schwärmen, wenn er von dem Projekt  in Bosnien-Herzegowina erzählt. "Von dort kam eine Anfrage eines nicht mehr aktiven Verbandes. Wir haben angefangen, kleine Kooperativen aufzubauen", sagt Kappes. Das war im Jahr 2001. Inzwischen ist ein lokales System von Genossenschaften entstanden, das mit viel Erfolg Hartkäse produziert und vertreibt. Auch Montenegro beteiligt sich mittlerweile an diesem Projekt.

Genossenschaftsarbeit ist Hilfe zur Selbsthilfe

Finanziert wird die Auslandsarbeit des Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverbands vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Kappes ist es wichtig, dass sich die Projekte an der Nachfrage vor Ort orientieren. Dann könne man vermitteln, dass "Genossenschaften auch in einer modernen Volkswirtschaft Bestand haben und - wie in Deutschland - in neuen Sektoren wettbewerbsfähige Lösungen anbieten", sagt Kappes. Dabei denkt er zum Beispiel an erneuerbare Energien oder Gesundheitsvorsorge.

Theresia Theurl, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Genossenschaftswesen an der Universität Münster (Foto: privat)
Theresia Theurl: "Banken als eine Art Schlüssel"Bild: Roman Mensing

Ein wichtiger Bereich ist auch der Finanzsektor, denn beim genossenschaftlichen Arbeiten geht es nicht zuletzt um Geld. Daher ist das deutsche Know-how beim Aufbau oder der Beratung von genossenschaftlichen Banken sehr gefragt. Oft hätten Menschen in Entwicklungsländern nicht das Kapital oder den Zugang zu Krediten, sagt Theresia Theurl im Gespräch mit der Deutschen Welle. Daher seien Banken und andere Finanzinstitutionen für diese Zielgruppe "eine Art Schlüssel" für das weitere Wirtschaften. Wer Kredite bekomme, könne landwirtschaftliche oder andere Betriebe aufbauen. Kappes vom DGRV bestätigt das und fügt hinzu, dass aus der genossenschaftlichen Kooperation Effizienzvorteile entstünden: Gewinne, die investiert werden könnten: "Das wiederum schafft auch neue Arbeitsplätze und beschert schließlich dem Staat Steuereinnahmen."

Dieser wirtschaftliche Kreislauf öffnet benachteiligten Gruppen den Zugang zu Märkten. Durch den Zusammenschluss können sie ihre Zukunft in die Hand nehmen und ihre Situation durch Selbsthilfe verbessern. Aber genossenschaftliches Wirtschaften hat auch seine Grenzen: "Zum Beispiel, wenn wir Partner haben, die extrem geberorientiert sind und sagen, wir wollen Genossenschaften, aber bringt selber das Geld mit", sagt Kappes. Das passe überhaupt nicht zur genossenschaftlichen Idee - denn dazu gehöre eigenverantwortliches Handeln.