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Genuss ohne Reue

8. April 2002

Eine 1,60 Meter lange Riesenzigarre und eine dreieinhalb Zentner schwere Pfeife gehören zu den exotischeren Objekten im deutschen Tabak- und Zigarrenmuseum in Bünde. Dort dreht sich alles um den blauen Dunst.

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Bild: Bilderbox

In den meisten Räumen des Museums dreht sich alles um die Zigarre und ihre Herstellung. Das ostwestfälische Bünde war nach Darstellung des Museumschefs lange Zeit ein Zentrum der deutschen Zigarrenindustrie. "Tabakanbau, Fabrikation und die Heimarbeit der Zigarrenrollerinnen entwickelten sich im vorigen Jahrhundert rasch zu wichtigen Erwerbszweigen."

Die Zigarrenproduktion geht weiter

Vor dem Zweiten Weltkrieg gab es in der Stadt nach offiziellen Angaben etwa 70 Fabriken mit mehr als 200 Filialen in den Nachbarorten. 1971 fertigten aber nur noch 18 Betriebe jährlich 865 Millionen Zigarren. Den Konzentrationsprozess in der Branche haben bis heute nur einige konzerngebundene Fabriken überlebt.

Als kaum genießbares Exponat darf die 1936 hergestellte 1,60 Meter lange und neun Kilogramm schwere "Bünder Riesenzigarre" mit möglichen 600 Stunden Brenndauer nicht fehlen. Sie war die Antwort von vier heimischen Zigarrenmachern auf die amerikanische Herausforderung, die größte Zigarre der Welt zu besitzen.

Wasserpfeifen aus Afghanistan

Frau mit Wasserpfeife
Bild: Illuscope

Auch die "größte funktionsfähige Pfeife der Welt" mit einer Länge von 3,65 Metern und knapp dreieinhalb Zentnern Gewicht hat es in sich - der Pfeifenkopf kann 466 Päckchen Tabak schlucken. Dies entspricht einer Menge von mehr als 23 Kilo. "Zum Einrauchen des Exponats aus Kirschbaum wäre ein Staubsauger nötig", meint Museumsmitarbeiterin Waltraud Troche schmunzelnd.

Besonders stolz ist das Museum aber auf andere kostbare Raritäten, die nicht nur Antiquitätenkenner und -sammler erfreuen dürften: auf ein reich verziertes Zigarrenschränkchen aus Deutschland um 1900; auf zwei Wasserpfeifen aus Afghanistan und Bambuspfeifen aus Neuguinea; auf "Opiumflöten" aus China und indianische Friedenspfeifen; auf die "Zigarren-Mohren", die mit einem eingebauten Blasebalg tatsächlich paffen können; oder auf die "Tabagie", einen mit allen Schikanen bis hin zum speziellen Rauchstuhl ausgestatteten Rauchsalon.

Werbung für "Problem-Cigaretten"

Kunstvoll gestaltete Pfeifen erinnern daran, dass der Tabakgenuss lange Zeit eine prestigeträchtige Angelegenheit war. Gezeigt werden als nostalgische Erinnerung auch die ältesten deutschen Zigarren: Sie waren 1813 bei der Belagerung Hamburgs durch die Franzosen von Kaufmann Joh. Chr. Wachsmuth eingemauert worden.

Zigarettenkippen
Bild: Bilderbox

"Anno Tobak" war das Rauchen nach überlieferten Aufzeichnungen heftig umstritten: Ein Flugblatt aus dem 19. Jahrhundert zum Beispiel bezweifelt, dass Raucher "Leuthe bey vernunfft" seien. Klarheit über die gesundheitlichen Risiken herrschte aber bis vor wenigen Jahrzehnten nicht. Die Qualmerei wurde als "Genuss ohne Reue" angepriesen. So hatte es auch nichts mit Problembewusstsein zu tun, als in den dreißiger Jahren eine Berliner Firma für ihre Produkt unter dem Namen "Problem-Cigaretten" warb. dpa/(pg)