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Pressefreiheit in Georgien eingeschränkt

Nikita Jolkver / Markian Ostaptschuk30. September 2012

Im Wahlkampf klagten der Opposition nahestehende Sender über Einschränkungen der Pressefreiheit. Die Regierung wies die Vorwürfe zurück, aber Beobachter sehen in Georgien kaum unabhängige Medien.

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Fernsehansprache des Präsidenten Micheil Saakaschwili (Foto: dpa)
Fernsehansprache des Präsidenten Micheil SaakaschwiliBild: picture-alliance/ dpa

Die Berichterstattung über einen angeblichen Folterskandal in Georgien hat sich im Vorfeld der Wahlen immer mehr zu einer Debatte über die Rolle der Medien ausgeweitet. Medienvertreter - vor allem Journalisten des georgischen oppositionellen Senders TV-9 - haben Einschränkungen der Pressefreiheit durch die Staatsführung unter Präsident Micheil Saakaschwili beklagt.

Der Sender hatte Mite September ein Video ausgestrahlt, in dem gezeigt wird, wie Häftlinge in einem georgischen Gefängnis von Wärtern geschlagen und mit Schlagstöcken und Besenstielen vergewaltigt werden. Landesweit kam es zu Protesten gegen die Regierung und den Präsidenten. Der Innenminister und die für den Strafvollzug zuständige Ministerin traten zurück.

Tagelang demonstrierten Gegner der Regierung in Tiflis (Foto: AFP)
Tagelang demonstrierten Gegner der Regierung in TiflisBild: AFP/Getty Images

Journalismus oder Lügen?

Der Skandal könnte Saakaschwilis "Vereinte Nationale Bewegung" bei der Parlamentswahl am 1. Oktober Stimmen kosten. Größter Herausforderer der Regierungspartei ist das Anfang des Jahres gegründete Bündnis "Georgischer Traum" des Milliardärs Bidsina Iwanischwili. Er und seine Partei werfen Saakaschwili vor, das Land autoritär zu regieren. Das Innenministerium wiederum behauptet, Anhänger von Iwanischwili hätten die Foltervideos in den Gefängnissen inszeniert.

TV-9 gehört zu 80 Prozent Iwanischwilis Frau. Trotzdem stellt sich TV-9 als unabhängiges Medienunternehmen dar. Levan Karumidse, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit des Senders, verweist auf das Personal. "Wir haben nur Mitarbeiter eingestellt, die sich ihr Leben lang für die Unabhängigkeit von Medien eingesetzt haben", sagte er der DW. Niemals würden sie für einen TV-Sender arbeiten, der einer politischen Partei diene. "Wir berichten darüber, was tatsächlich in Georgien passiert - Gutes und Schlechtes", so Karumidse.

Dass TV-9 ausgewogen und unabhängig berichte, sei eine "schamlose Lüge", kontert David Dartschiaschwili von der regierenden "Vereinten Nationalen Bewegung". "Angefangen bei Personal und Management bis hin zur Finanzierung hängt alles direkt von Bidsina Iwanischwili persönlich ab", so der Abgeordnete. "Das ist eine Lügenmaschinerie, die Iwanischwili geschaffen hat. Alles, was über die Bildschirme läuft, ist inakzeptabel und unglaubwürdig", sagte Dartschiaschwili der DW.

Bidsina Iwanischwili auf einer Demonstration der Opposition in Tiflis (Foto: REUTERS)
Bidsina Iwanischwili kontrolliert den oppositionellen Sender TV-9Bild: Reuters

Vorwürfe gegen Staatsmacht

Mitarbeiter von TV-9 hingegen wiederholen immer wieder, die georgische Staatsmacht wolle verhindern, dass die Bürger über alle Ereignisse im Lande informiert würden. Deswegen würde TV-9 in seiner Arbeit eingeschränkt. So sei es beispielsweise unmöglich, eine analoge Frequenz zu bekommen, berichtet Levan Karumidse. "Wir sind gezwungen, via Satellit und Internet zu senden", beklagt er.

Erst seit einigen Wochen sind TV-9 und weitere TV-Sender vorübergehend auch über Kabel zu empfangen. Das hatten Nichtregierungsorganisationen durchgesetzt, um damit im Wahlkampf für mehr Meinungsfreiheit zu sorgen. Karumidse geht allerdings davon aus, dass nach der Wahl TV-9 sicher wieder aus dem Kabelnetz entfernt werde.

Mitarbeiter von TV-9 beklagen sogar, dass sie von der Staatsmacht bedroht würden. Der Reporter Nodar Tschatschua berichtet, nach seinem Wechsel vom Staatsfernsehen zu TV-9 sei er von bewaffneten Männern überfallen worden. Als er über den Zwischenfall im Fernsehen berichtet habe, sei seine Wohnung von Unbekannten zertrümmert worden, so der Journalist.

Keine echte Pressefreiheit

Besorgt über die Lage der Medien in Georgien äußern sich auch internationale Beobachter. Auf der weltweiten Rangliste der Pressefreiheit steht Georgien auf Platz 104 von 179. "Von echter Pressefreiheit kann man dort nicht sprechen. Auch wenn Journalisten in Georgien unter deutlich besseren Bedingungen arbeiten als etwa im benachbarten Aserbaidschan", sagte Gruska von "Reporter ohne Grenzen" der DW.

Logoder Reporter ohne Grenzen
Reporter ohne Grenzen: Kaum unabhängige Medien in Georgien

Das größte Problem sei, dass es in Georgien kaum unabhängige Medien gebe. "Die wichtigsten Fernseh- und Radiosender finanziert der Staat. Regierungskritische Sender stehen meist oppositionellen Politikern oder Geschäftsleuten nahe", so Gruska. Beide Seiten würden eher politische Kampagnenarbeit betreiben. Ausgewogener Journalismus sei unter diesen Bedingungen kaum möglich. Das gelte auch für den Fernsehsender TV-9. Kurz vor der Wahl habe er mit dem Video über Folter in Gefängnissen die amtierende Regierung in schwere Bedrängnis gebracht, betonen "Reporter ohne Grenzen".