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Streit um Auslieferung

4. März 2010

Der Ex-Präsident der Föderation von Bosnien-Herzegowina ist in London auf Ersuchen von Serbien verhaftet worden. Der mutmaßliche Kriegsverbrecher könnte an Belgrad ausgeliefert werden. Sarajevo protestiert dagegen.

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Porträt von Ejup Ganic (Foto: Sigmund)
Ejup GanicBild: Sigmund

Serbien wirft Ejub Ganic, dem ehemaligen Präsidenten der bosniakisch-kroatischen Föderation vor, an einem Angriff auf einen Militärkonvoi der Jugoslawischen Volksarmee 1992 verantwortlich zu sein, bei dem mehr als 40 Menschen starben.

Beim Haftprüfungstermin am Mittwoch (03.03.2010) entschied ein Londoner Richter, dass Ganic weiterhin in Haft bleibt. Dies löste in Sarajevo Empörung aus. Die dortige Regierung warf den britischen Behörden vor, Ganic vollkommen zu isolieren. Er habe keine Gelegenheit bekommen vor dem Termin mit seinem Anwalt, seiner Familie oder der bosnischen Botschafterin in London zu sprechen.

Sein Anwalt Damir Arnaut betrachtet dies als einen groben Verstoß gegen die Menschenrechte und als einen diplomatischen Zwischenfall. Die bosnische Regierung hat sowohl London als auch Belgrad eine Protestnote geschickt.

Auch Sarajewo ermittelt

Ansicht der Dobrovoljacka Strasse in Bosniens Hauptstadt Sarajewo (Foto: DW)
Der "Tatort" heute - die Dobrovoljacka Straße in SarajevoBild: DW

Durch das Auslieferungsgesuch habe Serbien bereits den gewünschten Effekt erreicht, weil gegen Ganic in jedem Fall nun Anklage erhoben werde, gleichwohl in welchem Land, meinen die zuständigen Behörden in Bosnien. Nun wachse auch der Druck auf die bosnische Staatsanwaltschaft, glaubhaft zu machen, dass sie in dem betreffenden Fall ernsthaft ermittelt.

Der Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft von Bosnien-Herzegowina Boris Grubsic bestätigte, dass Sarajevo bereits ein eigenes Ermittlungsverfahren gegen Ganic eingeleitet habe. Deshalb habe auch Sarajevo seine Auslieferung beantragt und zu diesem Zwecke Dokumente in London eingereicht. Diese würden bestätigen, dass die Generalstaatsanwaltschaft bereits gegen Ganic ermittelt.

Belgrad Vertragsbruch vorgeworfen

Blitz schlägt durch dunkelgraue Wolken (Foto: AP)
Gewitterstimmung zwischen Sarajewo und BelgradBild: AP

Der Fall Ganic droht die Beziehungen zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien zu verschlechtern, weil Belgrad mit seinem Auslieferungsantrag an Großbritannien ein erst Ende Februar geschlossenes bilaterales Abkommen in Frage stellt. Bosniens Justizminister Barisa Colak erklärt: "In dem Abkommen steht deutlich, dass bei Straftaten gegen die Menschlichkeit und internationale Menschenrechte die Staatsbürgerschaft und der Ort ausschlaggebend sind, an dem der Verdächtige, Angeklagte oder Verurteilte gemeldet ist." Im Fall Ganic sei dies eindeutig Bosnien-Herzegowina.

Serbien hatte bereits zuvor bei Interpol einen Haftbefehl gegen Ganic wegen des Angriffs auf den Militärkonvoi erwirken wollen. Allerdings ist dieser auf Empfehlung des Haager Tribunals aus Mangel an Beweisen nicht erteilt worden. Auch Bosniens Außenminister Sven Alkalaj verurteilte Serbiens Vorgehen in diesem Fall. "Bosnien-Herzegowina und Serbien haben bestimmte Abkommen unterzeichnet und solche Sachen tragen nicht zur Stärkung der Zusammenarbeit bei, im Gegenteil. Ich glaube, Serbien muss flexibel sein und wir erwarten dies auch von seiner Seite", so Alkalaj.

Serbien begründet seinen Auslieferungsantrag mit dem internationalen Völkerrecht, nach dem jeder Staat dazu verpflichtet ist, Kriegsverbrecher zu verfolgen, unabhängig vom Ort, wo die Taten begangen wurden. Experten zufolge hat in dem Fall, dass zwei Staaten gleichzeitig einen Auslieferungsantrag stellen, derjenige Vorrang, auf dessen Territorium die Straftat begangen wurde.

Autoren: Samir Huseinovic / Mirjana Dikic

Redaktion: Fabian Schmidt