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An Bord der Arche

Stefan Nestler1. November 2008

Das Team Milram ist die einzige noch verbliebene deutsche Profi-Radmannschaft der höchsten Kategorie. Mit Linus Gerdemann, dem Sieger der Deutschland-Tour 2008, will Milram den Weg aus der Radsport-Depression finden.

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Milram-Teamchef Gerry van Gerwen lehnt sich an die Schulter von Neuzugang Linus Gerdemann. Der Radprofi hält ein Milram-Trikot in Händen. Quelle: Stefan Nestler/DW
Der Teamchef und sein Hoffnungsträger: Gerry van Gerwen und Linus GerdemannBild: Stefan Nestler

Linus Gerdemann hört auf seine Großmutter. "Der leichteste Weg ist nicht immer der Beste, hat meine Oma mal gesagt, und ich denke, das ist bis heute auch so geblieben." Der 26-Jährige will sich nicht damit abfinden, dass der Radsport in Deutschland am Boden liegt. "Wir wollen beweisen, dass sauberer Radsport möglich ist", sagt Gerdemann und hofft auf "den Turnaround", die große Wende.

Warum stürzt sich der derzeit kompletteste deutsche Radfahrer in dieses Abenteuer mit ungewissem Ausgang? Gerdemann hatte beim US-Team Columbia noch einen Vertrag bis Ende 2009, hätte also eigentlich erst einmal abwarten können, ob sich die Radsport-Depression in der Heimat in der nächsten Saison ein wenig legt. Er gehe in dieser unbestritten schwierigen Zeit für den Radsport lieber in die Offensive, sagt der Profi. "Wer kein Kämpfertyp ist, wird es sehr schwer haben."

Damoklesschwert Doping

Linus Gerdemann verteilt bei der Deutschland-Tour 2008 Kusshändchen. Quelle: ap
Linus Gerdemann, Sieger der Deutschland-Tour 2008Bild: AP

Neben Linus Gerdemann hat Milram den Sprinter Gerald Ciolek vom Team Columbia abgeworben. Damit sind jetzt 17 der 25 Profis in der Mannschaft deutsche Fahrer. Milram bediente sich auch aus dem Nachlass des aufgelösten Teams Gerolsteiner: Acht Fahrer, darunter der deutsche Meister Fabian Wegmann, erhielten Verträge.

Milram, die "Arche Noah" für die deutschen Radprofis? "Vielleicht ist das so", räumt Teamchef Gerry van Gerwen ein. "Wir wollen offen, transparent und gut arbeiten, dann stellen sich auch die Erfolge ein." Der Niederländer bestreitet, dass der Sponsor, das Unternehmen Nordmilch, Druck macht. Der Vertrag laufe bis 2010, alles sei geregelt.

Dennoch schwebt das Damoklesschwert Doping über der Mannschaft. Das weiß auch Neuzugang Gerdemann, der tagtäglich mit dem Misstrauen umgehen muss, das den Radprofis entgegenschlägt. "Man muss sich ständig rechtfertigen, obwohl man sich nichts vorzuwerfen hat." Einen Blankoscheck würde er für seine Kollegen nicht mehr ausstellen. "Letztlich kann man sich nicht zu 100 Prozent sicher sein, dass 25 Fahrer an einem Strang ziehen. Wenn einer aus der Reihe tanzt, kann er das ganze Konstrukt zerstören."

Begriffsstutzige aussortieren

Bei der Tour de France 2007 gewann Gerdemann eine Etappe und trug einen Tag lang das Gelbe Trikot. 2008 konnte er wegen eines Beinbruchs nicht starten. Im nächsten Jahr wird Gerdemann als Kapitän des Milram-Teams bei der Tour wahrscheinlich auch Dopingverdächtigen wie Rekordsieger Lance Armstrong oder Dopingsündern nach verbüßter Sperre wie Ivan Basso begegnen. "So etwas ist nicht immer im Sinne der Glaubwürdigkeit des Radsports", formuliert Linus Gerdemann vorsichtig. Es sei ja auch noch spekulativ, wer am Ende wirklich bei der Tour de France fahre. "Die Begriffsstutzigen müssen wir langsam mal aussortieren."