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Gericht untersucht Kundus-Angriff

20. März 2013

Dreieinhalb Jahre nach dem Luftangriff im afghanischen Kundus prüft ein Gericht die Schadenersatzansprüche von Hinterbliebenen ziviler Opfer. Sie verlangen von Deutschland Schmerzensgeld für ihre getöteten Angehörigen.

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Afghanische Polizeibeamte untersuchen am 4. September 2009 bei Kundus einen der beiden verbrannten Tanklaster (Archivbild: AP Photo)
Bild: AP

Kläger sind ein Vater, dessen zwei Kinder mutmaßlich bei der Bombardierung getötet wurden, sowie eine Mutter von sechs Kindern, die nach eigenen Angaben ihren Mann und damit den Ernährer der Familie verlor. Die beiden verlangen Entschädigungszahlungen in Höhe 40.000 Euro beziehungsweise 50.000 Euro.

Kundus-Hinterbliebene klagen auf Schadenersatz

Es ist die erste von mehreren Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland. Die Kläger sehen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und verlangen Schmerzensgeld beziehungsweise Entschädigung. Verhandelt wird vor dem Landgericht Bonn, weil das Verteidigungsministerium seinen Hauptsitz in der früheren Bundeshauptstadt hat.

Im September 2009 hatten in Afghanistan radikal-islamische Taliban-Kämpfer in der Nähe des deutschen Feldlagers in Kundus zwei Tanklastwagen entführt. Der Oberst der Bundeswehreinheit forderte US-Kampfflugzeuge an, die die beiden Lastwagen bombardierten.

Unter den mehr als hundert Todesopfern waren zahlreiche Zivilisten. Deutschland zahlte bislang ohne Anerkennung einer Rechtspflicht an betroffene Familien jeweils 5000 Dollar. Die in Bonn geltend gemachten Ansprüche lehnt die Bundesregierung ab.

Unter anderem deshalb, so ihr Anwalt Mark Zimmer, weil der Luftangriff unter dem Kommando der NATO ausgeführt wurde. Zudem sei die von den Klägern geltend gemachte sogenannte Amtshaftung der Bundesrepublik nicht anwendbar, weil diese nicht für den Kriegsfall gedacht sei. Zimmer verwies zudem auf eine Entscheidung der Bundesanwaltschaft im April 2010, Ermittlungen gegen den verantwortlichen Offizier und einen weiteren Soldaten wegen des Luftangriffs von Kundus einzustellen.

Das Gericht will nun klären, ob bei dem Bombenabwurf das humanitäre Völkerrecht verletzt wurde, wie es die Kläger darstellen. Ob es zu einer umfangreichen Beweisaufnahme mit Zeugen kommen wird, ist noch offen. Das Gericht will am 17. April verkünden wie es weiter vorgehen will.

Karim Popal (L) und Peter Derleder (Foto: Getty Images)
Zufriedene Opferanwälte beim ProzessauftaktBild: Patrik Stollarz/AFP/Getty Images

Die Anwälte der Kläger zeigten sich mit dem Prozessauftakt zufrieden. "Das Gericht hat einen Anspruch wegen Verstoßes gegen das Völkerrecht nicht ausgeschlossen", sagte Anwalt Peter Derleder. Dem Bombenabwurf hätte auf jeden Fall ein Tiefflug der US-Kampfflugzeuge zur Warnung an Zivilisten vorangehen müssen. Der Bundeswehrkommandeur habe sich einer "grob fahrlässigen Amtspflichtverletzung" schuldig gemacht. Sein Anwaltskollege Karim Popal vertritt nach eigenen Angaben insgesamt 79 Hinterbliebene des Luftangriffs.

Die genaue Zahl der bei dem Angriff ums Leben gekommenen und verletzten Menschen ist strittig. Das Gericht in Bonn will sich auch Klarheit verschaffen, ob es sich bei den Opfern und klagenden Angehörigen tatsächlich um Betroffene handelt.

uh/wl (afp,dpa)