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Gericht verbietet Kurdenpartei DTP

12. Dezember 2009

Das Verfassungsgericht hat die Kurdenpartei DTP verboten. Der Partei werden enge Verbindungen zur Untergrundpartei PKK vorgeworfen. In mehreren Städten kam es zu Ausschreitungen.

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Der Oberste Richter Hasim Kilic nimmt zum Verbot der Kurdenpartei DTP am Freitag, 11.12.2009, in Ankara vor Journalisten Stellung (Foto: AP)
Gericht spricht Verbot gegen die DTP aus - wegen angeblicher Nähe zur PKKBild: AP

Türkische Politiker hatten die größte Kurden-Partei DTP immer wieder bezichtigt, sie sei der politische Arm der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Mit dem Verbot gab das türkische Verfassungsgericht am Freitag (11.12.2009) nun einem vor fast zwei Jahren eingereichten Antrag der Generalstaatsanwaltschaft statt.

Fünfjähriges politisches Betätigungsverbot

Ahmet Turk, Chef der verbotenen Kurdenpartei DTP, spricht vor der Parteizentrale in Ankara am Freitag, 11.12. 2009, zu Journalisten (Foto: AP)
Ahmet Turk: Probleme der Türkei sind durch Parteiverbote nicht zu lösenBild: AP

"Als Organisation haben sie sich nicht ausreichend von Gewalt distanziert", begründete Gerichtspräsident Hasim Kilic die Entscheidung. "Eine Partei mit Verbindungen zum Terror muss verboten werden." Die DTP werde aufgelöst, nachdem die Entscheidung im Amtsblatt veröffentlicht sei, sagte Kilic in Ankara. Insgesamt 37 DTP-Politiker erhalten ein fünfjähriges politisches Betätigungsverbot, darunter auch Parteichef Ahmet Turk. Die Partei ist die einzige im Parlament vertretene Kurdenpartei.

Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts kam es am Samstag (12.12.2009) in mehreren Städten zu Protesten. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie sich Hunderte Demonstranten in der an der Grenze zum Irak und zum Iran gelegenen Stadt Yuksekova Straßenschlachten mit der Polizei lieferten. Dabei wurden Brandsätze und Steine auf Polizeiwagen geschleudert. Auch in mehreren anderen Städten wie Hakkari im Südosten des Landes, kam es zu Protesten, bei denen kurdische Demonstranten die Polizei mit Steinen bewarfen, wie die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete.

EU reagiert besorgt auf Verbot

Die EU zeigte sich besorgt über das Verbot. Die Auflösung politischer Parteien sei eine außergewöhnliche Maßnahme, die nur mit äußerster Zurückhaltung ergriffen werden sollte, teilte die schwedische Ratspräsidentschaft mit. Bereits im Vorfeld des Richterspruchs hatte die EU ein Verbot der DTP als Verletzung kurdischer Rechte bezeichnet.

In einer kleinen Tischfahne sind die Flaggen der EU und der Türkei vereint dargestellt (Foto: dpa)
Das Verbot der Kurdenpartei könnte die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei belastenBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Mit Blick auf eine EU-Mitgliedschaft hatte die Regierung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen Monaten Reformen angestoßen, um der kurdischen Sprache und Kultur mehr Raum im öffentlichen Leben zu gewähren. In konservativen Kreisen stieß das auf heftige Kritik. Erdogan hatte die DTP wegen ihrer Haltung zu seiner neuen Kurdeninitiative gerügt, zugleich aber betont, er sei gegen Parteiverbote. Erdogans eigene Partei, die religiös-konservative AKP, war 2008 nur knapp einem Verbot durch das Verfassungsgericht entgangen.

Turk kündigt Auscheiden aller DTP-Abgeordneten an

Treffen zwischen Tayyip Erdogan (l.) und Ahmet Türk am 05.08.2009 in Ankara (Foto: AP)
Eine Annäherung wird nun schwieriger: Regierungschef Erdogan und DTP-Chef TurkBild: AP

Als Reaktion auf das Verbot seiner Organisation sagte DTP-Chef Turk, die Türkei könne "ihre Probleme nicht durch Verbote von Parteien lösen. Solange unser Ziel eine Lösung des kurdischen Problems ist, ist es egal, wer von der Politik ausgeschlossen ist und wer nicht, weil wir entschlossen bleiben, eine Lösung zu finden." Turk kündigte an, alle DTP-Abgeordneten würden aus dem Parlament ausscheiden. Das könnte in einigen kurdischen Gebieten im Osten der Türkei Nachwahlen zur Folge haben. Wie die türkische Zeitung "Hürriyet" vor kurzem berichtete, soll die im vergangenen Jahr gegründete "Partei für Frieden und Demokratie" (BDP) als politisches Auffangbecken für die Anhänger der DTP fungieren.

Die DTP wurde erst vor vier Jahren gegründet. In der Vergangenheit waren bereits Vorgängerorganisationen aufgelöst worden: Ihnen wurde ebenfalls eine Nähe zur PKK vorgeworfen, die seit 1984 für einen unabhängigen Kurdenstaat kämpft. Die PKK wird nicht nur von der Türkei, sondern auch von der EU und den USA als terroristische Gruppe betrachtet.

Die kurdische Minderheit macht rund 20 Prozent der türkischen Bevölkerung aus. Die rund 15 Millionen Kurden fordern mehr autonome Rechte, etwa die Anerkennung ihrer Sprache. Konservative Kräfte sehen darin eine Bedrohung für den von Mustafa Kemal Atatürk gegründeten Staat. In dem seit 25 Jahren schwelenden blutigen Konflikt sind nach offiziellen Angaben aus Ankara mehr als 35.000 Menschen getötet worden.

Autorin: Ursula Kissel (rtr, dpa, afp, ap)
Redaktion: Oliver Samson

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