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Geschäfte gegen die Armut

Max Zander28. März 2013

Im September 2000 verabschiedeten die Vereinten Nationen die Milleniumserklärung. Wichtigstes Ziel: die Bekämpfung der Armut. Soziale Unternehmen könnten helfen, dieses Ziel schneller zu erreichen.

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Symbolbild Entwicklungshilfe (Foto © Andreas Wolf #27024160) Symbolbild Entwicklungshelfer, Entwicklungshilfe,
Bild: Andreas Wolf/Fotolia

"Wir wollen unnötiges Erblinden durch den Grauen Star verhindern", sagt Javier Oykhusen. Der ehemalige Investment Banker kehrte vor zwei Jahren in seine Heimat Mexico Stadt zurück und gründete mit einem Freund die Gesundheitsorganisation Sala Uno. Durch mangelhafte Aufklärung und fehlende medizinische Versorgung verlieren in Mexiko noch immer viele Menschen unnötigerweise ihr Augenlicht.

Der 32-jährige Javier Oykhusen und sein Partner entwickelten ein Geschäftsmodell, das die Kosten für medizinische Eingriffe drastisch minimiert. In den zwei Jahren seit der Gründung von Sala Uno konnte so das Augenlicht von 4000 Patienten wiederhergestellt werden. Dabei hilft das Team aus Ärzten und Ingenieuren nicht nur den Erkrankten.  Viele der Opfer, so Oykhusen, seien eine Last für ihre Familie und könnten nur wenig zur Entwicklung des Landes beitragen.

Alternative zu NGOs

Unternehmer wie Oykhusen versuchen die Grenzen zwischen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft zu überwinden, um gezielt Ursachen der Probleme zu bekämpfen.  Im Wilson Center, einem renommierten Forschungsinstitut in der US-Hauptstadt Washington, haben sich nun führende Experten und erfolgreiche Sozialunternehmer mit dem Thema auseinandergesetzt.

Paul Collier lehrt Wirtschaft und Politik an der Universität Oxford. Er geht der Frage nach, warum heutzutage fast ein Viertel der Menschen weltweit in extremer Armut lebt und wie ihnen geholfen werden kann. Collier glaubt, dass sich Soziale Unternehmen als beste Lösung zur Bekämpfung der weltweiten Armut erweisen könnten.

Paul Collier (Foto: imago/Stephan Görlich)
Paul Collier: Vorsicht mit zweifelhaften RegierungenBild: imago stock&people

Der Arbeitsweise von Hilfsorganisationen steht er kritisch gegenüber. Collier zufolge besteht die Gefahr, dass die betroffenen Länder nicht lernen, mit ihren Problemen selbstständig umzugehen. Außerdem sei deren finanzielle Unterstützung und Aufbauhilfe in der Regel befristet. "Wenn die Organisation das Land verlässt, kann es sein, dass schon bald die gleichen Umstände wie vor dem Einsatz herrschen."

In seiner Zeit bei der Weltbank habe er gelernt, erzählt Collier, dass bei finanzieller Unterstützung von Drittweltländern besondere Vorsicht geboten ist. "Geld einfach in ein System zu schaufeln kann heißen, die Führung eines scheiternden Staates zu bestärken." sagt Collier. Dabei würden die Helfer im Zweifelsfall nur das fragwürdige Treiben einer politischen Elite legitimieren, die nicht an Veränderungen interessiert ist, fügt er hinzu.

Motivation und Wachstum als Kernziele

Soziale Unternehmen wie Sala Uno können einige Vorteile gegenüber NGOs haben: Sie geben armen Gesellschaften in Entwicklungsländern die Möglichkeit, sich langfristig selbst zu versorgen. Jedoch sind sie auch finanziell auf sich allein gestellt.

Daher ist der unternehmerische Aspekt von besonderer Bedeutung. Die Mission, helfen zu wollen, kann nur erfüllt werden, wenn die wirtschaftliche Existenz der Firma und ihrer Mitarbeiter gesichert ist. Neben den sozialen Beweggründen sind Umsatz, Arbeitsplätze und Wachstum entscheidend für den Erfolg. Auf letzteres legt Paul Collier ein besonderes Augenmerk. "Viele NGOs leisten in Krisenregionen nur im kleinen Stil Hilfe."  Was wirklich benötigt werde, seien aber Massenorganisationen, die vielen Menschen helfen und gleichzeitig Nachahmer finden.

Diese Unternehmen leisten nicht nur mittels ihres sozialen Auftrags Hilfe. Indem sie Steuern zahlen, tragen sie im Idealfall langfristig zur Entwicklung der Wirtschaft bei. "So können sie allen Beteiligten, den Mitarbeitern, Empfängern der Hilfsleistungen und Geldgebern, die politische Motivation geben, Veränderung im Land herbeizuführen", schlussfolgert Collier.

Beispiel: Kenia

Veränderungen sind auch in Kenia nötig. Das ostafrikanische Land verfügt über eine schwache Wirtschaft. Bis auf die Kaffeeindustrie ist Kenia mit seinen landwirtschaftlichen Produkten nicht international wettbewerbsfähig. Die Vielzahl der Kleinbauern im Land produziert so fast ausschließlich für die  Eigenversorgung.

Lebensmittelverteilung des Welternährungsprogramms in Kenia (Foto: WFP/Marcus Prior)
Gefahr der Abhängigkeit: Lebensmittelverteilung in KeniaBild: WFP/Marcus Prior

Haron Wachira versucht mit seiner  Firma Akili, die Agrarbetriebe wirtschaftlicher zu machen. Der IT-Spezialist hat die Probleme der Bevölkerung auf dem Land analysiert

Viele Kleinbauern bearbeiten winzige Parzellen mit Techniken aus dem 19. Jahrhundert. Der Ertrag reicht oft nicht zum Leben. Wachira hat Strategien zur Bekämpfung der Armut entwickelt.

Eine Maßnahme, die Akili vorantreibt, ist die Errichtung von Gemeinschaftsunternehmen. Wenn Dorfbewohner ihre Felder zusammen legen und gemeinsam anbauen, können sie gewinnbringend verkaufen. Bis zu 500 Bauern bearbeiten so eine Agrarfläche und konzentrieren sich beim Anbau auf ein bestimmtes Produkt. Es hat sich  gezeigt, dass hier die Größe des Unternehmens den Unterschied zwischen Gewinn und Verlust ausmachen kann, so Wachira.

Chance für die Zukunft

Die Vereinten Nationen werden vermutlich den Großteil der für 2015 angestrebten Milleniumsziele verfehlen. Die Armutsbekämpfung kommt, gerade in den afrikanischen Ländern, nur langsam voran. Eng damit verknüpft sind die Bereiche Hunger, Schulbildung und medizinische Versorgung. 

Unternehmer, die in ihren Projekten Profit, Wachstum und den sozialen Aspekt berücksichtigen, könnten den Staaten und Organisationen helfen, all diese Ziele langfristig zu erreichen oder zumindest wichtige Impulse geben.