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Alte Themen mit neuer Leichtigkeit

Holger Zimmer12. März 2009

Die tschechische Autorin Radka Denemarková gräbt in ihren Romanen die Leichen der deutsch-tschechischen Beziehungen aus - und hat damit großen Erfolg.

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Das Logo der Leipziger Buchmesse weht auf Fahnen (Foto: Jan Woitas dpa/lsn)
Auf der Buchmesse ist auch Denemarková mit ihrem Roman vertretenBild: picture-alliance/ dpa

Das Verhältnis zwischen Nachbarn ist nicht immer einfach, und gerade die deutsch-tschechischen Beziehungen haben oft unter der Bürde von Schuld und fehlender Verantwortung gelitten. Die junge tschechische Literatur jedoch spricht diese heiklen Themen direkt und mit einer neuen Leichtigkeit an.

Aufarbeitung ist lebensnotwendig

Ein schwarz-weiß Foto von der Autorin (Foto: Randomhouse /Bertelsmann)
Die tschechische Autorin Radka DenemarkováBild: Randomhouse

So zum Beispiel die Prager Autorin Radka Denemarková, die auf der diesjährigen Leipziger Buchmesse liest.

Ihr erster Roman "Dreht euch nicht um" zeigt die Nachwirkungen einer nicht bewältigten Geschichte: "In meinen Büchern spielt die Atmosphäre der Geschichte eine große Rolle. In der tschechischen Geschichte gibt es so viele Leichen im Keller", sagt die Autorin. Auf Dauer könne man mit all diesen Leichen nicht mehr atmen und leben. "Und dann habe ich mir gesagt, dass ich die Leichen nehme und durchleuchte - über diese Leichen schreibe ich meine Bücher", erläutert Radka Denemarková.

Ihr zweiter Roman erhielt den wichtigen Magnesia-Literaturpreis und wird demnächst auf Deutsch erscheinen. Er erzählt die Geschichte der jungen Gita Lauschmannova, einer deutschsprachigen Jüdin, die nach Ende des Zweiten Weltkriegs in ihre Heimatstadt in der Tschechoslowakei zurückkehrt. Sie sucht ihr Vaterhaus und findet eine fremde Familie vor. Die junge Frau, deren Familie von den Nazis ermordet wurde, wird nun von der Bevölkerung als Deutsche behandelt und angefeindet.

Fiktive Geschichten wirken real

Der Ort Puklice ist fiktiv, die Geschichte auch, und doch hat der Roman einen Nerv getroffen. Radka Denemarková hat sogar Briefe von Leuten bekommen, die dachten, sie hätte mit deren Großeltern oder Eltern gesprochen. "Wenn man mit Empathie zur menschlichen Essenz schreibt, dann kann es passieren, dass viele ihre eigene Geschichte sehen", sagt die Autorin.

Ein Auto passiert einen Grenzposten, der unbesetzt ist (Foto: Armin Weigel dpa/lby)
Nicht alle Grenzen zwischen Deutschland und Tschechien sind so leicht zu überqueren wie dieseBild: picture-alliance/ dpa

Der Roman spielt nicht nur in der Nachkriegszeit, sondern auch in der heutigen Tschechischen Republik. Denn Gita Lauschmannova versucht, nach der Wende endlich Gerechtigkeit zu finden. Doch die Ressentiments gibt es auch heute noch, nicht nur im Roman.

Lesung vor Gericht

"Vor einem Gericht in Brünn gab es einen Prozess, in dem eine deutschsprachige Familie zurück in ihr Haus wollte. Es gab Streit darum und dann haben sie im Rathaus in Brünn eine große Lesung aus meinem Buch gehalten. Dieses Buch lebt sein eigenes Leben", berichtet Radka Denemarková.

So zieht die aktuelle tschechische Literatur die Verbindungen zur Geschichte und kommt dabei im heutigen, im wirklichen Leben an.


Die Leipziger Buchmesse läuft vom 12.03.-15.03.2009.