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Kreuze erzählen vom Leben

2. April 2010

Wer hat schon sein persönliches Kreuz? Doch, es gibt viele! Kreuze sind Symbole, die jeder versteht. Ein Kreuz am Straßenrand, ein Kreuz in der Wohnung sind persönliche Bekenntnisse, Zeichen eines Mehrwerts von Leben.

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Drei Kreuze vor Sonnenuntergang (Foto: AP)
Bild: AP

Ein Landstrich, in dem mit Kreuzen öffentlich gelebt wird, ist immer noch Bayern. An vielen Straßenecken stehen die Feldkreuze, "Marterl" genannt, mit Blumen geschmückt und von Touristen gerne fotografiert. Es gehört in Bayern zur Kultur, zum Leben selbstverständlich dazu. Das kann anstecken - auch Leute, die ursprünglich nicht mit dieser Kultur der öffentlichen Kreuze aufgewachsen sind.

Garmisch-Partenkirchen. Die Berge streben himmelwärts. Oben der graue Gipfel, der Kreuzeck heißt. Unten, zwischen ein paar Heuschobern ein hohes Wegkreuz, es ist das Wegkreuz von Alexa Schlüter geworden. Sie hat es zu ihrem gemacht. Ihre Geschichte geht so: Sie liegt im Krankenhaus, mit einer Krebserkrankung. Da hat sie in der Nacht einen Traum, einen Traum genau von diesem Wegkreuz, an dem der Korpus fehlt. Und, so erzählt sie, da hat sie ein Gelübde abgelegt: "Wenn ich gesund werde, dann lasse ich an dieses Wegkreuz eine neue Jesusfigur machen.

Ein Gelübde für ein Kreuz

Kruzifix vor blauem Himmel mit weißen Wolken (Foto: AP)
Ein "Kruzifix"Bild: AP

Alexa Schlüter wird gesund, und sie vergisst den Traum nicht, den Traum von ihrem Kreuz, und ihr Gelübde. Sie findet den Landwirt, dem das Wegkreuz aus dem Traum gehört und sie lässt eine neue Christus-Figur dafür schnitzen. Das Kreuz, das einst der Großvater des Landwirts aufgestellt hat, damit er heil aus dem Krieg zurückkomme, ist jetzt ihr Kreuz geworden. Im Frühling 2005 hat sie es aufgestellt. Mit dem Pastor. Mit Verwandten des Landwirts und mit ihren Verwandten. Alexa Schlüter kommt eigentlich aus dem Rheinland – die Kultur der Kreuze in Bayern ist für sie sozusagen über Nacht lebenswichtig geworden. "Ich finde es sehr schön, dass ich es verwirklicht habe", sagt sie. "Dass ich nicht einfach so in dieser Not steckengeblieben bin." Für sie, so sagt sie, ist es ein besonderer Ort geworden, dieses Feldkreuz mit dem neuen Korpus.

Wegkreuze erzählen Geschichten

Viele Wegkreuze im Süden Deutschlands haben ihre ganz bestimmte Geschichte. Ein Mord. Ein verunglückter Bauer. Eine Erinnerung an den Krieg. Ein Wunsch um Segen und gutes Wetter. Das Kreuz als Denk-Mal, als Ausrufezeichen, als Herrgottswinkel, also als Raum für den Gott, das ist, wenn man es sich recht überlegt, keine aussterbende Kultur. Man muss nur an die Straßenränder schauen. Dort findet man die neuen Marterl, - die Unfallkreuze. Die evangelische Theologin Inken Mädler sagt: "Das Kreuz ist ein höchst lebendiges Symbol, ein doppelsinniges. Ein Symbol des Todes und der Trauer und zugleich ein Symbol der Hoffnung. Vielleicht", so Inken Mädler, "vielleicht ist deswegen der Griff zu diesem Symbol eine ganz besondere Hilfe."

Eine Kapelle zu Ehren Gottes

Kapelle für Tatjana (Foto: Helmut Fritzsche)
Eine Kapelle für Tatjana in Bruck/AlixBild: Dr. Helmut Fritzsche

Noch einer, der ein eigenes Kreuz und eine eigene Geschichte mit seinem Kreuz hat, ist Helmut Fritzsche. "Eines morgens", sagt er, "da klingelt ein Polizist, ich denk, was will der denn? Und er sagt, ich habe etwas Schreckliches zu berichten, ihre Tochter ist verunglückt." Helmuth Fritzsche ist auch ein Wahl-Bayer. Als seine Tochter bei einem Verkehrsunfall verunglückt und an den Folgen stirbt, ist ihm klar, er baut eine Kapelle. Zum Andenken an Tatjana - und, ja wirklich, zur Ehre Gottes. So steht es am Kreuz, im Innern der Kapelle. "Die Kapelle ist für mich ein Zeichen, dass ich den Tod meiner Tochter als sinnvoll akzeptiere, auch wenn ich ihn nicht verstehe", sagt er. Aber Gott sei so unvergleichlich intelligenter, dagegen, so sagt er, seien "wir Menschen Pflaumen". Ein Grab hat jeder, sagt Helmut Fritzsche, aber keine Kapelle als persönliche Anlaufstelle. Und er freut sich, dass viele Wanderer dort einkehren, dass der Ort seines Kreuzes ein geistlicher Rastplatz geworden ist.

Autor: Matthias Morgenroth

Redaktion: Klaus Krämer