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Gestohlene Melodien: Urheberrecht in Afrika

Aarni Kuoppamäki
8. Juni 2018

Das Internet hat das Musikgeschäft verändert - auch in Afrika. Um der grassierenden Musikpiraterie zu begegnen, setzen die Künstler zunehmend auf Konzerte. Doch das Problembewusstsein wächst.

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Straßenverkäufer mit CDs und DVDs in Conakry, Guinea
Bild: AFP/Getty Images/I. Sanogo

Wer in afrikanischen Großstädten wie Accra oder Lagos Musik kaufen will, kann dafür auf den Markt gehen. Zwischen den Gemüse- und Haushaltswarenhändlern sitzen oft junge Männer mit Laptops, die gegen Gebühr die neueste Musik auf die Smartphones und USB-Speicher ihrer Kundschaft laden. Auch CD-Verkäufer gibt es zuhauf. Doch meist stammt die Ware nicht vom Künstler oder der Plattenfirma, sondern wurde aus dem Internet heruntergeladen. An diesen Geschäften verdienen nur die Händler. Die Komponisten, Texter und Interpreten der Musik gehen leer aus.

"Im Moment ist das ein großes Problem für Künstler", sagt der Saxophonist Manu Dibango aus Kamerun im Gespräch mit der DW. Nicht nur Musiker litten unter Raubkopien, sondern auch Filmschaffende. Alles, was digitalisierbar sei, könne mit Hilfe eines Computers gestohlen werden. Und selbst die Raubkopien-Händler auf den Märkten werden zunehmend überflüssig: Immer mehr Liebhaber afrikanischer Musik sind online und laden sich die Lieder einfach selbst aufs Smartphone. "Irgendwann muss jemand bezahlen", sagt Dibango. "Wer zahlt? Im Moment sind es die Künstler, die darunter leiden."

Kenia Symbolbild Smartphones
Das allgegenwärtige Smartphone wird zunehmend auch als Speicher für Musik genutztBild: Getty Images/AFP/Y. Chiba

Große Unterschiede beim Urheberrecht

Die unerlaubte Herstellung oder Verbreitung von Kopien fremden geistigen Eigentums gilt als Urheberrechtsverletzung. Theoretisch gelte das auch in Afrika, sagt der Musikethnologe Veit Erlmann, der seit fünf Jahren an einem Buch über Urheberrechte in der südafrikanischen Musikindustrie arbeitet, im DW-Interview. Fast alle afrikanischen Länder seien Mitglieder der internationalen Abkommen über den Schutz von Urheberrechten. Der "Berner Übereinkunft zum Schutze von Werken der Literatur und Kunst" von 1886 seien die meisten Staaten noch unter kolonialer Herrschaft beigetreten. Wie der Schutz von Urheberrechten jedoch heute umgesetzt wird, ist von Land zu Land unterschiedlich.

Dreh- und Angelpunkt der Verwaltung von Urheberrechten sind nationale Verwertungsgesellschaften. In Deutschland ist das die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), in den USA konkurrieren mehrere Gesellschaften um die Vermarktungsrechte, und in Südafrika etwa ist die Southern African Music Rights Organisation (SAMRO) zuständig. Musiker registrieren ihre Werke bei der Verwertungsgesellschaft. Diese treibt bei Rundfunksendern, Musik-Veranstaltern und -Händlern Lizenzgebühren ein, die in Form von Royaltys an die Künstler fließen. Je öfter ein Lied gespielt oder verkauft wird, desto höher fällt die Royalty-Zahlung aus.

Geschäft mit CDs in Marrakesch, Marokko
Musik gibt es auf dem Markt (hier in Marrakesch) - ob als CD oder virtuellBild: imago/Geisser

In Südafrika funktioniere die Umsetzung "eigentlich recht gut", sagt Erlmann. Andere Länder tun sich schwerer. Damit das System funktioniert, müssen nämlich zahlreiche Bedingungen erfüllt sein - und hier hakt es. Nicht alle afrikanischen Künstler melden ihre Werke mit vollständigen Urheber-Angaben bei ihrer nationalen Verwertungsgesellschaft an. Oft dokumentieren Rundfunksender und Musikveranstalter nicht, welche Lieder wie häufig gespielt wurden. Und wenn sie den Verwertungsgesellschaften keine Lizenzgebühren entrichten, kann den Künstlern auch nichts ausgezahlt werden. Zudem beklagen Musiker immer wieder Intransparenz bei den Verwertungsgesellschaften.

Fortschritt oder Stillstand

Nach Angaben des internationalen Dachverbands der Verwertungsgesellschaften (CISAC) wurden 2016 weltweit 9,2 Milliarden Euro an Lizenzgebühren eingenommen - davon 8 Milliarden mit Musik. Auf Afrika entfallen nur 67 Millionen Euro oder 0,7 Prozent der Gesamtsumme - fast die Hälfte der Erlöse kommen hier aus Südafrika. Laut dem aktuellen Jahresbericht der CISAC erschweren "unzureichende gesetzliche Rahmenbedingungen für Urheberrechte, Widerstand der Nutzer gegen Lizenzgebühren und die eingeschränkte Effektivität von Verwertungsgesellschaften" das Wachstum in Afrika.

Infografik Royalty-Einahmen nach Kunst-Gattungen 2016 DE

In vielen Ländern gebe es Fortschritte, sagt Musikethnologe Erlmann: In Kenia, Nigeria und Senegal zum Beispiel hätten sich gesetzliche Rahmenbedingungen und die Verwertungsgesellschaften in den vergangenen Jahren weiterentwickelt. Auch an der Elfenbeinküste würden Urheberrechte inzwischen besser eingehalten, sagt die ivorische Sängerin Dobet Gnahoré im DW-Gespräch. "Es gibt noch Lecks, aber die Musikszene ist besser organisiert als früher. Es gibt also eine Entwicklung, ein wachsendes Bewusstsein für die Rechte der Künstler." Gleichzeitig sei es jedoch schwer, zu verfolgen, was im Internet mit der Musik passiere.

Infografik Royalty-Einnahmen nach Regionen  DE

Wo staatliche Institutionen und der Rechtsstaat schwach sind, haben auch Künstler es in der Regel schwer. In Mali sei es selbst für erfolgreiche Musiker kaum möglich, mit einem Album Verkaufserlöse zu erzielen, sagt der malische Sänger Habib Koite im DW-Interview: "Wir haben ein Copyright-Büro, das nicht funktioniert. Und unsere Regierung hat größere Probleme als den Umgang mit Musikern." Als weiteres Negativbeispiel nennt der Musikethnologe Erlmann die Demokratische Republik Kongo. Das Land besitzt eine sehr aktive Musikszene, deren Stars auch im Ausland sehr erfolgreich sind. Für die Mehrheit der aktiven Musiker habe es jedoch über Jahrzehnte keinerlei Möglichkeit gegeben, von ihrer Musik zu leben.

Streaming als Zukunftshoffnung

Sinkende Erlöse durch Musikverkäufe sind kein afrikanischen Phänomen: So machte die amerikanische Popsängerin Madonna 2007 Schlagzeilen, als sie von ihrer Plattenfirma zu einem Konzertveranstalter wechselte. Für afrikanische Künstler mit ihren oft geringen Verdienstmöglichkeiten in der Heimat sei der Verdienstausfall ein besonders großes Problem, erklärt Erlmann. Auch sie verlegen ihr Geschäftsmodell deshalb zunehmend auf Einnahmen aus Konzerten, Werbung und anderen Quellen. "In der Elfenbeinküste kann man nicht von seiner Musik leben, solange man nicht genug Musik gemacht hat, die vom Publikum geliebt wird", sagt Dobet Gnahoré. Je bekannter man sei, desto mehr Menschen kämen zu den Konzerten.

Würzburg Africa Festival 2018  Manu Dibango
Für viele Musiker sind Konzerte die wichtigste Einnahmequelle - hier Manu DibangoBild: DW/A. Gensbittel

Obwohl die Digitalisierung Musik-Piraterie in ungekanntem Ausmaß ermöglicht hat, bietet sie auch neue Chancen. Manche Künstler würden ihre Musik kostenlos im Netz verbreiten, um neue Fans zu gewinnen, sagt Dobet Gnahoré. Die Musikindustrie setzt ihre Hoffnungen in Streaming-Dienste, die gegen Bezahlung oder werbefinanziert Musik auf Abruf bieten. Laut dem CISAC-Bericht sind die Royalty-Einnahmen durch digitale Musik 2016 weltweit um 51 Prozent gestiegen. In Südafrika bezahlten Anbieter wie Apple und Simfy die Künstler zwar freiwillig, sagt Erlmann, doch selbst hier, auf dem höchstentwickelten Musikmarkt des Kontinents, fehle eine gesetzliche Grundlage. Deshalb soll nun das Urheberrecht erneuert werden: Die geltende Fassung ist von 1978.

Mitarbeit: Aude Gensbittel