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Gestrandet in der Wüste von Burkina Faso

Steven Kiemtore/Mirjam Gehrke14. August 2013

Vom Krieg vertrieben verließen tausende Menschen Mali in Richtung Burkina Faso. In der Provinz Soum haben viele von ihnen Zuflucht gefunden. Doch neben ihrer Heimat haben viele auch den Glauben an ihre Zukunft verloren.

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Notunterkunft im Flüchtlingslager Damba: Malier, die vor dem Bürgerkrieg zur Mittelschicht in ihrem Land gehörten, leben jetzt in improvisierten Unterkünften im Flüchtlingslager Foto: Steven Kiemtore Wo: Flüchtlinslager Damba, Burkina Faso
Notunterkunft im Flüchtlingslager DambaBild: DW/S. Kiemtore

Nein, zurück nach Mali wolle er nicht mehr, sagt der 16-jährige Souleymane Ag Rhissa. Dort gebe es keine Zukunft für ihn. Er sitzt auf einer Matte im Schatten eines Dornenbusches im Flüchtlingslager von Damba in Burkina Faso. Die Grenze zu seinem Heimatland liegt nur 40 Kilometer entfernt. In Mali ging er zur Schule, traf sich in der Freizeit mit Freunden. Hier ist er zum Nichtstun verdammt.

Ein anderer Ort, das gleiche Bild: 15 Kilometer entfernt, am südlichen Rand der Stadt Djibo, der Hauptstadt der Provinz Soum, liegt das Lager von Mentao. Dort haben die neuen Bewohner ihre Zelte aufgebaut. Im Gegensatz zu den Kindern in Damba haben die Kinder von Mentao aber mehr Glück. Einige Studenten unter den Flüchtlingen haben aus trockenen Zweigen und schwarzen Plastikplanen einen Unterrichtsraum gebaut. Rund 30 Kinder folgen dem Unterricht. "Wissen ist das einzige Gut, das man teilen kann, ohne dass es weniger wird", erklärt Oumar Moussa Gohiba. In Malis Hauptstadt Bamako hat er Anglistik studiert. Jetzt unterrichtet er im Flüchtlingslager. "Wir haben kein Material, aber wir tun, was wir können. Was wir in Mali gelernt haben, geben wir an die Kinder weiter."

Schule im Flüchtlingslager Damba - der Klassenraum ist aus Ästen und Planen improviert. (Foto: Steven Kiemtore)
Im improvisierten Klassenraum werden die Flüchtlingskinder unterrichtetBild: DW/S. Kiemtore

Aly - als Flüchtling geboren

Über die Schule für ihren Sohn Aly macht sich Tazanelè Walété Aly noch keine Gedanken. Die 20-Jährige war im achten Monat schwanger, als sie aus ihrer Heimatstadt Mopti im Norden Malis floh. Ihr Ehemann, ein Angehöriger des Militärs, blieb zurück. Fünf Wochen nach ihrer Ankunft im Lager von Mentao brachte sie ihr erstes Kind zur Welt. "Als ich schwanger wurde, habe ich nie daran gedacht, dass mein Kind als Flüchtling auf die Welt kommen würde. Ich wünsche mir, dass mein Sohn bei seinem Vater in Mali in Frieden aufwächst."

In Mopti verkaufte Tazanelè Walété Aly Frauen- und Kinderkleidung und Schuhe. Auf 150.000 investierte Francs CFA, rund 230 Euro, so sagt sie, machte sie zwischen 50.000 und 70.000 Francs CFA Gewinn. Das entspricht 75 bis 100 Euro. Mit diesem Geld konnte sie kaufen, was sie zum Leben brauchte und darüber hinaus ihren Mann unterstützen. Jetzt lebt sie von Sozialhilfe und der Unterstützung durch humanitäre Hilfsorganisationen und die umliegende Bevölkerung.

Infografik Flüchtlinge aus Mali DEU DW-Grafik: Olof Pock Datum 18.06.2013
Knapp 50.000 Malier sind nach Burkina Faso geflohen

Schwieriges Zusammenleben der Flüchtlinge

Auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg sind auch hunderte arabischstämmige Familien nach Burkina Faso gekommen. In den Flüchtlingslagern schlägt ihnen oft Misstrauen und Ablehnung entgegen, da sie mit den Aufständischen Tuareg im Norden Malis in Verbindung gebracht werden. Daher ziehen viele von ihnen es vor, sich in der Stadt auf eigene Faust durchzuschlagen. "Für uns ist es sicherer, wenn wir uns absondern.", sagt der 66-jährige Clanchef Mohamed Ould Sidi Amar. Gemeinsam mit seinen Familienmitgliedern hat er für 300.000 Francs CFA im Monat eine Wohnung in Djibo gemietet. Über 800 Flüchtlinge hätten sich in der Stadt niedergelassen, erzählt er.

Das Leben in der Stadt sei komfortabler, sagt der Clanchef. Aber die Flüchtlinge müssen von ihren eigenen Ersparnissen leben. Von den Hilfsorganisationen seien sie nicht erfasst worden, beklagt sich Ould Sidi Amar. Nach Aussagen des Generalsekretärs des Hohen Kommissariats der Provinz Soum, Boukary Sawadogo, ist es für die zuständigen Stellen schwierig, die Wohnungen ausfindig zu machen, in denen sich die Stadtflüchtlinge eingerichtet haben. Denn Djibo wird nicht als Lager geführt. Zudem bereite der fehlende Zusammenhalt unter den Flüchtlingen der Verwaltung große Probleme, sagt der Generalsekretär.

Malische Flüchtlinge in einem Flüchtlingscamp in Burkina Faso (Foto: Steven Kiemtore)
Weit verstreut liegen die Zelte innerhalb des Lagers DambaBild: Steven Kiemtore

Verlorene Heimat, verlorene Zukunft

Auch wenn sie untereinander zerstritten sind, in einem Punkt sind sich die malischen Flüchtlinge einig: Sie fühlen sich in Burkina Faso gut aufgenommen. Die Einheimischen helfen den Neuankömmlingen bei ihren täglichen Verrichtungen im Haushalt, beim Trinkwasser holen, der gemeinsame Nutzung der Weiden und der Versorgung mit Lebensmitteln. "Trotz des anfänglichen Misstrauens haben wir doch alle dieselbe Kultur. Das Zusammenleben ist problemlos", bestätigt der für das Lager Damba zuständige Bürgermeister von Nassoumbou, Abdoul Salam Dicko.

Dennoch ersetzt die Unterstützung der einheimischen Bevölkerung den malischen Flüchtlingen nicht die eigene Heimat. Viele von ihnen fragen sich, wie ihre Zukunft in der burkinischen Wüste aussehen wird. Er wollte eigentlich Gouverneur werden, erzählt der 16-jährige Souleymane Ag Rhissa im Lager Damba. Aber den Traum hat er begraben: "Auch wenn sich die Dinge normalisieren sollten, möchte ich nicht mehr nach Mali zurück. Ich möchte nicht wieder fliehen müssen und Verwandte verlieren." Souleymanes Stimme klingt traurig. "Ich will in Burkina bleiben, oder nach Niger oder in ein anderes Land gehen, wo ich mir eine Zukunft aufbauen kann", sagt er.

Portrait Steven Kiemtore (Foto: Steven Kiemtore)
Bild: privat

Dieser Text ist die gekürzte Fassung des Artikels "Réfugiés maliens au Bukina - Quand les éléphants se battent...", den Steven Kiemtore (Bild links) für den Deutschen Medienpreis Entwicklungspolitik eingereicht hat. Der burkinische Journalist arbeitet für die Tageszeitung Sidwaya.