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Gesucht: Bundespräsident/in der Herzen

Wolfgang Dick9. Juni 2016

Seit klar ist, dass Bundespräsident Joachim Gauck keine zweite Amtszeit will, kursieren Namen möglicher Nachfolger. Viele Bürger würden den Präsidenten gerne direkt wählen. Sie nennen auch schon Kandidaten.

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Doppelporträt Heidi Klum und Günther Jauch (Fotos: imago)
Heidi Klum oder Günther Jauch for President? Das Model und der Moderator werden in Umfragen oft genannt

Topmodel Heidi Klum und Fernsehmoderator Günther Jauch würden viele Deutsche sofort in das Amt des Bundespräsidenten wählen. Diese beiden Namen werden am häufigsten genannt bei Umfragen von Zeitungen oder in den Äußerungen über soziale Medien, wenn es um die Frage geht: Wer sollte das höchste Amt in Deutschland übernehmen?

Begründungen liefern die Befürworter auch: Klum habe als Model die ganze Welt bereist und damit internationale Erfahrung. Jauch sei als jahrelanger Moderator des international erfolgreichen TV-Formats "Wer wird Millionär?" schlau, witzig, schlagfertig und souverän. Außerdem imponiert ihnen, dass er seit der Jahrtausendwende viele Millionen Euro seiner Honorare für soziale Zwecke gespendet habe.

Über Kandidaten denken die Deutschen nicht erst bei der Nachfolge für Joachim Gauck nach. Vorschläge zu Prominenten für das Amt des Bundespräsidenten vagabundierten schon seit der Affäre um Vorgänger Christian Wulff durchs Netz. Er trat 2012 als Bundespräsident zurück, weil die Staatsanwaltschaft Hannover wegen Vorteilsannahme im Amt gegen ihn ermittelte. 2014 wurde er freigesprochen.

Parteienkritiker: Direkt gewählte Politiker sind erfolgreicher

Das war schon der zweite Rücktritt. Nur zwei Jahre zuvor hatte Bundespräsident Horst Köhler sein Amt von jetzt auf gleich niedergelegt. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel ihn vorgeschlagen hatte, fragte eine Boulevardzeitung: "Horst WER ?" Köhler, bis dahin zunächst Chef des Sparkassen-Verbandes, dann des Internationalen Währungsfonds, war in der breiten Öffentlichkeit damals noch wenig bekannt.

Nach nur einem Jahr der zweiten Amtszeit trat er völlig überraschend zurück, weil ihn die heftige Kritik an einem seiner Interviews gekränkt hatte. In seiner kurzen Rücktrittserklärung beklagte er "mangelnden Rückhalt" für seine Person.

Vielleicht kein Wunder, wenn Bundespräsidenten nur von Partei-Politikern im Hinterzimmer ausgehandelt werden? "Das ist keine Demokratie mehr", sagt der Staatsrechtler und Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim. Direkt vom Volk gewählte Politiker genössen eine höhere demokratische Legitimation und Autorität, argumentiert von Arnim. Direkt gewählte Politiker seien auch erfolgreicher.

Kronjuwelen Krone und Zepter (Foto: ANPFOTO)
Wenn ich König von Deutschland wär - viele können sich einen direkt gewählten Präsidenten als Ersatzkönig vorstellenBild: picture-alliance/ANP

Deutsche wollen Direktwahl

Eine Direktwahl des Bundespräsidenten aber gibt es in Deutschland nicht - im Gegensatz zu Österreich und Irland. Begründet wird die deutsche Verfassungslage mit schlechten Erfahrungen vor dem zweiten Weltkrieg, als die Weimarer Republik in die nationalsozialistische Diktatur mündete.

Die Deutschen aber wollen seit Jahren mehrheitlich den Bundespräsidenten selbst wählen. Dafür sind immerhin 83 Prozent aller Befragten, wie YouGov im Auftrag des Institutes für Neue soziale Antworten (Insa) ermittelte. Das Meinungsforschungsinstitut Emnid kam für die Zeitung "Bild am Sonntag" auf immerhin 60 Prozent Befürworter einer Direktwahl.

Sehnsucht nach Persönlichkeiten statt Parteisoldaten

Solange die Bürger nicht selbst wählen dürfen, wird zum Thema gepostet und getwittert. Genannt werden dabei vorwiegend Sportler und Schauspieler. Vorschläge zu Frauen überwiegen. Mit dabei sind:

Senta Berger. Die 75-jährige, hoch angesehene Schauspielerin drehte in den 1960er-Jahren in Hollywood mit Kirk Douglas, Dean Martin und Charlton Heston und ist seit Jahren auch gesellschaftlich und sozial engagiert. In der Kampagne "Stimme der Vernunft" setzt sich Berger gegen Radikalisierung und für die Integration ein. Berger sei elegant und niveauvoll, heißt es. Ihr Credo: "Anstand!"

Porträt Senta Berger (Foto: Jan Woitas/dpa)
Schauspielerin Senta BergerBild: picture-alliance/dpa

Margot Käßmann. Sie war mehr als zehn Jahre lang Landesbischöfin der evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover und überzeugte durch Wärme, Herzlichkeit und eine geradezu entwaffnende Ehrlichkeit und Offenheit. Käßmann war auch politisch aktiv. Sie beriet die Bundesregierung im Rat für nachhaltige Entwicklung.

Porträt Margot Käßmann (Foto: EKD/Monika Lawrenz)
Luther-Botschafterin Margot KäßmanBild: EKD/Monika Lawrenz

Jerome Boateng. Der Fußballspieler des FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft engagiert sich für soziale Projekte und unterstützt bedürftige Kinder und Jugendliche. Boateng habe damit große soziale Kompetenzen, was für das Amt des Präsidenten wichtig sei, schreiben seine Fans. Als der AfD-Politiker Alexander Gauland unterstellte, man wolle ihn nicht als Nachbarn, gab es heftige Gegenreaktionen.

Jerome Boateng (Foto: picture-alliance/sampics Photographie)
Fußball-Nationalspieler Jerome BoatengBild: picture-alliance/sampics Photographie

Schlechte Chancen für Bürgerkandidaten

Für die genannten Personen gibt es nur wenige Erfolgsaussichten. Model Heidi Klum etwa agiert sehr wenig staatstragend. In einem Interview mit dem "Guardian" äußert sie sich über ihr Sexualleben und beschreibt, dass sie sich mit ihrem Ex-Mann, dem Sänger Seal, mit Lakritzschnecken ans Bett gefesselt hätte.

Publikumsliebling Günther Jauch beklagte sich über zu viel Einmischung der Rundfunkräte bei seinem Polit-Talk im Ersten Deutschen Fernsehen und bezeichnete sie als "Gremien-Gremlins". Jauch sagt, der politische Alltag sei nichts für ihn: "Mir fehlt die Gelassenheit."

Senta Berger besitzt neben der deutschen auch die österreichische Staatsangehörigkeit. In der DW-Sendung "Typisch deutsch" sagte sie, ihre Heimat sei Wien: "Da bin ich zuhause." Als Repräsentantin Deutschlands sieht sie sich wohl eher nicht.

Margot Käßmann fuhr im Jahr 2010 mit 1,54 Promille Alkohol im Blut über eine rote Ampel und wurde bei dieser Straftat von der Polizei erwischt. Sie trat von ihrem damaligen Amt zurück.

Jerome Boateng schließlich ist mit 27 Jahren schlicht zu jung. Bundespräsident kann man erst werden, wenn man mindestens 40 Jahre alt ist.

Warnung vor Pseudobeteiligung der Bürger

Theo Schiller von der Universität Marburg ist einer der Gegner einer Direktwahl des Bundespräsidenten durch die Bevölkerung. Er spricht von einer "Pseudobeteiligung der Bürger", falls sich Bundestag und Bundesrat jemals gegen die Bundesversammlung und für das Votum der Bürger entscheiden: "Wenn der Bundespräsident nur wenig bewegen kann, werden die Bürger schnell das Interesse verlieren, ihn selbst zu wählen."

Politisches Interesse und Gespür haben Bürger schon mehrfach gezeigt. Als im Jahr 2010 die Entscheidung zwischen Joachim Gauck und Christian Wulff als Bundespräsident zu treffen war, entschieden sich in einer Umfrage des Instituts Forsa 42 Prozent der befragten Bürger für Joachim Gauck. Nur 32 Prozent stimmten für Wulff. Den aber bestimmte die Politik zum Präsidenten - mit den später bekannten Folgen.

Auch in Österreich wählte jetzt die Bevölkerung - wenn auch nur knapp - den Grünen-Kandidaten Alexander van der Bellen statt des Rechtspopulisten Norbert Hofer von der FPÖ. Staatsrechtler von Arnim bestätigt: "Die Bürger wählen keineswegs die Freibier-Politiker, sondern Menschen, die sie für fachlich kompetent und charismatisch halten."