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Gewalt gegen afrikanische Einwanderer

19. Januar 2010

Nach mehrtägigen heftigen Unruhen in der süditaliensichen Kleinstadt Rosarno mussten tausende afrikanische Saisonarbeiter in Sicherheit gebracht werden. Viele flohen aus Furcht vor neuen Ausschreitungen.

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Demonstranten in Rosarno(Foto:AP)
Afrikanische Saisonarbeiter demonstrierten in Rosarno für ihre Rechte...Bild: AP

Im süditalienischen Rosarno ist es am vergangenen Wochenende (08./09.01.2010) erneut zu heftigen Zusammenstößen zwischen der einheimischen Bevölkerung, afrikanischen Saisonarbeitern und der Polizei gekommen. Mehr als 1000 Afrikaner mussten in Sicherheit gebracht und in Polizeibussen in Notunterkünfte der Städte Crotone und Bari gefahren werden.Hunderte weitere der zumeist illegalen Einwanderer flohen aus lauter Angst vor einer neuen Gewaltwelle auf eigene Faust aus der Kleinstadt, viele davon ohne ihre Löhne ausgezahlt bekommen zu haben. "Wenn ich nicht gehe, werde ich sterben", sagt der 25-jährige Francis aus Ghana, dem sein Arbeitgeber noch 200 Euro schuldet.

Schüsse auf illegale Einwanderer

Demonstranten in Rosarno und Polizisten (Foto:AP)
...doch was folgte waren heftige Zusammenstöße mit Anwohnern und der Polizei...Bild: AP

Bereits am Donnerstag (07.01.2010) begann die brutale Auseinandersetzung zwischen den afrikanischen Gastarbeitern und Anwohnern, nachdem Unbekannte aus einem Auto heraus mit einem Luftgewehr auf die afrikanischen Arbeiter geschossen hatten. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt. Die italienischen Behörden gehen davon aus, dass es sich bei den Schützen um Mitglieder der kalabrischen Mafia ´Ndrangheta handelt. Hunderte erbitterte Afrikaner demonstrierten daraufhin in den Straßen Rosarnos gegen rassistische Pöbeleien, Übergriffe und Attacken, die vermehrt gegen sie in der Vergangenheit stattgefunden hatten. Sie errichteten Straßensperren, zertrümmerten Schaufenster und steckten mehrere Autos in Brand.

Afrikaner in Rosarno auf der Flucht (Foto:AP)
...woraufhin hunderte Afrikaner aus Angst vor noch mehr Gewalt flohen...Bild: AP

Aufgebrachte Anwohner wollten sich für die Unruhen offenbar am Freitag (08.01.2010) rächen. Auf Traktoren und mit Schrotflinten, Steinen und Eisenstangen bewaffnet attackierten sie die Einwanderer, fuhren mehrere Afrikaner absichtlich mit dem Auto an und veranstalteten eine regelrechte Treibjagd auf Schwarze. Bei den rund drei Tage andauernden Unruhen wurden über 60 Menschen verletzt. Fünf Saisonarbeiter musste mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden.

Politik der "falschen Toleranz"?

Afrikaner werden in Sicherheit gebracht(Foto:AP)
...weitere 1000 wurden von der Polizei in Sicherheit gebracht.Bild: AP

Nicht nur die italienischen Medien kritisierten die Gewalt gegen die Einwanderer, internationale Beobachter sprachen sogar von Zuständen, die an die Gewalt des Ku-Klux-Klan in den USA der 1960er Jahre erinnerten. Auch Papst Benedikt XVI. rief zu mehr Toleranz gegenüber Immigranten auf. Ihre Rechte und Pflichten müssten respektiert werden. Die Opposition warf der Regierung vor, den Fremdenhass noch weiter zu schüren. Denn trotz aller Kritik ließen die örtlichen Behörden noch am Sonntag (10.01.2010) die Notlager abreißen, in der die mehrheitlich illegalen Einwanderer bisher unter menschenunwürdigen Bedingungen gehaust hatten. Innenminister Roberto Maroni hingegen lobte das schnelle Vorgehen der Behörden als vorbildlich und machte eine Politik jahrelanger "falscher Toleranz" für die mehrtägigen Unruhen verantwortlich.

Menschenunwürdige Bedingungen

Rund 4000 Einwanderer aus überwiegend afrikanischen Ländern helfen in Rosarno oftmals illegal bei der Obst- und Gemüseernte. Sie wohnen in heruntergekommenen Baracken und einem alten, leerstehenden Fabrikgebäude vor der Stadt. Dort gibt es weder Matratzen, fließend Wasser, Strom oder eine Heizung - nur acht Chemietoiletten und drei Duschen stehen tausend Menschen zur Verfügung. Doch weil sich die meisten illegal im Land aufhalten, akzeptieren sie nicht nur diese unmenschlichen Lebensbedingungen, sondern auch den Hungerlohn, den sie für ihre Arbeit erhalten.

20 Euro verdient ein illegaler Saisonarbeiter durchschnittlich pro Tag. Manchmal ist es aber auch weniger. "Mit 15 bis 20 Euro pro Tag haben wir diese Menschen zu modernen Sklaven gemacht - eine hässliche Seite im Geschichtsbuch Italiens“, sagt ein Lokalpolitiker bestürzt. Und in der Regel behalte die örtliche Mafia von diesem Hungerlohn auch noch 5 Euro "Aufenthaltssteuer". Menschenrechtsorganisationen sprechen von Ausbeutung durch organisierte Verbrecherbanden.

Autorin: Michaela Paul (dpa, rtrd, afp)

Redaktion: Dirk Bathe/Diana Hodali