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Menschenrechte in Indien

22. April 2010

Rechtsstaatlichkeit und Religionsfreiheit gelten in Indien nicht für jeden. Vor allem Christen und Muslime leiden unter den Angriffen radikaler Hindu-Nationalisten, berichten deutsche Abgeordnete.

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Ute Granold (CDU) mit dem Bischof von Ahmedabad
Ute Granold (CDU) mit dem Bischof von AhmedabadBild: Oehring/Missio

"Indien ist nur auf dem Papier eine Demokratie, denn es fehlt ein wesentliches Merkmal der Demokratie: die Rechtsstaatlichkeit." Mit diesem vernichtenden Urteil kehren die Bundestagsabgeordneten Ute Granold (CDU) und Pascal Kober (FDP) von ihrer Indien-Reise zurück. Vor allem die oppositionelle Bewegung der Hindu-Nationalisten bereitet Ute Granold Sorgen: "Die wollen aus Indien einen Staat machen, der frei ist von anderen Religionen als den Hindus."

Die Gewalt gegen Minderheiten in Indien reicht lange zurück. Allein im Jahr 2002 kommen mehr als 2.000 Muslime bei religiös motivierten Pogromen ums Leben. 2008 sind es die Christen im Bundesstaat Orissa, an denen sich die Wut hinduistischer Extremisten entlädt. Sie werfen Muslimen und Christen Zwangsmissionierung vor, dazu kommen wirtschaftlicher Neid und soziale Probleme. Tausende müssen fliehen, in den Provinzen Orissa und Gujarat werden ganze Dörfer niedergebrannt, es wird vergewaltigt und gemordet. Allein im vergangenen Jahr hat es nach Einschätzung von Experten etwa 1.100 Übergriffe allein auf christliche Gruppen Einrichtungen gegeben.

Pascal Kober predigt bei einem ökumenischen Gottesdienst in einem zerstörten Dorf nahe Kandhamal, Orissa
Pascal Kober (FDP) predigt bei einem ökumenischen Gottesdienst in einem zerstörten Dorf nahe Kandhamal, OrissaBild: Oehring/Missio

Untersuchung angekündigt

Die Täter bleiben bis heute weitestgehend unbehelligt, während die Opfer über anhaltende Repressalien und ausbleibende Hilfe klagen, berichtet Pascal Kober von seiner Reise. Die Vorfälle in Orissa und Gujarat seien nach Maßstäben eines westlichen Rechtsstaates auch Jahre später noch nicht ausreichend aufgearbeitet worden. Naveen Patnaik, das Oberhaupt des Bundesstaats Orissa, habe den Abgeordneten aber seine Hilfe versprochen: "Herr Patnaik hat angekündigt, dass er diesen Vorwürfen nachgehen und eine Untersuchung anordnen wird. Das ist ein Erfolg unserer Reise ist gewesen."

Begleitet wurden die beiden Politiker von Otmar Oehring, vom katholischen Hilfswerk MISSIO. Er ist sich sicher, dass die Hindu-Nationalisten in Indien auch Rückendeckung aus der Politik erhalten, vor allem aus der großen Oppositionspartei Bharatiya Janata Party (BJP): "Die BJP ist der politische Arm dieser Hindu-Nationalistischen Ideologie, die sich rückkoppelt in den Nationalsozialismus und den Faschismus". Die Übergriffe der Hindu-Nationalisten richteten sich nicht nur gegen Christen und Muslime, sondern auch gegen die sogenannten Dalits, sagt Oehring. Die Delits sind Nachfahren der indischen Ureinwohner und als "Unberührbare" bis heute aus dem Kastensystem der Hindus ausgeschlossen.

Ute Granold (CDU) mit einer Flüchtlingsfrau in ihrer Notunterkunft in Beheragam, Orissa
Ute Granold (CDU) mit einer Flüchtlingsfrau in ihrer Notunterkunft in Beheragam, OrissaBild: Oehring/Missio

In Europa, so Oehring, müsse deutlicher auf die Menschrechtsproblematik in Indien hingewiesen werden. "Man kann nicht einfach nur von einem demokratischen, aufstrebenden, wirtschaftlich prosperierenden Staat Indien sprechen".

Jahrelang im Gefängnis - ohne Anklage

Noch während die Abgeordneten Indien bereisen kommt es zu einem erneuten Zwischenfall. In Karnataka im Süden Indiens seien 14 evangelische Pastoren verhaftet worden, "weil sie angeblich Hindus zur Konversion gekauft haben sollen", berichtet Oehring. "Diese Menschen werden wahrscheinlich für geraume Zeit im Gefängnis bleiben, auch ohne dass es zu einer Anklage kommt. Das Rechtssystem in Indien weist da große Mängel auf".

Granold und Kober wollen das Thema Indien nun in den Menschenrechtsausschuss des Bundestags einbringen. Sie fordern, die deutsche Regierung solle bilateral mehr Druck auf Indien ausüben. "Unsere Außenpolitik ist werteorientiert. Das heißt, Good Governance und die Einhaltung der Menschenrechte sind für uns eine Voraussetzung für Zusammenarbeit", sagt Kober. "Wenn Indien an guten Beziehungen zu Deutschland interessiert ist, muss sich das Land auch an der Einhaltung der Menschenrechte messen lassen".

Bisher hält sich die indische Bundesregierung zurück, wenn es um die Aufklärung der Übergriffe geht. Indem sie aber radikale Hindus und eine einseitige Justiz weiter gewähren lässt, sagt Granold, treibe die Regierung einen Keil zwischen die Bevölkerungsgruppen. Damit müsse endlich Schluss sein, denn in einem sind sich die deutschen Abgeordneten ganz sicher: Alle Religionen in Indien würden friedlich zusammenleben, sagt Granold - "wenn man sie denn ließe".

Autor: Samuel Jackisch
Redaktion: Thomas Latschan