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Gewalt gegen Kinder steigt rapide

2. Juli 2009

Viele Kinder in Deutschland sind vor Gewalt nicht sicher. Die Zahl der Misshandlungen hat sich innerhalb eines Jahrzehnts etwa verdoppelt. Polizei und Ärzte fordern einen besseren Schutz.

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Ein kleiner Junge sitzt verängstigt in der Ecke seines Kinderzimmers und umarmt einen Teddy (Archivfoto: dpa)
Schwere Verletzungen oder Traumata sind oft Folgen von KindesmisshandlungenBild: dpa Zentralbild

In Deutschland ist die Zahl der registrierten und behördlich erfassten Kindesmisshandlungen in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Darauf hat der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) am Donnerstag (02.07.2009) hingewiesen. Wie der BDK unter Berufung auf die aktuelle Kriminalstatistik mitteilte, wurden 2008 knapp 4100 solcher Fälle von den Behörden gezählt. Zehn Jahre zuvor hatte die Zahl noch bei rund 2400 gelegen.

Wie die aktuelle Statistik ausweist, starben im vergangenen Jahr in Deutschland 93 Kinder durch Mord und Totschlag. In 86 offiziell erfassten Fällen konnten Mädchen oder Jungen durch das Eingreifen der Ämter oder der Polizei vor Mord und Totschlag gerettet werden - waren aber schwer verletzt oder traumatisiert.

Besonders betroffen: Die unter Sechs-Jährigen

Die Zahl der Misshandlungen von Kleinkindern verdoppelte sich sogar binnen eines Jahrzehntes. So wurden im vergangenen Jahr bei fast 1800 Mädchen und Jungen unter sechs Jahren Misshandlungen festgestellt. 1998 lag die Zahl solcher Fälle noch bei etwa 900.

Die kontinuierlich gestiegende Zahl der Gewalttaten gegen Kinder und das alarmierend hohe Niveau könnten auf keinen Fall nur mit einer gewachsenen Anzeigebereitschaft erklärt werden, betonte der Vize-Vorsitzende des BDK, Bernd Carstensen. Kinder seien zunehmend gefährdet. Notwendig sei deshalb ein besserer Schutz. Dazu gehöre der Austausch von Informationen unter Kinderärzten, da Eltern bei wiederholtem Missbrauch den Arzt wechseln würden, um ihre Taten zu vertuschen.

Die ärztliche Schweigepflicht lockern

Carstensen empfahl eine eigene Datenbank für derartige Fälle. Der Berliner Kinderchirurg Harald Mau äußerte sich ebenfalls in diesem Sinne. Es müsse Ausnahmen bei der ärztlichen Schweigepflicht geben. Die Rechte von Medizinern müssten gestärkt werden, um im Verdachtsfall Misshandlungen melden zu können. Außerdem müssten die rund 600 Jugendämter in Deutschland nach einheitlichen Qualitätsstandards arbeiten. Nur so könne es einen effektiven Schutz geben, sagte Mau, der in der Berliner Charité als Direktor für Kinderchirurgie arbeitet.

Bundesregierung steht in der Kritik



Diese Position vertritt auch der Vorstandvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Georg Ehrmann. Er kritisierte die Bundesregierung, weil sie sich Anfang der Woche nicht auf den Entwurf für ein Kinderschutzgesetz hatte einigen können. Strittig ist zwischen SPD und Union unter anderem die Frage, wann und unter welchen Umständen ein Jugendamt ein Kind persönlich in Augenschein nehmen muss und wann nicht.

Georg Ehrmann, Deutsche Kinderhilfe (Foto: AP)
Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen KinderhilfeBild: Deutsche Kinderhilfe Direkt e.V.

Einig sind die großen Parteien sich allerdings darin, dass etwas geschehen muss: Die vielen dramatischen und in ganz Deutschland Schlagzeilen machenden Fälle von misshandelten oder verhungerten Kindern haben deutlich gemacht, dass bessere Schutzmaßnahmen für die Kleinen und Wehrlosen dringend notwendig sind. (haz/mas/rtr/afp/dpa/kna)