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Gewalt und Ausnahmezustand auf Jamaika

24. Mai 2010

In Jamaikas Hauptstadt Kingston sind tagelange Unruhen zwischen Polizei und mutmaßlichen Drogen-Kriminellen eskaliert. Nach Angriffen auf mehrere Polizeistationen verhängte die Regierung den Ausnahmezustand.

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Panzerwagen, Autowrack (Foto: AP)
Auf der Suche nach einem der weltweit gefährlichsten Drogenbosse: Gewalt in Kingston eskaliertBild: AP

Schon seit Tagen greifen auf Jamaika Mitglieder eines berüchtigten mutmaßlichen Drogen- und Waffenbarons die Sicherheitskräfte der Karibikinsel an. Damit wollen sie die angekündigte Auslieferung ihres Bosses Christopher "Dudus" Coke aus dessen Versteck in Kingston an die USA verhindern. Angesichts der Zunahme von Gewalt verhängte Jamaikas Premierminister Bruce Golding am Sonntag (23.05.2010) einen einmonatigen Ausnahmezustand über Teile der Hauptstadt Kingston und des angrenzenden Bezirks St. Andrew.

Die USA, Kanada und Großbritannien haben für die bei Touristen beliebte Karibikinsel Reisewarnungen ausgegeben. Auch das Auswärtige Amt in Berlin sieht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko in Kingston und ruft zu besonderer Vorsicht auf.

Einer der gefährlichsten Drogenbosse weltweit

Zuvor hatten maskierte Männer eine Polizeistation im armen Westen der Hauptstadt Kingston mit Brandsätzen angezündet. In der gleichen Gegend waren 2001 bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Verbrecherbanden 27 Menschen getötet worden. Am Sonntag berichtete die Polizei, ein Beamter sei bei dem neuerlichen Gewaltausbruch verletzt worden.

Die Regierung kündigte an, Justizministerin Dorothy Lightbourne werde nun den Auslieferungsbeschluss unterzeichnen. Das US-Justizministerium sieht in Coke einen der gefährlichsten Drogenbosse weltweit. In den USA droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. Die Anwälte des 42-Jährigen waren am Freitag mit dem Versuch gescheitert, den Auslieferungsantrag auszusetzen.

Unterdessen hält sich der Gesuchte in seinem Haus im Stadtviertel Tivoli Gardens verschanzt. Er wurde aufgefordert, sich zu ergeben. Polizeichef Owen Elington sagte, Bewaffnete hätten sich zusammengeschlossen, um den Drogenboss zu beschützen. Es seien in mehreren Stadtvierteln Barrikaden aus Stacheldraht und Schrottautos errichtet worden, um den Sicherheitskräften den Zugang unmöglich zu machen.

Berichte: Verbindung zur Regierung

Demonstranten unterstützen 'Dudus' (Foto: AP)
Unterstützung für den Drogenboss: Auf Jamaika gibt sich der gesuchte "Dudus" als WohltäterBild: AP

In der Hauptstadt waren Schüsse zu hören. Polizisten seien beschossen worden, als sie Straßenblockaden wegräumen wollten. Eine Polizeiwache wurde in Brand gesteckt. Die dort stationierten Polizisten waren zuvor von einer Spezialeinheit in Sicherheit gebracht worden, nachdem ihnen die Munition ausgegangen war. Sie waren den ganzen Tag beschossen worden. Schwer bewaffnete Gangster waren in den Straßen und auf Hausdächern von Kingston zu sehen.

Coke ("Dudus") soll nach lokalen Medienberichten Verbindungen zur regierenden Labour Partei Jamaikas unterhalten haben. In amerikanischen Medienberichten hieß es, die Regierung in Kingston sei deshalb einem Auslieferungsersuchen der USA monatelang nicht nachgekommen. Regierungschef Golding habe argumentiert, die Beweise gegen Coke seien durch illegales Abhören von Mobiltelefonaten zustande gekommen. Britische Medien berichteten, Golding habe seine Haltung jedoch wegen des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung und aufkommender Fragen über mögliche Verbindungen des Regierungschefs zu Coke geändert.

Der wohltätige Chef des Verbrechersyndikats

Nach Polizeiangaben leitet Christopher "Dudus" Coke ein Verbrechersyndikat, das auch in der restlichen Karibik sowie in Nordamerika und in Großbritannien aktiv ist. Nach US-Angaben kommt ein großer Teil seines Reichtums aus dem Drogenhandel. Auch kämen viele der illegalen Waffen in Jamaika durch sein kriminelles Netzwerk ins Land.

Wie die jamaikanische Zeitung "Jamaica Gleaner" berichtet, gilt er aber für viele Jamaikaner als Wohltäter, weil er ihren Kindern den Schulbesuch ermögliche, Nahrungsmittel kaufe und Streitigkeiten schlichte. Schon vor einer Woche hatten Hunderte von Jamaikanern bei einer Demonstration Coke ihre Unterstützung bekundet.

Autor: Herbert Peckmann (dpa, apn, rtr, afp)
Redaktion: Ursula Kissel