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Gipfel der gegensätzlichen Positionen

Bernd Riegert12. Dezember 2003

Die Staats- und Regierungschefs der bald 25 EU-Staaten in Brüssel die Verhandlungen über die künftige EU-Verfassung offiziell aufgenommen. Hauptstreitpunkt ist weiterhin die künftige Machtverteilung in der EU.

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Die EU soll schöner werden ...Bild: AP


Dabei stehen sich Frankreich und Deutschland auf der einen Seite sowie Polen und Spanien auf der anderen Seite gegenüber. Polen und Spanien wollen an dem in Nizza vereinbarten Abstimmungsmodus festhalten, der ihnen Vorteile bei der Stimmenverteilung verschafft. Deutschland und Frankreich treten für die Einführung der doppelten Mehrheit ein, bei der die Größe der Bevölkerung eines Mitgliedslandes mit ins Gewicht fällt. Dies sei für die Regierung in Berlin Frage von zentraler Bedeutung, so Außenminister Joschka Fischer.

Am späten Freitag Nachmittag (12.12.) begannen die eigentlichen Beratungen in der Regierungskonferenz. Der italienische Ratsvorsitzende Silvio Berlusconi sagte, 92 der 100 umstrittenen Punkte der Verfassung seien einer Lösung nahe. Den ganzen Tag über hatte es bereits informelle Gespräche am Rande des Gipfeltreffens gegeben. Fortschritte in den Kernfragen, also beim Abstimmungsverfahren und bei der Größe der Kommission, waren nicht erkennbar.

Kleine Länder drängen auf Einigung

Deutschland tritt vehement für den Vorschlag des Konventes ein, eine doppelte Mehrheit bei Abstimmungen im Ministerrat einzuführen: 50 Prozent der Staaten und 60 Prozent der Bevölkerung in Europa. Polen und Spanien beharren auf dem Vertrag von Nizza aus dem Jahr 2000, der ihnen mehr Stimmengewicht einräumt. Der polnische Außenminister Wlodzimiercz Cimoszewicz forderte seine - so wörtlich - "deutschen Freunde" auf, mehr Entgegenkommen zu zeigen.

Außenminister Fischer hielt dem entgegen, Nizza fördere Blockademehrheiten und stehe der Handlungsfähigkeit der erweiterten Union entgegen. Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen sagte der Deutschen Welle, die kleinen Länder drängten auf eine Einigung: "Wir sind für den Vorschlag des Konvents, aber wir sind flexibel. Wir sind bereit, alles zu verhandeln. Aber wir konzentrieren uns auf eine Balance zwischen großen und kleinen Staaten."

Silvio Berlusconi, der italienische Ministerpräsident, der die Regierungskonferenz leitet, sprach sich wie Bundeskanzler Schröder dafür aus, die Verfassungsberatungen eher zu verschieben als eine schlechte Verfassung zu verabschieden. Berlusconi, der einen Kompromissvorschlag angekündigt hatte, ist inzwischen skeptischer. Man könne nichts Unmögliches von ihm verlangen.

Spätere Einführung des Abstimmungsverfahrens?

Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker wiederholte seinen Vorschlag, das Inkrafttreten eines neuen Abstimmungsverfahrens von 2009 auf 2014 zu verschieben, um Polen die Zustimmung zu erleichtern. Es wird spekuliert, dass der britische Premier Tony Blair zwischen den beiden Lagern vermitteln könnte, da Blair dem Abstimmungssystem nicht so viel Bedeutung beimisst:

Tony Blair in Brüssel EU Verfassung
Tony BlairBild: AP

Bei einem gemeinsamen Frühstück hatten Bundeskanzler Schröder und der französische Staatspräsident Jacques Chirac dem britischen Premier zugestanden, die aus Londoner Sicht nicht verhandelbaren Positionen durchzusetzen, nämlich die volle Souveränität der Nationalstaaten bei Steuer- und Verteidigungsfragen. Sollte eine Verfassung an diesem Wochenende nicht zustande kommen, würde die Regierungskonferenz im kommenden Jahr unter irischer EU-Präsidentschaft fortgesetzt. Der Termin für die Unterzeichnung der Verfassung unmittelbar nach dem Beitritt der zehn neuen Mitglieder Anfang Mai 2004 wäre dann allerdings nicht einzuhalten.