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Gläserner Passagier unterwegs nach Amerika

Bernd Riegert24. September 2003

Die europäisch-amerikanische Differenzen sind vielfältig - wie unter anderem auch beim Datenschutz von Flupassagieren zu beobachten.

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Zwei Welten prallten in Brüssel wieder einmal aufeinander: Die lässige amerikanische und die strikte europäische Sicht des Datenschutzes von Flugreisenden. Die USA sehen seit dem 11. September 2001 in jedem Fluggast, der auf amerikanischem Boden landet, offenbar einen potentiellen Terroristen. Die Heimatschutzbehörde versucht deshalb, so viele Daten wie möglich über Einreisende zu sammeln. Sie zwingt seit März europäische Fluggesellschaften unter Androhung von Strafen bis zu 6000 Dollar pro Passagier, alles, was der Carrier weiß, weiterzumelden.

In Europa hat diese Sammelwut in Fachkreisen scharfe Proteste ausgelöst. Den Flugreisenden selbst ist kaum bewusst, was da alles abgefragt und gespeichert wird. Von der Email-Adresse, über die Kreditkartennummer und den Gesundheitszustand bis zur Religionszugehörigkeit, insgesamt 39 Einzeldaten möchten die US-Behörden in Erfahrung bringen. Zusammen mit den Ein- und Ausreisedaten lässt sich so ein wunderbares Bewegungs- und Persönlichkeitsprofil des gläsernen Passagiers schaffen.

Die Datenschutz-Experten der Europäischen Union lehnen diese Art der Durchleuchtung ab und wollen die Zahl der Einzeldaten auf 20 reduzieren. Der zuständige EU-Kommissar Frits Bolkestein versuchte bei einem Gespräch mit dem stellvertretenden amerikanischen Sicherheitsminister, Asa Hutchinson, klar zu machen, dass europäische Fluglinien mit der erzwungenen Weitergabe der Daten bereits jetzt gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Hutchinson argumentiert, es gehe schließlich nur darum, Verbrecher ausfindig zu machen. Bei Sicherheitsfragen könne man keine Kompromisse eingehen. Die EU-Kommission besteht darauf, dass die Daten nur von den amerikanischen Zoll- und Einwanderungsbehörden genutzt werden, und das auch nur bei Verdacht auf terroristische Straftaten. Die USA sehen das anders. Sie möchten die Daten mit allen möglichen Behörden abgleichen und auch "normale" Verbrechen anhand dieser Erkenntnisse verfolgen. "Was ist falsch daran, wenn wir so einen Mörder fangen", fragte Asa Hutchinson in Brüssel.

Die EU verlangt weiter, dass Fluggäste die korrekte Speicherung und Verarbeitung ihrer Daten vor US-Gerichten überprüfen lassen können. Die USA kontern, sie hätten bereits in der Heimatschutzbehörde eine Beschwerdestelle eingerichtet. Das müsse reichen. In den wildesten Fantasien der europäischen Datenschützer könnten Reisende ohne Haftbefehl und ohne rechtliches Gehör quasi vom Flugsteig weg verhaftet werden. Diese Möglichkeit räume der gerade verabschiedete "US Patriot Act" ein.

Bis zum Jahresende wollen sich die Streithähne einigen. Danach droht das ganze auf die politische Ebene gehoben zu werden, das die vorsichtige Annährung zwischen den USA und zum Beispiel Deutschland empfindlich stören könnte. Obwohl Asa Hutchinson beschwichtigte, er habe gar kein Interesse daran, überflüssige Daten zu hamstern, bestand er zunächst darauf, die Daten 50 Jahre lang aufzubewahren. Wenigstens in diesem Punkt ließ er sich inzwischen auf sieben Jahre herunterhandeln. Die EU fordert aber höchstens drei Jahre Aufbewahrungsfrist. Die amerikanische Begründung für die Sieben-Jahres-Frist: Das sei genau der Abstand zwischen dem ersten und dem zweiten, fatalen Angriff auf das World Trade Center gewesen. Der nächste "Datengipfel" zwischen EU-Kommissar Bolkestein und Sicherheitsminister Hutchinson ist für Mitte Oktober in Washington angesetzt. Fortsetzung folgt.