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Berliner Reaktionen auf Ägypten

Bettina Marx25. Juni 2012

In Berlin hat man auf den Wahlsieg des Moslembruders Mohammed Mursi in Ägypten ohne Berührungsängste reagiert. Kanzlerin und Außenminister gratulierten. Doch Zweifel am Sieg der Demokratie bleiben.

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Das Bundeskanzleramt im Licht der Abendsonne an der Spree in Berlin. Foto: Wolfram Steinberg (Picture Alliance)
Bild: picture alliance/Wolfram Steinberg

Bundeskanzlerin Angela Merkel schickte dem neuen ägyptischen Präsidenten ein Glückwunschtelegramm. Darin gratulierte sie ihm zu seinem Sieg bei den ersten demokratischen Wahlen nach der Revolution. Ägypten stehe vor großen Herausforderungen, so Merkel. Dazu zähle insbesondere die Fortführung des demokratischen Wandels und die Förderung der nationalen Einheit. Außerdem gelte es, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes voranzubringen und den inneren und äußeren Frieden zu garantieren.

Glückwünsche und Skepsis in Berlin

Zuvor hatte schon Bundesaußenminister Guido Westerwelle dem neuen Mann an der Spitze Ägyptens gratuliert. Das Land am Nil habe nun zum ersten Mal ein demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt. Gleichwohl sei der Weg zu echten demokratischen Verhältnissen in Ägypten noch weit. Westerwelle forderte den Militärrat auf, "zügig einen glaubwürdigen Prozess hin zur Übergabe der Macht in demokratisch gewählte zivile Hände aufzuzeigen."

Am Rand des Außenministerrats in Brüssel fügte der Bundesaußenminister am Montag (25.06.2012) hinzu: "Wir vertrauen darauf, dass der neue ägyptische Präsident natürlich auch den Weg in Richtung Demokratie und Pluralität fortsetzen wird. Entscheidend ist aber auch, dass sich die neue Regierung zum inneren und äußeren Frieden bekennt. Das ist sehr wichtig für uns Europäer."

Mohammed Mursi Foto: Ahmed Jadallah
Mohammed Mursi: Ägyptens erster demokratisch gewählter PräsidentBild: Reuters

Zurückhaltender äußerte sich der außenpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Rainer Stinner. Die Präsidentschaftswahl sei von den internationalen Beobachtern als weitgehend frei und fair beurteilt worden, erklärte er. "Deshalb müssen und wollen wir das Ergebnis als Entscheidung der ägyptischen Bürgerinnen und Bürger anerkennen". Zu einer funktionierenden Demokratie gehöre aber mehr als nur die Abhaltung von Wahlen. Die gewählten Institutionen müssten auch über reale Macht verfügen. Dies sei aber derzeit nicht der Fall. Außerdem bestünden große Zweifel, ob der Militärrat ernsthaft gewillt sei, seine Herrschaft abzugeben.

Der regierende Oberste Militärrat, der nach dem Sturz Mubaraks die Führung des Landes übernomen hatte, schränkte noch während der Stichwahl zum Präsidenten die Befugnisse des Staatsoberhaupts deutlich ein. Im In- und Ausland löste dies Besorgnis über den zukünftigen Weg Ägyptens aus.

Auch mit der Hamas sprechen

Der Linken-Abgeordnete Wolfgang Gehrcke forderte den neuen ägyptischen Präsidenten auf, seine Zusagen für religiöse Toleranz einzuhalten. Dies müsse nicht nur für die religiösen Minderheiten in Ägypten, sondern auch für die säkularen Gruppen gelten. Er begrüße es, so Gehrcke weiter, dass Mursi auf den Iran zugehen wolle und Ägypten als Brücke zum Iran und gegen eine weitere Zuspitzung in der Atomdebatte verstehe.

Der Linken-Politiker unterstrich, dass der Wahlkampf der Muslimbrüderschaft die Unterstützung der USA und Saudi-Arabiens gefunden habe. Was früher als schwerer Tabubruch gegolten habe, sei mittlerweile Standard: die Anerkennung der Muslimbrüder als bestimmende politische Kraft in den arabischen Ländern und in Nordafrika. Vor diesem Hintergrund könne auch die Ausgrenzung der Hamas nicht länger Bestand haben.

Anhänger von Mohammed Mursi feiern den Wahlsieg ihres Kandidaten auf dem Tahrir-Platz in Kairo Foto: Ahmed Jadallah
Jubel in Kairo: Mursi-Anhänger feiern den WahlsiegBild: Reuters

Als die Hamas vor sechs Jahren in den besetzten palästinensischen Gebieten die Wahlen gewann, gab es keine Glückwunschschreiben aus Berlin. Stattdessen wurde die islamische Widerstandsbewegung von der Bundesregierung und ihren Partnern in der Europäischen Union mit scharfen Forderungen konfrontiert. Alle offiziellen Kontakte mit der palästinensischen Autonomiebehörde wurden abgebrochen und erst wieder aufgenommen, als die Einheitsregierung aus Hamas und Fatah gescheitert war und die Trennung zwischen dem Gazastreifen und dem Westjordanland vollzogen war. In Ramallah regiert seither eine nicht gewählte Übergangsregierung unter dem Wirtschaftswissenschaftler Salam Fayad, die von Deutschland unterstützt wird.