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Rettung für die Mangroven

Ruby Russell / ke2. Juni 2015

Jahrzehntelang wurden Mangrovenwälder vernichtet, um Platz für Garnelenfarmen zu schaffen. Bislang schienen Setzlinge die Lösung zu sein, um die Küstenwälder zu retten. Aber die Pflanzen helfen sich am besten selbst.

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grüne Nypa-Palmen an einem Küstenstreifen (Foto: Qaalvin/CC BY-SA 3.0 https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nipa_palms.jpg)
Nypa-Palmen sind Teil von Mangrovenwäldern, sie gedeihen auf weichem Schlamm.Bild: Qaalvin/CC BY-SA 3.0

Roy Lewis hat sein Handwerk in den Feuchtgebieten Floridas gelernt. Seit Jahrzehnten versucht er dort, zerstörte Mangrovenwälder wiederzubeleben. Die Aufgabe schien in den frühen 90er-Jahren beinahe unmöglich, weil immer größere Garnelenfarmen die Küstenwälder zerstörten. Versuche, die Mangroven zurückzubringen, auch finanziert durch die Garnelenindustrie selbst, #link:http://www.mangroverestoration.com/index.html:verliefen oft im Sande#. Sie versprachen mehr, als sie halten konnten. Wohl auch, weil die Rettungsansätze nicht die richtigen waren.

“Ich habe die gleichen Experimente gemacht, wie viele andere Leute auch”, sagt Lewis. Seine Methode der Ecological Mangrove Restoration (EMR) wird inzwischen auch in ganz Südostasien angewendet. “Vor mehr als 40 Jahren steckte ich auch Mangrovenkeimlinge in den Boden und musste zusehen, wie sie abstarben. Es war offensichtlich, dass es einen besseren Ansatz geben musste.”

Zu Mangroven zählen Bäume und Büsche aus circa 15 unterschiedlichen Pflanzenfamilien. Sie alle sind in tropischen Regionen heimisch und haben sich an ein Leben mit den Gezeiten der Meere angepasst. Sie wurzeln direkt am Übergang zwischen Meer und Land und bieten so jungen Fischen genauso eine Kinderstube, wie Vogelarten einen Rückzugsort.

Wie bedeutsam die Pflanzen sind, ist in den vergangenen Jahren immer mehr ins Bewusstsein gerückt. Nicht nur in Bezug auf Arten- und Küstenschutz, sondern auch in ihrer Funktion als Kohlenstoff-Speicher.

Plündern und weiterziehen


Doch Bewusstsein bedeutet nicht unbedingt auch eine Bereitschaft zum Handeln. Etwa die Hälfte der Mangroven weltweit könnten zerstört sein, schätzt Alfredo Quarto vom “Mangrove Restoration Project.” Jedes Jahr würden weitere 150.000 Hektar verschwinden.

Der größte Übeltäter dabei sind Garnelenfarmen. Sie haben zahlose Ökosysteme entlang der Küsten Süd- und Südostasiens und in Mittelamerika verwüstet, angetrieben durch die immer stärkere Nachfrage nach den Schalentieren in Europa, den USA und Japan.

“Die Farmen sind oft nur knapp zwei Jahre in Betrieb", sagt Quarto. "Danach schließen sie wegen Krankheiten und Verschmutzung wieder.” Er beschreibt das Geschäftsmodell als “plündern und weiterziehen”. “Entweder gehen die Farmen pleite oder sie haben genug Geld, um an einem neuen Ort weiterzumachen - und hinterlassen überall nichts als Verwüstung.”

Eine halbe Million Hektar Fläche, die früher Aquakulturen für Garnelen waren, würden heute nicht mehr genutzt, schätzt der EMR-Entwickler Lewis.

Umweltschützer sehen sich also mehreren Herausforderungen gegenüber. Seine Methode kann eine Lösung sein, davon ist Lewis überzeugt. Die Pflanzen brauchen perfekte Bedingungen um zu gedeihen, dann können sie sich sogar selbst helfen: "Man muss sich die Topografie genau ansehen, auf die Mengen des fließenden Wassers achten und den Austausch durch die Gezeiten”, so Lewis. “Keimlinge zu pflanzen ist oft gar nicht nötig. Mangroven produzieren Millionen von Keimlingen pro Jahr. Wenn man seine Hausaufgaben macht und die richtigen Bedingungen wieder herstellt, kommen die Keimlinge von selbst.”

Luxusexporte auf Kosten der Ernährungssicherheit

Neben der Vielzahl ihrer ökologischer Funktionen, profitieren auch die Gemeinden vor Ort von intakten Mangroven. Ihr Verlust kann einen negativen Dominoeffekt in Gang setzen: Neben einem Verlust der Fischbestände, bedroht auch einsickerndes Salzwasser das Grundwasser. Viele Pflanzen vertragen den Salzgehalt nicht, sie sterben ab und reduzieren somit das Weideland vor Ort. Das hat direkten Einfluß auf die Viehzucht. Laut Quarto müsse mancherorts Süßwasser mit Lastwagen angeliefert werden.

"Die Ernährungssicherheit in den USA, in Europa und in Japan ist hoch. Ganz anders sieht es in den produzierenden Ländern, also Thailand, Indien oder Bangladesch aus. Und trotzdem werden 95 Prozent der Shrimps, die in diesen Ländern produziert werden, exportiert”, sagt Quarto. “Gebiete mit Farmen sorgen für Ernährungsunsicherheit in Ländern, die sie nicht brauchen. ”

Die sozialen und kulturellen Folgen durch die Zerstörung von Mangroven sind ebenfalls enorm. So gehen beispielsweise alte Fischerei- und Landwirtschaftstraditionen verloren. Deshalb, sagen die Umweltschützer des #link:http://mangroveactionproject.org/:“Mangrove Action Project” (MAP)#, sei es entscheidend, mit den Menschen zusammenzuarbeiten, deren Überleben von den Mangroven abhängt.

Die Menschen vor Ort einbeziehen

Jim Enright leitet das Asienbüro des MAP. Er sagt, dass einer der Gründe für das Scheitern von Aufforstungsprojekten das Ausklammern der betroffenen Gemeinden sei: "Wenn sie die örtliche Bevölkerung überhaupt mit einbeziehen, dann nur, um beim Pflanzen zu helfen. Mit der Planung haben sie nicht zu tun.”

Enright arbeitet vor allem in Thailand. MAP ist hier an mehreren Aufforstungsprojekten beteiligt, bei denen die Bevölkerung in der EMR-Methodik ausgebildet wird. Die Menschen erhalten außerdem einen Mindestlohn für ihre Arbeit an der Rettung der Wassersysteme. Die Gemeinden spielen außerdem bei der Erhebung von Daten, bei deren Überwachung, Planung und Bewertung eine Rolle.

Der nächste Schritt seien Exkursionen, ist sich das MAP sicher. Neue Projektteilnehmer besuchen bereits etablierte Standorte. “Wenn verschiedene Gemeinden miteinander reden, können sie Informationen viel effektiv austauschen”, so Enright.

erodierter Boden (Foto: MangroveActionProject / CC BY-NC-SA 2.0 https://www.flickr.com/photos/mangrove_action/2354690931/)
Die Zerstörung von Mangroven hat auch Auswirkungen auf Fischerei und LandwirtschaftBild: MangroveActionProject / CC BY-NC-SA 2.0
Zwei Männer pflanzen Mangroven (Foto: MangroveActionProject / CC BY-NC-SA 2.0 https://www.flickr.com/photos/seminarsonscience/3639568430/in/photolist-4A5w1c-4A5tMg-4A5spc-4A5sFv-4A5tfv-4A5pzv-4A9KsG-4A9GZ3-4A5rEk-4A5rK6-4A9JaA-4A5rAi-4A9HVu-4A5wiF-4A5u1X-4A5ws8-4A5sKB-4A5vtH-4A9HFs-4A5sdV-4A9J2E-4A9JZG-4A5tHZ-4A5tAR-4A9HRf-4A5pRK-4A5wdB-4A9EDN-4A9HDh-4A9La3-4A5rSc-4A5r9M-4A9G7s-4A9Fy7-4A9FTf-4A5qYB-4A5qUt-4A5qBa-4A9G3Y-4A9FKA-4A9FPf-4A9KQj-qRiyUC-hBiRVd-6xxAo6-6xxAhH-3TzwP1-6xBJTQ-6xBK1j-6xBK9s)
Mangroven produzieren selbst Millionen von Keimlingen pro Jahr. Wenn die Bedingungen stimmen.Bild: AMNH Seminars on Science/Mangrove Action Project/ CC BY-NC-SA 2.0
ein lehmiger Küstenbereich ohne Bewuchs (Foto: Joanna Gottschalk/DW)
Shrimpfarmen, die wegen großer Nachfrage nach den Schalentieren entstehen, sind die größten Verursacher von Mangrovenzerstörung.Bild: Joanna Gottschalk