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Kunst gegen Gewalt

Carla Bleiker15. Juni 2016

Bei der internationalen Medienkonferenz erzählen Künstler aus dem Nahen Osten und Deutschland, wie sie mit Rap oder Satire die Gesellschaft verändern.

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GMF 2016: Ammar Abo Bakr (Foto: DW/M. Müller)
Bild: DW / M. Müller

Unzählige Menschen sind in Kriegen und durch gewalttätige Regimes in Syrien, Irak und Ägypten gestorben. In Deutschland steht die Bevölkerung den Flüchtlingen aus diesen Ländern zunehmend feindselig gegenüber. In diesen schweren Zeiten gibt es aber auch Lichtblicke. Einer davon ist die Kunst.

Sei es klassische Musik, die Straßenkinder für einige Momente vom Krieg ablenkt, eine Satiresendung ohne Respekt vor inkompetenten Regierungsmitgliedern oder Rapsongs gegen Rassismus - all diese Kunstformen geben den Menschen Hoffnung.

"Wir alle hoffen auf Frieden in unseren Ländern", sagt der ägyptische Künstler und Wandmaler Ammar Abo Bakr bei einer Diskussion über Kultur in Krisenzeiten während Global Media Forums (GMF) der DW in Bonn. "Kunst ist dafür wichtig."

Veränderung durch Satire

Abo Bakr begann während des Arabischen Frühlings 2011, seine Kunstwerke auf Mauern in ganz Kairo zu malen und zu sprayen. "Er berichtete auf den Wänden der Stadt über die Revolution", beschreibt Kate Müser, Kulturredakteurin der DW und Moderatorin der Diskussion, seine Arbeit.

Die Bürger über aktuelle Ereignisse zu informieren, obwohl die Regierung sie lieber als unwissende Lemminge sähe - das ist ein Ziel, das Kunst in einem schwierigen Umfeld erreichen kann. Der Satiriker Ahmed al-Basheer, der seinen Vater und andere nahestehende Menschen im Irakkrieg verlor, klärt mit seiner Satiresendung im Fernsehen die Zuschauer über die Machenschaften der Regierung auf. Anfangs sei es allerdings nicht leicht gewesen, das irakische Publikum für eine solch bissige Sendung zu begeistern: "Wenn du dich über den irakischen Premierminister lustig machst, machst du dich über den Irak lustig, war eine der Reaktionen", erklärt al-Basheer während der GMF-Veranstaltung.

Ammar Abo Bakr Künstler Streetart Kairo Ägypten (Foto: Picture-alliance/dpa/G. Mayer)
Streetart von Ammar Abo Bakr auf einer Hauswand in KairoBild: picture-alliance/dpa/G.Mayer

Der Wendepunkt sei gekommen, als seine Zuschauer merkten, dass sie ihm vertrauen können - und dass die Sendung tatsächlich etwas bewirkte. Einige Politiker änderten ihr Verhalten, weil sie nicht zur Zielscheibe des Spotts in der Sendung werden wollten, so al-Basheer. Wenn man sich über einen irakischen Politiker lustig mache, sei das für ihn "schmerzhafter, als wenn man sie ins Gesicht schlägt", sagt der Satiriker.

"Vielleicht komme ich nicht zurück"

Pianist Aeham Ahmed versuchte, sein Publikum von den Schrecken des Krieges abzulenken. Der palästinensische Flüchtling spielte jahrelang Klavier auf den Straßen Syriens. Er mischte Klassik von Komponisten wie Rachmaninoff mit syrischen Volksliedern, während um ihn herum die Welt unterging.

"Wenn ich in Syrien aus dem Haus ging, sagte ich meiner Frau, ich würde vielleicht nicht zurückkommen", erinnert sich Ahmed. "Aber ich sagte ihr, ich würde gutes tun und nicht kämpfen würde."

Es sei schön, etwas für die Kinder dort getan zu haben. "Sie haben gelacht", erzählt Ahmed unter dem Applaus des Publikums. "Ich muss keine Revolution auslösen, ich spiele einfach Klavier und sehe Kinder lächeln."

Tasten statt Worte: Aeham Ahmad im Interview

Irgendwann wurden der Horror und die Bomben zu viel und Ahmed wurde erneut zum Flüchtling. Er kam nach Deutschland und spielt nun für die Menschen hier Klavier. In seiner neuen Heimat fallen keine Bomben vom Himmel. Dafür muss sich Ahmed hier mit einer ganz eigenen "Kunstform" herumschlagen: der deutschen Demokratie. Bis jetzt hat es Ahmed noch nicht geschafft, seine Frau nach Deutschland nachzuholen. Dafür schäme er sich.

Rap gegen Rassismus

Die deutschen Rapper Samy Deluxe und Fetsum nutzen ihre Musik auch als Sprachrohr gegen Rassismus, der Flüchtlingen wie Ahmed entgegenschlägt, wenn sie nach Deutschland kommen. "Musik ist perfekt dafür, Brücken zu bauen", sagt Fetsum bei der Podiumsdiskussion.

Deluxe, dessen Vater aus dem Sudan kommt, erzählte, er sei als Kind und Jugendlicher gnadenlos gehänselt worden und habe Diskriminierung erfahren, weil er anders aussah als seine weißen Mitschüler.

GMF Panel 50 How art and culture can foster... Samy Deluxe (Foto: DW/K. Danetzki)
Samy Deluxe rappt gegen DiskriminierungBild: DW/K. Danetzki

Heute hilft er Jugendlichen mit Problemen, indem er Schulen besucht und Hip-Hop-Workshops anbietet. Mit seinen Texten und Talkshow-Auftritten versucht er außerdem, der wachsenden Fremdenfeindlichkeit Einhalt zu bieten, die von Parteien wie der Alternative für Deutschland (AfD) ausgeht. "Die Leute fragen, ob ich von der AfD geschockt bin", sagt Deluxe. "Aber das ist doch nichts Neues. So verhalten sich Leute, wenn sie Angst haben."

Frauenmangel

Die Diskussion auf dem GMF-Podium zeigt zwar, wie verschiedene Kunstformen die Gesellschaft beeinflussen können. Ein wichtige Perspektive, habe aber aus Sicht einiger Zuschauer gefehlt: Warum saß keine einzige weibliche Künstlerin auf dem Podium?

"Es ist 2016, da sollten wir diese Diskussion nicht ohne Frauen führen", sagte die kenianische Journalistin Wanjiku Mwaura, die seit Februar in Bonn wohnt. Für sie sei die Rolle von Frauen in der Geschichte schon viel zu oft ignoriert worden. Im Anschluss an die Veranstaltung twitterte sie eine Liste mit Künstlerinnen aus dem arabischen Raum.

Falls die Organisatoren auf die Beschwerden hören, gibt es beim nächsten Global Media Forum also keine reinen Männerrunden mehr. Das wäre dann ein weiteres Beispiel dafür, wie kultureller Austausch eine Gesellschaft verändern kann.