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Politik

Russland und die globale Erwärmung

Elena Barysheva
11. November 2017

Gerade findet in Bonn die jährliche UN-Klimakonferenz statt. Wie steht es um den Kampf für den Klimaschutz in Russland? Experten klagen über massive Umweltprobleme und Aktivisten über staatlichen Druck.

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Russland Moskau
Bild: Reuters/M. Shemetov

Das Abkommen von Paris, beschlossen auf der UN-Klimakonferenz 2015, soll verhindern, dass die globale Durchschnittstemperatur bis 2050 um mehr als zwei Grad Celsius steigt. Mit Ausnahme der USA, die im Sommer 2017 aus dem wichtigsten Klima-Abkommen ausgestiegen sind, wollen 195 Länder die globale Erwärmung bekämpfen, darunter auch Russland.

Formal setzt Russland das Abkommen bereits um, sagt Alexej Kokorin vom World Wildlife Fund (WWF). Ihm zufolge gewährt Russland Entwicklungsländern Hilfsgelder und Präsident Wladimir Putin verspricht die Reduzierung von Treibhausgasen. "Aber das ist Teil der außenpolitischen Öffentlichkeitsarbeit. Das stoppt den Klimawandel nicht wirklich, auch wenn wir alle Versprechen halten", betont er. Russlands Wirtschaft werde noch bis 2030 eine der energieintensivsten weltweit bleiben.

Energiewandel und besserer Waldschutz nötig

Experten zufolge kann in Wirklichkeit nur mit einem Energiewandel und einem besseren Waldschutz Kohlendioxid in der Atmosphäre reduziert werden. Auch wenn in Russland die Wälder nur 20 Prozent der heutigen Emissionen ausgleichen würden, müsse man sich in erster Linie den Schutz der russischen Wälder vornehmen. "Drei Viertel der Wälder sollten frei von kommerziellem Holzschlag sein und in einem Viertel sollte gefällt werden dürfen. Aber es müsste eine effizientere Forstwirtschaft betrieben werden", fordert Kokorin.

Aufforstung ist in Russland ein sehr beliebtes Umweltthema. Schulkinder, Fußballer, Büroangestellte, Abgeordnete und sogar Putin pflanzen Bäume. Das staatliche Umwelt-Programm 2017 sieht sogar die Bewaldung von 800.000 Hektar vor. "Ausgleichspflanzungen sind nicht schlecht. Aber Bäume werden nicht nur gegen die Klimaerwärmung gepflanzt. Ein neuer Baum wächst 50 bis 70 Jahre", unterstrich Kokorin. Daher sei es wichtig, auch die alten Wälder zu erhalten.

Riesige Waldflächen fallen Feuer zum Opfer

Michail Krejndlin
Michail KreindlinBild: Sergej Morozow

Russlands alte Wälder sind nicht nur durch massive Abholzung bedroht, sondern auch durch Brände. Allein in den letzten 15 Jahren verlor Russland fast 45 Millionen Hektar Wald - weltweit ein absoluter Negativrekord. "Über 90 Prozent aller Brände sind auf menschliches Verschulden zurückzuführen", sagt der Experte von Greenpeace Russland, Michail Kreindlin. In diesem Jahr seien schon acht Millionen Hektar abgebrannt. Und im Jahr 2012, dem schlimmsten für Sibirien, seien es zwischen 13 und 17 Millionen Hektar gewesen - ein Gebiet, fast halb so groß wie Deutschland.

"Die Behörden schönen die Brandstatistik. Manchmal werden Daten tausendfach untertrieben", beklagt Kreindlin. Die Folge sei, dass weniger Mittel für die Feuerbekämpfung bereitgestellt würden als nötig. Außerdem, so der Experte, habe Russland 2015 die Bestimmungen für das Löschen von Bränden geändert. Demnach können in den Regionen des Landes Beamte einfach Zonen festlegen, die aus ihrer Sicht für die Bevölkerung keine Gefahr darstellen und wo Brände gar nicht gelöscht werden müssen.

Laut Kreindlin gibt es einen Zusammenhang zwischen den Bränden und den Abholzungen. Wälder, in denen Bäume gefällt würden, würden häufiger brennen. Dies sei beispielsweise in den Regionen Transbaikalien, Irkutsk und Krasnojarsk zu beobachten, aber auch massiv an der langen Grenze zu China. So habe Peking in seinen nördlichen Regionen die Holzernte praktisch verboten. Doch Holz aus Russland nehme China ab.

Russland Waldbrände in der autonomen Republik Tuwa in Sibiren
Waldbrände in der autonomen Republik Tuwa in SibirenBild: picture-alliance/ RIA Novosti

Schwieriger Kampf für den Umweltschutz

Nach Angaben von Greenpeace gibt es in Russland rund 300 ausgebildete Freiwillige, die regelmäßig Brände in Naturschutzgebieten löschen. Während diese Aktivisten vom Katastrophenschutz-Ministerium prinzipiell unterstützt werden, macht der Staat es Umweltschützern schwer, Massenkundgebungen abzuhalten. "Das Demonstrationsrecht ist verschärft worden", sagt Kreindlin und fügt hinzu: "Aber wir sammeln Unterschriften gegen so schwere Umweltverstöße wie die Verlegung der Nord Stream-2 Gasleitung durch das Kurgalsky-Naturschutzgebiet am Finnischen Meerbusen, wo wertvoller Wald zerstört wird."

Heute gibt es in Russland keine Aktionen zum Schutz von Wäldern, die mit der um den Chimki-Wald in den Jahren 2007 bis 2012 vergleichbar wären. Jaroslaw Nikitenko beteiligte sich damals an den Protesten gegen den Bau einer Autobahn durch jenen Wald nördlich von Moskau. Er glaubt, dass die staatliche Propaganda die Menschen davon abhält, sich für die Umwelt einzusetzen. "Das Fernsehen vermittelt den Menschen: Wer sich in die staatliche Umweltpolitik einmischt, ist ein ausländischer Agent und Verräter", sagt der Aktivist.

"Als wir um den Chimki-Wald kämpften, konnte jeder auf die Baustelle kommen und Einsicht in die Dokumente verlangen", erinnert sich Nikitenko. Dies habe der Staat jedoch inzwischen verboten. Er passe die Naturschutzgesetze den Interessen der Bauherren an. "So war es am Baikalsee 2010, als der Oberste Gerichtshof einer Papierfabrik erlaubte, Abfälle einfach ins Wasser zu kippen, aber auch bei den Bauten für die Olympischen Spiele in Sotschi. Anstatt Bauprojekte in Einklang mit den Gesetzen zu bringen, werden einfach die Gesetze geändert", so Nikitenko.