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Globalisierung ist mehr als Wirtschaftspolitik

Klaus Feldkeller8. November 2002

Die Organisatoren des ersten Europäischen Sozialforums in Florenz wollen die Regierungen an ihre Verantwortung für eine gerechte Globalisierung in Sachen Menschenrechte, Ernährung, Gesundheit und Bildung erinnern.

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Florenz: Kulisse für die Proteste von Globalisierungsgegner auf dem 1. Europäischen Sozialforum in FlorenzBild: AP

Mit einer Vielzahl von Nicht-Regierungs-Organisationen, sozialen Bewegungen und Privatpersonen wollen die Globalisierungs-Kritiker den Geist des Weltsozialforums aus Porto Alegre zum Europäischen Sozialforum nach Florenz tragen. Unter dem Motto "Ein anderes Europa für eine andere Welt ist möglich" finden zahllose Konferenzen, Seminare und Workshops statt. Es wird diskutiert, debattiert, ausgetauscht und gestritten, um einen alternativen Weg zu einer anderen Welt zu entwickeln. Rund 3000 Teilnehmer aus Deutschland sind dabei. Für den deutschen Zweig des globalen Netzwerkes Attac sieht Hugo Braun folgende Gründe, warum die Protestbewegung einen grösseren Zulauf bekommt:

"Menschen, die eigentlich auch aus intellektuellen Berufen kommen, die auch auf die Strasse fliegen. Also dieser Globalisierungsprozess gebiert neue Opfer. Das ist die Grundvoraussetzung für die Breite einer neuen Bewegung an diesem Wirtschaftssystem, so wie es sich darstellt mit seinen Resultaten, wo immer noch jeden Tag 30 Tausend Kinder an Hunger oder vermeidbaren Krankheiten sterben. Dieser Globalisierungsprozess insgesamt steht zur Kritik – also eine Krise des Systems zeichnet sich da ab, das weit über die klassischen Krisen hinausgeht."

In Florenz wird auch gegen die globale Liberalisierung der Dienstleistungen von öffentlichen Gütern wie sauberes Wasser und Energie protestiert. Das General Agreement on Trade and Services ( kurz GATS) wurde vor sieben Jahren in das internationale Regelwerk aufgenommen. Das Abkommen hat zum Ziel, sämtliche Dienstleistungssektoren wie Elektrizitätswerke, Krankenhäuser und den öffentlichen Nahverkehr zu privatisieren und für den internationalen Wettbewerb zu öffnen. Bis 2005 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Die Kritiker beim Europäischen Sozialforum beklagen, dass das Abkommen weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird. Jens Loewe vom "Netzwerk weltweite Projekte" hat konkrete Vorstellungen:

"Was ich im ganz Speziellen erreichen möchte, ist, wie man per Bürgerentscheid den Ausverkauf des öffentlichen Eigentums in den Kommunen verhindern kann. Das Problem, was ich im Zusammenhang mit dem GATS-Abkommen sehe ist, das immer schneller das öffentliche Eigentum in unseren Städten verhökert wird, das Tafelsilber, also Wasser und Bildung und Busse und Bahn, Elektrizität. Und das macht mir Angst. Das ist für mich wie eine Unterwerfungsklausel, wenn wir unser ganzes öffentliches Eigentum verkaufen und wir möchten zusammen mit der Organisation "Mehr Demokratie" im Vorfeld mit Bürgerentscheiden vermeiden, dass ihre Kommune z. B. ihr Wasser verkauft."

Sicherheit wird in Florenz grossgeschrieben. Nach den gewaltsamen Ausschreitungen beim G-8-Treffen in Genua befürchtet die italienische Regierung erneut Krawalle. Ministerpräsident Silvio Berlusconi wollte deshalb das Treffen in Florenz noch vor wenigen Tagen verbieten lassen, doch der Florentiner Bürgermeister konnte sich mit dem Argument durchsetzen, dass die Vorbereitungen schon abgeschlossen und die ersten Globalisierungskritiker bereits eingetroffen seien.
Das historische Zentrum der Stadt wird bis zum Wochenende rund um die Uhr von rund 2.000 Polizisten, Soldaten und Agenten in Zivil bewacht. Auf zahlreichen Gebäuden wurden Videokameras installiert, die Plätze und wichtige Straßen kontrollieren sollen. 2 Mitarbeiter von Attac Deutschland wurden an der italienischen Grenze abgewiesen. Hugo Braun verwahrt sich gegen Vorwürfe, die Bewegung sei kriminell:

"Die Vorwürfe überraschen uns eigentlich, weil diese Bewegung als eine Diskussions-und Bildungsbewegung antritt. Die Zahl der Demonstrationen, die attac etwa in Deutschland abgehalten hat, lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen. Wir sind nicht diejenigen, die jetzt militante Aktionen im Vordergrund haben. Wir sind für zivilen Ungehorsam als ein Mittel der Mittel der Politik, etwa um in die Medien zu kommen. Wir möchten die mögliche Klientel, die Menschen mit Argumenten überzeugen – und nicht mit Steinwürfen."