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Glyphosat ist überall

25. Februar 2016

Der Bundestag hat sich für die weitere Nutzung des umstrittenen Pestizids Glyphosat in der EU ausgesprochen. Das Bundesamt für Risikobewertung sieht darin keine Gefahr. Nun wurde das Pflanzengift sogar im Bier entdeckt.

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Deutschland Oktoberfest in München 2015 (Foto: Reuters/M. Dalder)
Bild: Reuters/M. Dalder

Die Mehrzahl der Abgeordneten stimmten gegen den Antrag der Grünen-Fraktion, die eine "voreilige" Neuzulassung von Glyphosat durch die EU-Kommission stoppen wollte. Die Zulassung von Glyphosat in Europa läuft Ende Juni aus. Die EU-Kommission will die Zulassung des als potenziell krebserregend geltenden Pflanzengifts um 15 Jahre verlängern.

Glyphosat im Boden, Wasser und der Luft

Glyphosat ist das deutschland- und weltweit am meisten verkaufte Pestizid und wird sowohl in der Landwirtschaft als auch in privaten Gärten sehr häufig verwendet. Etwa 40 Prozent der Ackerfläche werde in Deutschland mit glyphosathaltigen Pflanzengiften behandelt, erklärten die Grünen mit Verweis auf Schätzungen des Julius-Kühn-Instituts. Es befinde sich nicht nur im Boden, sondern auch im Wasser und in der Luft und gefährde die biologische Vielfalt in Deutschland.

Die EU-Kommissionplädiert für eine Verlängerung der Zulassung bis zum Jahr 2031. Aus der EU-Kommissionhieß es, die Behörde greife Bedenken der EU-Lebensmittelsicherheitsbehörde Efsa auf. Diese habe Besorgnis bezüglich bestimmter Zusatzstoffe angemeldet, die gemeinsam mit Glyphosatzum Einsatz kommen können. Generell habe die Behörde die EU-Staaten dazu aufgefordert, mögliche weitere problematische Beistoffe in Pflanzenschutzmitteln zu benennen. Mitarbeiter der Kommissionerinnerten zudem daran, dass es bei den EU-Staaten liegt, über die Zulassung fertiger Pflanzenschutzmittel mit Glyphosatals Inhaltsstoff zu entscheiden.

Glyphosat-Rückstände in Biersorten

Deutschland München Umweltinstitut testet 14 Biere auf Glyphosat (Foto: Samuel Schlagintweit)
14 der meitgekauften Biersorten im Glyphosat-TestBild: Samuel Schlagintweit

Das umstrittene Pestizid lässt sich sogar im Bier nachweisen. Bei einem Stichprobentest von Bieren hat das Umweltinstitut München in allen Fällen Spuren von Glyphosat gefunden. Demnach kaufte das Institut kürzlich Flaschen der 14 am häufigsten verkauften Biere in Supermärkten und ließ sie untersuchen. Dabei fanden sich stark schwankende Mengen von Glyphosat-Rückständen von 0,5 bis 29,77 Mikrogramm je Liter. Das Institut wies zugleich darauf hin, dass der allgemeine Grenzwert für Pflanzenschutzmittel in Trinkwasser in der EU bei 0,1 Mikrogramm je Liter liegt. Das Problem: Einen Grenzwert für den erlaubten Glyphosat-Gehalt in Bier gibt es nicht.

Zufällig gewählte Produktproben

Die private Münchner Umweltschutzvereinigung erklärte, ihr Test fuße auf einer kleinen Zahl zufällig ausgewählter Produktproben. "Die hier veröffentlichten Werte geben daher lediglich die Belastung der jeweils untersuchten Charge wieder und erlauben keine generelle Aussage über die Belastung des Bieres einer bestimmten Marke", teilte das Umweltinstitut mit.

"In absoluten Zahlen sind die Mengen klein", hieß es in der Veröffentlichung. "Doch bei krebserregenden und hormonwirksamen Stoffen gibt es keine Untergrenze, unter der sie sicher sind." Das Glyphosat in Bieren trage zur Gesamtbelastung mit dem Stoff bei.

Das für die Einschätzung von Gesundheitsgefahren zuständige staatliche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erklärte in einer ersten Stellungnahme, der Nachweis von Glyphosat-Rückständen in Bier sei aufgrund der zugelassenen Anwendung im Getreideanbau "grundsätzlich" zu erwarten und stelle in den genannten Mengen "nach dem derzeitigen Stand des Wissens" keine Gesundheitsgefahr für erwachsene Menschen dar.

Tausend Liter Bier könnten gefährlich werden

Bezogen auf den höchsten von dem Institut gemessenen Rückstand von etwa 30 Mikrogramm je Liter Bier erklärte das BfR: "Um gesundheitlich bedenkliche Mengen von Glyphosat aufzunehmen, müsste ein Erwachsener an einem Tag rund 1000 Liter Bier trinken."

Den Schlussfolgerungen der Umweltschützer zufolge dürfte das Glyphosat über Weizen und Gerste in Bier gelangen. Im konventionellen Getreideanbau werde es "in großen Mengen" eingesetzt. Das Umweltinstitut forderte die Brauereien auf, ihre Zutaten zu untersuchen.

Der Deutsche Bauernverband erklärte, etwa die Hälfte der in Deutschland verarbeiteten Braugerste stamme aus Importländern, "in denen weniger strenge Anwendungsbestimmungen" für Glyphosat gelten. In Deutschland sei Glyphosat zur Vorerntebehandlung bei Braugerste nicht zugelassen. Auch bei Hopfen finde Glyphosat hierzulande keine Anwendung. Der Deutsche Brauer-Bund hat die Studie zu Glyphosat in Bier als nicht glaubwürdig bezeichnet. Der Vorwurf des Umweltinstitutes, die Brauereien würden ihre Rohstoffe nicht ausreichend kontrollieren, sei "absurd und völlig haltlos", teilten die Brauer mit. Die Brauereien in Deutschland betrieben einen hohen Aufwand, um die vier natürlichen Rohstoffe Wasser, Malz, Hopfen und Hefe, die nach dem Reinheitsgebot zum Brauen verwendet werden, auf mögliche Schadstoffe zu kontrollieren. Daneben gebe es staatliche Kontrollen und weitere Eigenkontrollen der Brauereien, die dafür Sorge trügen, dass keine Schadstoffe Eingang in die Produktion finden.

Zwischen "hochgiftig" und "unbedenklich"

Sarah Wiener (Foto: Christian Kaufmann)
Bild: Christian Kaufmann

Umweltschützer halten den Stoff für hochgiftig und fordern seit Jahren ein Verbot. Während die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO das Mittel als "wahrscheinlich krebserregend" einstuft, kamen Aufsichtsbehörden in Deutschland und der EU zum gegenteiligen Schluss.

Die Fernsehköchin und überzeugte Bio-Aktivistin Sarah Wiener hält einen Schutz vor Pestiziden in der Nahrung für nahezu unmöglich. "Ich lebe so gut wie möglich ökologisch und kaufe nur Bio-Lebensmittel. Selbst ich habe bei einem Test Glyphosat in meinem Urin festgestellt", sagte Wiener in Berlin. "Wir können uns offensichtlich nicht mehr dagegen wehren. Es wird überall gespritzt, ob auf Bahndämmen, in privaten Gärtnereien oder in der Lebensmittelproduktion."

pab/rb (afpd, dpa)