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Golfstaaten ohne Flüchtlingskonzept

Juma Alaa/go2. Mai 2015

Die Kriege in Syrien, im Irak, im Jemen und in Libyen gehen unvermindert weiter. Doch die Golfstaaten suchen sich die Flüchtlinge, die sie aufnehmen, sehr genau aus. Ein Kriterium ist dabei offenbar das Bankkonto.

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Treffen des Kooperationsrats der Arabischen Staaten des Golfes in einem Konferenzraum in Riad (Foto: AFP/Getty Images/F. Nureldine)
Treffen der sechs Mitglieder des "Kooperationsrat der Arabischen Staaten des Golfes" (Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate) in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad im März 2015Bild: AFP/Getty Images/F. Nureldine

Viele arabische Regierungen stehen in der Kritik. Denn es gibt keine klare Politik zur Aufnahme von Flüchtlingen. Da es oft keine Aussicht auf ein würdiges Leben in der Region gibt, treibt es die Flüchtlinge auf den europäischen Kontinent. Nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen fand der größte Teil der syrischen Flüchtlinge zwar Aufnahme in den Nachbarstaaten Jordanien und Libanon - beides Länder mit schwieriger Wirtschaftslage. Auch die Türkei hat Hunderttausende syrischer Flüchtlinge aufgenommen. Doch die wohlhabenden arabischen Staaten, insbesondere die am Golf, halten sich auffallend zurück.

Der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel forderte während seiner Reise durch die Golfregion im März die arabischen Golfstaaten auf, den Millionen von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak auf ihrem Staatsgebiet bessere Lebensbedingungen zu bieten. Dies wirft ein Schlaglicht darauf, wie sehr die europäischen Staaten darauf hoffen, die Golfländer würden eine größere Rolle bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise spielen.

Sigmar Gabriel mit dem König und Premierminister von Saudi-Arabien Salman bin Abdelasis al-Saud.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (r.) traf König Salman bin Abdelasis al-Saud im MärzBild: picture-alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Zurückhaltung am Golf

Der saudische Journalist und Analyst Sulaiman al-Uqaili räumt im Gespräch mit der Deutschen Welle ein, dass die Golfstaaten "im Vergleich mit Jordanien und Libanon nur wenige Flüchtlinge aufgenommen" hätten. Das bedeute aber nicht, dass sie gar nicht geholfen hätten. Die Regierungen am Golf, so Al-Uqaili, hätten schließlich "Milliarden von Dollar" zur Unterstützung arabischer Flüchtlinge an andere Staaten gezahlt. Zudem habe es eine Vielzahl von Konferenzen für Hilfszahlungen an syrische Flüchtlinge gegeben, zuletzt im März dieses Jahres in Kuwait.

Aber trotz der Zusagen von 3,8 Milliarden Dollar zur Linderung der Not der syrischen Flüchtlinge auf der Kuwaiter Konferenz, bietet kein einziger Golfstaat an, Flüchtlinge auf eigenem Boden aufzunehmen. Auch die Arabische Liga begnügt sich damit, die Spendenfreudigkeit der Ölstaaten zu loben, insbesondere die von Kuwait, das eine halbe Milliarde gespendet hat. Aber die Notwendigkeit eines gemeinsamen arabischen Konzepts oder eines obligatorischen Mechanismus zur Verteilung der Flüchtlingslast spricht auch sie nicht an.

Angst vor Konflikt-Import?

Über eine Million Syrer sind laut UNHCR allein in den Libanon geflüchtet. Somit ist der Libanon das Land der Erde, das gemessen an der Bevölkerungszahl, die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Al-Uqaili glaubt, die Verschlossenheit der Golfländer gegenüber Flüchtlingen habe mit der "Furcht vor einem Import der Krise" zu tun. Die arabische Welt erlebe gewaltige Umwälzungen, dass man am Golf Angst habe, die Konflikte könnten sich auf eigenem Boden fortsetzen.

Mütter und Kinder schauen aus ihrem Flüchtlingszelt. (Foto: Zakira/UNICEF)
Der Libanon hat die meisten syrischen Flüchtlinge aufgenommenBild: Zakira/UNICEF

Der Ägypter Mutazz Salama vom Al-Ahram-Zentrum für Strategische Studien in Kairo erklärt im Gespräch mit der DW, dass die Golfpolitik gegenüber Flüchtlingen ihre heutige Form angenommen habe, als in den Vereinigten Arabischen Emiraten im Februar 2012 einige Syrer gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad demonstrierten. Die Behörden entzogen den Betroffenen daraufhin die Aufenthaltsberechtigung und schoben sie ab. Viele Nichtregierungsorganisationen kritisierten das Vorgehen, allen voran Human Rights Watch.

Investoren ja, Flüchtlinge nein

Trotz der Aufrufe der Vereinten Nationen an die Regierungen der Region, Flüchtlingen aus Syrien und anderen arabischen Ländern eine sichere Bleibe zu gewähren, lehnen die Golfmonarchien die weitere Aufnahme von Vertriebenen ab.

Doch die Tür bleibt nicht für alle Flüchtlinge verschlossen: Beobachter kritisieren, dass die Golfstaaten notleidende Flüchtlinge nicht aufnehmen, zugleich aber die reichen Flüchtlinge willkommen heißen.

Der saudische Autor Al-Uqaili betont, dass der Faktor Sicherheit sei nur einer von vielen Aspekten sei, der für die Golfstaaten eine Rolle spiele. Es gebe schlicht auch Interessen, die die Politik am Golf bestimmen, und man öffne den Reichen dort die Tür, weil man diese als Investoren haben wolle. Wer Geld hat, sei willkommen am Golf, und zur Anlockung von Kapital mache man eben auch mal Ausnahmen. Deswegen zeigten sich die Golfstaaten "flexibel", beim Kapital nicht auf die Nationalität zu achten. Investoren seien immer willkommen, und dies habe zu dem "Missverständnis" geführt, dass man nur reiche Flüchtlinge aufnehme. Tatsächlich seien diese als Investoren ins Land gelassen worden.

"Willkürliche und chaotische Politik"

Mutazz Salama sieht darin dagegen "das Fehlen eines klaren arabischen Konzepts zur Aufnahme, Integration und Zuweisung von Flüchtlingen, das zu der katastrophalen Situation arabischer Flüchtlinge in arabischen Ländern geführt hat". Seit der palästinensischen Flüchtlingswelle 1948, über immer wiederkehrende arabische Krisen bis hin zur gegenwärtigen Flucht von Millionen von Syrern vor dem Krieg in Nachbarländer hätten die arabischen Staaten keinerlei Vorkehrungen für solche Fälle getroffen und eine willkürliche und chaotische Politik betrieben.

Häuserruinen nach Bombardement in Aleppo Syrien (Foto: Reuters/Hosam Katan)
Vor dieser Situation fliehen die Menschen in Syrien: Bombardierung von Häuserin in Aleppo am 18. April 2015, laut Augenzeugen durch die syrische Armee.Bild: Reuters/Hosam Katan

Amnesty International hat sich kürzlich in einer Stellungnahme schockiert darüber gezeigt, dass reiche arabische Staaten, insbesondere die am Golf, keine syrischen Flüchtlinge bei sich aufnehmen. Gerade diese Staaten müssten "aufgrund ihrer sprachlichen und religiösen Verbundenheit mit den Betroffenen die ersten sein, die vor Unterdrückung und Kriegsverbrechen in Syrien Flüchtenden Aufnahme gewähren", so Amnesty.