Schülerinnen und Schüler einer englischen Schule sitzen in Schuluniformen in einem Klassenraum (Quelle: Jon Super/AP/picture alliance)
Nachrichten für Lehrkräfte

Immer weniger Deutschlernende an englischen Schulen

Seit Jahren geht in England die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die Fremdsprachen lernen, zurück. Besonders dramatisch ist es beim Fach Deutsch. Auch wegen der Brexit-Folgen will die Regierung das jetzt ändern.

„Servus“ – das war das erste deutsche Wort, das Harry Kane sagen konnte, als er sich als Neuzugang beim FC Bayern München vorstellte. Obwohl die Sprache schwer zu lernen sei, wolle er sich der Herausforderung stellen, sagte der englische Fußballstar bei seiner ersten Pressekonferenz in München. „Ich will versuchen, mir die Kultur und das Land zu eigen zu machen“, so der 30-Jährige.

So wie Harry Kane, der zugegebenermaßen große finanzielle Anreize für seine neuentdeckte Liebe zur deutschen Sprache haben dürfte, sieht man das an englischen Schulen zurzeit eher selten. Immer weniger Schülerinnen und Schüler lernen Deutsch. Das belegen die Prüfungsanmeldungen für die Mittlere Reife (GCSE) und die Hochschulreife (A-Level) Jahr für Jahr.

Zahl der Abschlussprüfungen in Deutsch seit 2005 um zwei Drittel gesunken

Für die Mittlere-Reife-Prüfung hatten sich dieses Jahr im gesamten Land gerade einmal knapp 34.000 Schülerinnen und Schüler im Fach Deutsch angemeldet. Das ist ein Rückgang um 5,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2005 hatten sich noch mehr als 100.000 Kinder in England zur GCSE-Deutschprüfung angemeldet. Der Rückgang bei Deutsch ist sogar dramatischer als es auf den ersten Blick scheint, weil die Zahl der Prüflinge durch geburtenstarke Jahrgänge insgesamt gestiegen ist. Bei der A-Level-Prüfung traten sogar nur 2200 Mädchen und Jungen im Fach Deutsch an – 17,2 Prozent weniger als noch ein Jahr davor.

Das war nicht immer so: Seinen Höhepunkt erlebte das Unterrichtsfach Deutsch im Jahr 2001, als sich 571.000 Jugendliche für Deutsch als Prüfungsfach bei der GCSE-Prüfung anmeldeten. Doch spätestens, seit die damalige sozialdemokratische Regierung 2004 die Pflicht zur Wahl mindestens einer Fremdsprache als Prüfungsfach abschaffte, gingen die Anmeldezahlen stetig zurück.

Katharina von Ruckteschell-Katte, die Leiterin des Goethe-Instituts in London, ist enttäuscht über den erneuten Rückgang. „Wir haben damit gerechnet, dass sich die Zahlen wenigstens stabilisieren“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Es sei „natürlich sehr, sehr schade“, dass es nun wieder bergab gehe. Das Hauptproblem sei weiterhin, dass die Regierung das Fremdsprachenlernen nicht obligatorisch mache, sagte sie. Hier zeichne sich auch keine Kehrtwende ab.

Abschlussprüfung in Fremdsprachen = schlechterer Notendurchschnitt

Doch es scheint weitere Gründe für die sinkenden Zahlen zu geben: Es gilt als vergleichsweise schwieriger, in einer Fremdsprache eine gute Note in der Abschlussprüfung zu erzielen. Der Notendurchschnitt spielt aber eine wichtige Rolle für die weitere Bildungskarriere der Schülerinnen und Schüler. Daher wäre eine Wiedereinführung des verpflichtenden Fremdsprachenunterrichts unpopulär. Und die deutsche Sprache gilt im Vergleich zu anderen Fremdsprachen zusätzlich als besonders schwierig.

Umso wichtiger und umso besser sei es, „dass jetzt tatsächlich auch Initiativen gestartet werden“, sagte Katharina von Ruckteschell-Katte und zeigte sich vorsichtig optimistisch. Die sich inzwischen deutlich abzeichnenden wirtschaftlichen Konsequenzen des Brexits hätten zu einem Umdenken bei der Regierung in London geführt.

Maßnahmen zur Förderung des Fremdsprachenlernens

Mehrere Initiativen sollen nun den Abwärtstrend stoppen – nicht nur bei Deutsch, denn auch Französisch ist seit Jahren auf dem absteigenden Ast, wenn auch nicht ganz so dramatisch. Mit einem National Consortium for Languages Education (NCLE) unter der Leitung des University College London will die Regierung dem Trend entgegenwirken. 25 Schulen in England sollen dabei zu Schwerpunktzentren des Fremdsprachenunterrichts gemacht werden, die auch andere Lehrstätten inspirieren sollen.

Dafür stellt London 14,9 Millionen Pfund (etwa 17,4 Mio Euro) für die kommenden drei Jahre zur Verfügung. Deutsch nimmt bei der Initiative sogar eine Sonderrolle mit einem Sonderbudget ein. Von Ruckteschell-Katte sieht das auch als Zeichen dafür, dass Deutschland für Großbritannien als bilateraler Partner innerhalb Europas an Bedeutung gewinnt. Um die Umsetzung des Programms kümmert sich das Goethe-Institut mit dem Projekt GIMAGINE, das sich an Schulen, Lehrende und Lernende wendet, unter anderem mit Motivationsprogrammen und Material sowie der Organisation von Treffen. Startschuss dafür ist im Oktober. Gleichzeitig hat die Regierung ein Stipendienprogramm wiederbelebt, das unter anderem angehende Lehrkräfte für Deutsch nach Großbritannien locken soll. Etwa 20 bis 30 Bewerberinnen und Bewerber dürften in diesem Jahr erfolgreich gewesen sein, hieß es beim British Council.

Ob die Initiativen Früchte tragen werden, wird wohl erst in den kommenden Jahren abzusehen sein. Grund für Optimismus gibt es immerhin dadurch, dass das Goethe-Institut bei seinen hauseigenen Sprachkursen nach Jahren des Rückgangs wieder eine wachsende Nachfrage sieht. Die Kurse richten sich an Erwachsene – und zumindest die scheinen wieder mehr Lust auf Deutsch zu haben. Ob das ansteckend ist, muss sich zeigen.

rh (mit dpa)/sts