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Google macht jetzt Medizin

Conor Dillon / gh17. November 2015

Einen Schlaganfall oder Herzinfarkt vorhersagen, bevor er passiert. Krebs entdecken, bevor er ausbricht. Das wäre wirklich eine Revolution! Während wir noch davon träumen, arbeitet Google schon fleißig daran.

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Google Logo (Foto: Ole Spata/dpa).
Bild: picture-alliance/dpa/O. Spata

Was ist Google eigentlich?

Diese Frage zu beantworten, ist inzwischen gar nicht mehr so einfach. Denn die ehemalige Suchmaschine macht sich auch in anderen Lebensbereichen breit: in unseren Autos, unserem Zuhause und sogar in unseren Körpern. Auf Letzteren zielen die Laboratorien für Biowissenschaften in Mountain View, Kalifornien, ab. Dort will man Technologie in unsere Körper einbringen, die Krankheiten voraussagen können.

Hört sich erst einmal an wie Science Fiction. Der Spiegel-Autor Thomas Schulz ist einer der wenigen, die Googles vorausschauende Medizintechnik schon in Augenschein genommen haben.

Die aufregendste Entwicklung, so Schulz, sei eine Pille voller Nanopartikel. "Man schluckt also eine Pille, die Messungen im Körper durchführt, und ein Gerät am Handgelenk empfängt diese Daten", so Schulz gegenüber der DW. "Sie glauben, dass sie dadurch auf verschiedenen Wegen vorhersagen können, wie sich der Gesundheitszustand eines Menschen innerhalb der nächsten Wochen entwickeln wird - vielleicht droht ein Schlaganfall und Sie wissen es noch nicht."

Außerdem arbeiten die Endwickler an einer Art Kontaktlinse. "Diese Linse ist für Diabetiker. Sie müssen sich dann keine Nadel mehr, um den Blutzuckerspiegel zu messen."

Google Gründer Sergey Brin mit Google Brille (Foto: Reuters).
Sergey Brin würde gerne 50 bis 100 Jahre in die Zukunft schauenBild: Reuters

Aber warum?

So faszinierend diese neuen Technologien auch sein mögen, sie werfen die Frage auf, was Google dazu treibt, sich in der Biotechnologie zu engagieren. Auch andere IT-Firmen sind schon in ähnlichen Bereichen aktiv:

Apple etwa verfolgt und zeichnet Daten über die Apple Watch auf, Microsoft analysiert Gesundheitsdaten.

Google allerdings versucht, medizinische Produkte zu entwickeln, die erst noch von der amerikanischen Nahrungs-und-Medizin-Behörde (FDA) genehmigt werden müssen, bevor Klinikärzte den Patienten das Okay für die Einnahme geben.

Medizingeschichte statt Computer-Programme

Das ist ein revolutionärer Sprung weg von der Internet-Technologie und klingt fast schon ein bisschen arrogant: Zehntausende Forscher rund um den Erdball versuchen, Gesundheitsprobleme zu lösen, und dann kommt Google - und will das besser hinkriegen?

"Google geht davon aus, dass die Medizin ein Bereich ist, der in den nächsten Jahren von der Computerwissenschaft vorangetrieben wird", sagt Schulz "und dass alles, was mit Medizin und Technologie zusammenhängt, nicht nur eine Sache sein wird, um die sich Pharmazieunternehmen kümmern werden."

Das Unternehmen hat dafür hunderte von Wissenschaftlern aus verschiedenen Bereichen engagiert. Sie sollen in den Laboren in Kalifornien Grundlagenforschung in der Biotechnologie und Medizin betreiben.

"Sie können dort im Grunde tun, was sie wollen", so Schulz. Aber, so der Journalist weiter, das Unternehmen habe bei den Projekten bestimmte Auswahlkriterien. "Sie sagen: Wir werden uns jetzt nicht gerade eine Krankheit raussuchen, die nur ein paar hunderttausend Menschen betrifft. Sie denken in Dimensionen von Milliarden. So ist das bei all ihren Projekten, eben auch in der Gesundheit und in der Medizin."

Der Suchbegriff "Alphabet" ist auf einem Monitor mit der Suchmaschinen-Webseite von Google zu sehen (Foto: Jens Büttner/dpa).
Die Laboratorien in Mountain View sind genauso Tochtergesellschaft von Alphabet wie GoogleBild: picture-alliance/dpa/J. Büttner

Ein Durchbruch

Natürlich kann nicht einmal Google - oder Alphabet, wie sie ja genannt werden wollen - mit ein paar Laboren und ein paar hundert Wissenschaftlern die Gesundheitsprobleme der Welt lösen. Ein anderer Weg könnte jedoch sein, den Stellenwert der Wissenschaft und der Wissenschaftler zu erhöhen, zum Beispiel mit einem Preis:

Google-Mitbegründer Sergey Brin und Anne Wojcicki - mittlerweile voneinander geschieden - waren eines der vier Internettechnologie-Powerpaare, die zusammen den Breakthrough Prize - ein Art Wissenschafts-Oskar - ins Leben gerufen haben. Dotiert mit 22 Millionen Dollar für Wissenschaftler aus den Bereichen Biowissenschaften, Physik und Mathematik. Verliehen auf dem roten Teppich, mit Gästen aus der Top-Riege Hollywoods.

John Hardy hat in diesem Jahr den Preis gewonnen. Er ist ein renommierter Alzheimer-Forscher und saß eines Tages beim Frühstück als er einen Anruf bekam: Er habe drei Millionen US-Dollar gewonnen - ohne dass irgendwelche Bedingungen daran geknüpft waren. "Ich wusste nicht einmal, dass ich nominiert war", so Hardy im Gespräch mit der DW.

Professor John Hardy (Foto: Rolf Eckel).
John Hardy zählt zu den weltweit führenden Fachleuten für die genetischen Ursachen von Alzheimer, Parkinson und anderen Erkrankungen des NervensystemsBild: Rolf Eckel

"Ich habe einen Telefonanruf bekommen und erfahren, dass ich gewonnen habe. Das kam aus heiterem Himmel. Natürlich ist das großartig! Für mich persönlich und auch für meine Institute. Wir versuchen, das Geld für ein neues Gebäude am Queen Square zusammen zu kriegen, um dort mehr Demenz-Forschung betreiben zu können. Die ist offensichtlich nötig."

Was Google will

Hinter all dieser privatfinanzierten Medizinforschung stecken auch persönliche Verflechtungen. Anne Wojcicki ist Biologin, die selbst eine Biotech-Firma gegründet hat. Und die Frau von Google-Mitgründer Larry Page, Lucy Southworth, hat einen Doktortitel in Bioinformatik, erzählt Spiegel-Autor Thomas Schulz.

Vor kurzem hat er ein Buch mit dem Titel "Was Google wirklich will", herausgegeben. Er sagt, dass die Life Science-Labore alle Teil derselben Strategie seien. Vor kurzem erst war Google unter einem neuen Firmengebilde zusammengefasst worden. Der Name: Alphabet.

"Zunächst einmal wollen sie nicht nur für zwei Jahre, sondern für die nächsten 50 oder 100 Jahre das wichtigste und erfolgreichste Unternehmen sein", sagt Schulz.

"Und darüber hinaus wollen sie Einfluss auf die Gesellschaft als Ganzes haben. Und das meinen sie wirklich ernst. Das ist kein PR-Ding. Sie wollen wirklich die Welt verändern." Und er ergänzt: "Entsprechend dem, was Larry Page für wichtig hält."