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Brown wankt

Ruth Rach19. September 2008

Großbritanniens Bevölkerung wendet sich von Premierminister Brown ab, seine Amtsfehler sollen für diesen Vertrauensverlust verantwortlich sein. Wird der bevorstehende Labourparteitag damit für Brown zum Krisengipfel?

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Gordon Brown (25.09.2006/AP)
Die Krise in der britischen Labour Partei spitzt sich zuBild: AP

Wenig Erfreuliches, was Gordon Brown auf dem Weg zur Arbeit derzeit in den einschlägigen britischen Zeitungen zu lesen bekommt: Turbulenzen auf den Geldmärkten, Notfusionen in der Londoner City, die Inflation läuft aus dem Ruder – und die Krise in der britischen Labour Partei spitzt sich zu.

Dass weite Teile der Bevölkerung ihrem Premierminister in dieser Lage nicht viel zutrauen – das war bekannt. Dass jetzt aber auch noch die eigene Partei ihm das Vertrauen entzieht, dürfte den bisher vielfach unglücklich agierenden Premierminister Brown in echte Erklärungsnöte bringen.

Nur Nevil Chamberlain war unbeliebter

Arthur Neville Chamberlain (24.09.1938/ Mono Book Illustration)
Nevil Chamberlain war nach Hitlers Invasion in Norwegen ähnlich unbeliebtBild: picture-alliance/ dpa

"Gordon Brown ist inzwischen unglaublich unbeliebt, seine Werte liegen bei minus 37 Prozent. Das letzte Mal, wo wir so eine Situation hatten, war unter Nevil Chamberlain nach Hitlers Invasion in Norwegen", sagt George Howarth, ein Labour-Parteigenosse Browns. Im Vorfeld des britischen Labourparteitages jagt ein Drama das andere. Noch vor einer Woche waren sich Beobachter einig: trotz aller Unzufriedenheit mit Premierminister Gordon Brown sei ein Umsturzversuch – zumindest vorerst - nicht zu erwarten.

Wenig später überschlugen sich die Hiobsbotschaften. Drei weibliche Abgeordnete machten den Anfang. Shiobain Mc Donagh, Joan Ryan und Fionna Mc Taggart forderten das große Reinemachen. "Wer immer der nächste Labourchef werden will, sollte seine Karten jetzt offen darlegen", so die drei Abgeordneten einmütig.

Eine offene Debatte über den zukünftigen Kurs der Labour-Partei müsse sich anschließen, und eine Debatte über die dringendsten Regierungs-Geschäfte. Dennoch ist ihre Forderung eindeutig: "Wir sollten jemand anders die Chance geben, das Ruder in die Hand zu nehmen - unser Problem ist mangelnde Klarheit über unsere politischen Ambitionen für Großbritannien", sagt Fionna Mc Taggart.

Die Rache der "Blair-Babes"?

Gordon Brown (6.10.07/AP)
Gordon Brown profitiert von der Krise an den FinanzmärktenBild: AP

Zunächst hieß es, das sei die Rache der "Blair-Babes". Bei den Rebellen handle es sich um eine Handvoll von Unzufriedenen. Die stellvertretende Labourchefin Harriet Harman wirft ihnen vor, ihre eigene Partei zu unterminieren: "Die Briten erwarten von ihrer Regierung und ihrer Regierungspartei, dass sie sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentriert, also auf die Sorgen der Bevölkerung und die schwierigen wirtschaftlichen Umstände, anstatt nach innen zu blicken und über die Nachfolgefrage zu diskutieren."

Aber die Journalistin Polly Toynbee, eine langjährige Labourkennerin, sieht die Sache anders. Labour starrt in den Abgrund, schlimmer kann es kaum noch kommen. Die Wähler werden ihr Vertrauen in Gordon Brown nicht zurückgewinnen, und wenn die Partei noch irgendeine Chance haben will, muss sie ihn abstoßen.

Die Rebellen werden mehr

Die Zahl der Rebellen ist – nach eigenen Angaben – auf mehr als vier Dutzend angewachsen. Aber sie bräuchten 71 Abgeordnete, um beim bevorstehenden Parteitag eine Abstimmung gegen Brown zu erzwingen. Das Labour Führungspräsidium weigerte sich bereits, die dazu nötigen Formulare auszugeben. Seitdem hat sich die Krise weiter zugespitzt als David Cairns, ein ranghoher Staatssekretär, seinem Premier die Gefolgschaft versagte und den Rücktritt einreichte.

Cairns verteidigte seinen Schritt vehement. Er habe sich nie gegen seine eigene Partei aufgelehnt, aber sei in den vergangenen Monaten zum Schluss gelangt, dass die verheerenden Umfragewerte und die schrecklichen Nachwahlen Folgen haben müsste. Seine Konsequenz habe er gezogen, so Cairns. Bislang war niemand bereit, offen das Messer gegen Gordon Brown zu zücken.

Außenminister David Miliband (25.09.2008/AP)
Außenminister David Miliband fordert den ZusammenhaltBild: AP

Und Außenminister David Miliband, der sich im Sommer für eine eventuelle Nachfolge positioniert hatte, wirft jetzt noch nicht das Handtuch in den Ring. "Wir haben Gordon Brown letztes Jahr gewählt, er wird uns voranbringen", sagt David Miliband. Gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten müsse das Kabinett besonders eng zusammenstehen.

Die oppositionellen Konservativen reiben sich die Hände. Ihnen wäre es am liebsten, wenn der glücklose Labour Premier möglichst lang im Amt bliebe. Paradoxerweise profitiert ausgerechnet Gordon Brown von der Krise an den Finanzmärkten. Katastrophenmeldungen von der Wirtschaftsfront liefern derzeit noch dickere Schlagzeilen.

Und viele Labouranhänger meinen, zu so instabilen Zeiten sollte man nicht auch noch die Regierung destabilisieren. Zudem haben die Rebellen ein Problem. Auch sie besitzen keinen starken Anführer, und keine klare Richtung. Angesichts der turbulenten Zeiten traut sich kaum ein Kommentator, politische Prognosen aufzustellen. Selten wurde ein Labour Parteitag mit soviel Spannung erwartet.