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Gott vergisst die Menschen nicht

1. Dezember 2012

Advent ist nicht nur festlicher Rückblick auf die Geburt Jesu, sondern vor allen eine Anfrage an mein eigenes christliches Handeln, meint Hans-Peter Hecking im Wort zum Sonntag der katholischen Kirche.

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Adventskranz
AdventskranzBild: picture-alliance/dpa

 „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.“ Im Advent wird uns dieses Lied aus dem neunzehnten Jahrhundert wieder auf „Weih­nachtsmärkten“ und in Kaufhäusern zusammen mit „Jingle Bells“ und anderen „Christ­mas Songs“ entgegen schallen. Dabei überhört man leicht, dass die Anfangszeile des Liedes eine wesentliche Aussage des christlichen Glaubens enthält: Gott ist in Jesus von Nazareth Mensch geworden und auf die Welt gekommen. Und wer an Christus glaubt, erwartet, dass er wiederkommen wird am Ende der Zeiten. Das ist dann, wenn das Reich Gottes wirklich da ist. Und es wird kommen, denn das hat Jesus in Worten und Taten angekündigt.

Morgen beginnt die Adventszeit. Sie ist für Christinnen und Christinnen nicht nur „fest­licher Rückblick“ auf die Geburt Jesu damals im Stall von Bethlehem. Advent ist auch mehr als „gläubiger Ausblick“ auf die Wiederkunft des Gottessohnes am Ende der Tage. Denn wer auf Christus getauft ist, muss sich selbst fragen: Was tue ich, damit die Men­schwerdung Gottes in Jesus von Nazareth und seine Botschaft von Gottes Reich mitten unter uns alle Jahre wieder und an jedem Tag erlebt werden können? Wie setze ich mich ein für eine Welt, die so wäre wie Gott es will? Kurz, was tue ich, damit er auch heute an­kommt, damit sozusagen jeden Tag sein Advent ist? Seine „Ankunft“! Denn das bedeutet doch das lateinische Lehnwort „Advent“.

Maß nehmen an Jesus Christus
Der Advent ist eine besondere Zeit am Anfang des Kirchenjahres, um diesen Fragen nach dem eigenen Christsein nachzugehen. Die Antworten darauf gibt jeder auf seine Weise - je nachdem, wie sich das eigene Leben gestaltet. Maßstab ist dabei Jesu Verhältnis zu Gott und zum Nächsten.

Im Gebet am Anfang der Sonntagsmesse zum ersten Advent morgen heißt es: „Hilf uns, dass wir auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegengehen und uns durch Taten der Liebe auf seine Ankunft vorbereiten“. Dieser christliche Weg der Gerechtigkeit führt nicht aus dieser Welt hinaus. Ganz im Gegenteil. Mitten in der Welt ist man Christ - oder man ist es nicht.

Menschen, die sich Christen nennen, geben so Hoffnung in dieser Welt. Beispielhaft dafür ist für mich der kirchliche Flüchtlingsdienst Jesuit Refugee Service des Jesuitenordens. Die Flüchtlingsarbeit des Jesuit Refugee Service in Afrika wird unter anderem von Missio unterstützt. Während der Dürrekatastrophe am Horn von Afrika vor etwas mehr als einem Jahr habe ich das kleine JRS-Team begleitet, als es seine Arbeit in den Flücht­lingslagern bei Dollo Ado an der somalischen Grenze in Äthiopien begann. Die Bilder der ausgemergelten und traumatisierten Menschen aus dem von Hunger, Krieg und Anarchie geschüttelten Somalia, die damals dort strandeten, werde ich wohl nie mehr vergessen. Mehr als 165.000 Flüchtlinge leben seitdem dort in dieser unwirtlichen Wüstengegend. Und das vermutlich noch viele Jahre lang.

Zukunftsperspektiven für Flüchtlinge schaffen
Die meisten von ihnen sind Kinder und Jugendliche und ihre Mütter. Nahrung, Trink­wasser, Gesundheitsversorgung und Zelte stellen die Vereinten Nationen und andere Hilfsorganisationen bereit. Doch Menschen brauchen mehr als das. Traumatische Er­fahrungen von Krieg und Terror, Tod und Verlust von Heimat müssen aufgearbeitet wer­den. Grundlagen für Zukunftsperspektiven geschaffen werden. Die Männer und Frauen von JRS sorgen deshalb in den Camps für schulische Ausbildung und sozialpädago­gische Betreuung, für seelsorgliche und psycho-soziale Hilfsangebote.

Dieses und viele andere Beispiele in aller Welt zeigen: Wer dem Weg Jesu folgt, der lehnt sich nicht zurück und gibt sich nicht zufrieden mit dem, was ist. Der engagiert sich vielmehr für eine Welt, in der Mitleid über Gefühlskälte und Gleichgültigkeit siegt, wo Liebe und Frieden Herzlosigkeit und Hass überwinden, wo nicht Willkür und Gesetzlosig­keit, sondern Recht und Gerechtigkeit regieren, wo Versöhnung und Barmherzigkeit Grenzen zwischen Völkern und zwischen Menschen überwinden. Vielleicht erleben Menschen dann zugleich etwas von Advent. Von Gottes Ankunft in dieser Welt. In der romantisch angehauchten Sprache von „Alle Jahre wieder“ hören wir in der letzten Strophe, worauf es in der Nachfolge Jesu ankommt: „Sagt den Menschen allen, dass ein Vater ist, dem sie wohl gefallen, der sie nicht vergisst.“

Zum Autor:

Hans-Peter Hecking, katholischer Diplom Theologe, arbeitet als Länderreferent für missio Aachen. Im Bistum Trier wurde er zum Pastoralreferenten ausgebildet. Zahlreiche Recherche- und Projektreisen führen ihn in asiatische und afrikanische Länder, wo er Projekte begutachtet. Daneben ist er als  freier Autor zu aktuellen Länderthemen  tätig. Hans-Peter Hecking ist verheiratet und Vater von drei Kindern. In seiner Freizeit engagiert er sich im Aachener Kammerchor „Carmina Mundi“.

Hans-Peter Hecking, Aachen
Hans-Peter Hecking, AachenBild: Silvia Becker