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"Gott wird uns hören"

Alexandra Frick15. August 2005

Der ehemalige Siedlervater Scharon hat die Räumung des Gazastreifens durchgesetzt und steht nun innenpolitisch im Kreuzfeuer der Kritik. Weitere Zugeständnisse sind für ihn ausgeschlossen.

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Orange ist die Farbe der SiedlerbewegungBild: AP
Siedler Protest im Gazastreifen
Rabbis rufen die israelischen Siedler zum Widerstand auf.Bild: AP

"Wir müssen in den Süden gehen, auf die Straßen. Gott wird uns hören!" Igal Kamineski, Rabbiner aus Gusch Katif, dem größten Siedlungsblock im Gazastreifen, hatte die Gegner des Gaza-Abzugs dazu aufgerufen, ihre Solidarität mit den Siedlern zu bekunden. "Fahrt zu tausenden in die südisraelischen Städte, auf allen Straßen, legt euch auf den Boden", hieß es in einem anderen Aufruf. Hunderttausende Israelis haben gegen die Räumung protestiert.

Gewalt wird belohnt

Viele Israelis fürchten, die neu gewonnene Freiheit im Gazastreifen könnte von militanten Palästinensern dazu genutzt werden, Waffen zu schmuggeln und künftig vom Gazastreifen aus Anschläge gegen Israel zu planen. Sie haben das Gefühl, die gewaltsamen Proteste der Palästinenser würden belohnt, während friedliche Siedler von ihrem Land vertrieben werden.

Dass ausgerechnet Siedlervater Ariel Scharon einmal israelische Planierraupen einsetzen würde, um jüdische Siedlungen zu zerstören, konnte sich bis vor kurzem niemand in Israel vorstellen. Scharon verkörpert für viele Israelis klassische zionistische Werte und gilt vielen als Kriegsheld aus Zeiten des Jom-Kippur-Krieges 1973. Jahrelang zog Scharon bei der strategischen Planung des Siedlungsbaus und der systematischen Landnahme die Strippen.

Vom Siedlervater zum Siedlerverräter

Nun fühlen sich viele Siedler von ihrem Ministerpräsidenten verraten. Scharon betont jedoch, dass er im besten Interesse Israels handle. Er hält es für sinnvoller, die israelischen Aktivitäten auf die Regionen zu konzentrieren, die von existenzieller Wichtigkeit sind, wie der Großraum Jerusalem, die Siedlungsblöcke im Westjordanland und die Negev-Wüste. In diesen Zusammenhang passt auch, dass bestehende Siedlungen im Westjordanland zur Zeit ausgebaut werden. Weitere Zugeständnisse an die palästinensische Seite sind für Scharon ausgeschlossen.

Ariel Scharon bei George Bush in Washington
Die USA sind Israels wichtigste Verbündete.Bild: AP

Der israelische Politikwissenschaftler Akiva Eldar sieht noch einen anderen Grund für Scharons Wandlung: "Bis vor kurzem noch hätte Scharon die Siedlungspolitik, sein Lieblingskind, nie in Frage gestellt. Heute ist sein Lieblingskind der derzeitige Bewohner des Weißen Hauses." Laut Eldar ist Scharon überzeugt, dass Israel die Freundschaft zu den USA brauche. Nun wolle Scharon dem nach dem Irak-Krieg stark kritisierten US-Präsident Bush helfen, einen diplomatischen Erfolg in der arabischen Welt zu verbuchen.

Netanjahu - stärkster Konkurrent Scharons

Innenpolitisch bringt der Gaza-Abzug Scharon jedoch in Bedrängnis. Nach dem Rücktritt Benjamin Netanjahus als Finanzminister stellt dieser nun Scharons gefährlichsten Rivalen im Likud-Block dar. Nach Meinungsumfragen hat Netanjahu mehr Rückhalt im Likud-Block als Scharon und könnte spätere Wahlen zum Parteivorsitzenden gewinnen. Berater des Ministerpräsidenten diskutieren laut der israelischen Tageszeitung "Haaretz" bereits die Gründung einer neuen Partei unter Vorsitz Scharons, der sich Teile des Likud anschließen könnten.