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Gröning bestreitet direkte Beteiligung

1. Juli 2015

Der frühere SS-Mann Oskar Gröning bleibt im Auschwitz-Prozess bei seiner Haltung: Mitschuld am Holocaust ja, direkte Beteiligung an den Morden im Lager nein. Auschwitz-Überlebende zeigten sich enttäuscht.

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Oskar Gröning beim Auschwitz-Prozess (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hartmann

Er habe sich durch seine Tätigkeit in dem Lager "am Holocaust mitschuldig" gemacht, heißt es in einer Erklärung von Oskar Gröning, die seine Anwältin in seinem Namen vor dem Landgericht Lüneburg verlas. "Auch wenn ich unmittelbar mit diesen Morden nichts zu tun hatte, habe ich durch meine Tätigkeit dazu beigetragen, dass das Lager Auschwitz funktionierte", räumte der frühere SS-Mann ein. "Dies ist mir heute bewusst." Weiter heißt es in Grönings Erklärung: "Zu dieser Schuld habe ich mich bereits bekannt und tue das auch weiterhin".

"Nach heutigen Maßstäben nicht zu fassen."

Die Schilderungen der überlebenden Holocaust-Opfer vor Gericht hätten ihn "außerordentlich stark beeindruckt", schrieb der frühere SS-Mann, der während der Verlesung gebeugt zwischen seinen Anwälten saß. Die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit beanspruche ihn stark, erklärten seine Verteidiger, deshalb spreche er nicht selbst.

In vielen Punkten wiederholte die Erklärung des 94-Jährigen lediglich, was er bereits beim Prozessauftakt gesagt hatte. Verdrängung und der anerzogene Gehorsam hätten ihn gehindert, gegen die Ungeheuerlichkeiten im Lager zu rebellieren. Gröning hatte bereits zu Prozessbeginn im April eine moralische Mitschuld am Holocaust eingeräumt.

Enttäuschung bei Auschwitz-Überlebenden

Mehrere Auschwitz-Überlebende und Angehörige der Opfer verfolgten Grönings Aussage aus den Zuschauerreihen. Sie waren dazu erneut aus dem Ausland angereist. Angesichts der Dimension der Verbrechen stehe es ihm nicht zu, sie um Vergebung zu bitten, heißt es in der Erklärung des Angeklagten. "Um Vergebung kann ich nur meinen Herrgott bitten."

Viele Überlebende zeigten sich enttäuscht. So kritisierten die Vertreter der Nebenklage die Äußerungen Grönings als unzureichend. "Er weicht aus", sagte die Holocaust-Überlebende Irene Weiss. "Ich dachte, dass er sich deutlicher entschuldigen und etwas mehr Verantwortung übernehmen würde". Weiss war aus Fairfax in den USA als Zeugin zum Prozess nach Lüneburg angereist. Im Zeugenstand erzählte die 84-Jährige, wie sie als 13-Jährige mit ihrer Familie in das Vernichtungslager bei Krakau in Polen verschleppt wurde. Nur sie und ihre Schwester überlebten. Im Gerichtssaal war ein Foto zu sehen, das ihre beiden kleinen Brüder und die Mutter zeigt, bevor sie in die Gaskammer geschickt wurden.

Der "Buchhalter von Auschwitz"

Der 94-jährige Göring muss sich wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 300.000 Fällen verantworten. Der " Buchhalter von Auschwitz" war im Zweiten Weltkrieg während der sogenannte Ungarn-Aktion in der Lagerverwaltung des Konzentrations- und Vernichtungslagerkomplexes Auschwitz tätig. Er soll als Buchhalter das den Opfern abgenommene Geld verwaltet haben.

Außerdem wird ihm vorgeworfen, die Spuren der Massentötung an Juden aus Ungarn im Frühjahr 1944 verwischt zu haben, indem er half, an der Bahnrampe in Auschwitz-Birkenau Gepäck wegzuschaffen. An der Rampe will Gröning aber nur dreimal vertretungsweise Dienst getan haben. Auch in seiner aktuellen Erklärung betonte er erneut: "Meine Hauptaufgabe lag darin, Gelder der Häftlinge zu verwalten."

cw/stu (epd, afp, dpa)