1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Streit um Visafreiheit

Bernd Gräßler19. April 2013

Die Grünen kritisieren im Bundestag die deutsche Visapolitik. Davon profitiere der russische Repressionsapparat, während junge Menschen vom Balkan die Verlierer seien. Unionspolitiker weisen die Vorwürfe zurück.

https://p.dw.com/p/18Jfy
Schengener Visum im russischen Reisepass. Foto: DW
Bild: DW

Die Grünen warnen die Europäische Union und die Bundesregierung davor, sich von Russland bei den gegenwärtig laufenden Verhandlungen über Reisefreiheit erpressen zu lassen. In einer Aktuellen Stunde des Bundestages verwies die Osteuropa-Expertin Marieluise Beck darauf, dass der Kreml Visafreiheit "für seinen Repressionsapparat" verlange, um im Gegenzug deutschen Studierenden oder Geschäftsleuten vielleicht ein Mehrfachvisum auszustellen. "Dieser Deal, der da angeboten wird, wäre ein Sieg des FSB auf der ganzen Linie", sagte Beck unter Anspielung auf den russischen Inlandsgeheimdienst. Zahlreiche in Unterdrückung und Korruption verwickelte russische Staatsangestellte seien im Besitz von Dienstpässen, mit denen sie in den Westen reisen könnten.

Hintergrund der Grünen-Kritik ist ein gemeinsamer Brief von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an die EU-Kommission, in dem sie sich mit einer Visafreiheit für Inhaber russischer Dienstpässe einverstanden erklären.

"Notwendige Gegenleistung"

Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), betonte in der Bundestagsdebatte, eine gegenseitige Befreiung von Sichtvermerken für Dienstpass-Inhaber sei absolut üblich und in den Verhandlungen mit Russland die notwendige Gegenleistung, um im Gegenzug die erwünschten Erleichterungen für die Zivilgesellschaft zu erreichen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Entwicklung in Russland stellt sich aber die Frage, "ob zum jetzigen Zeitpunkt eine solche Regelung wirklich angebracht ist", sagte Schröder. Bundeskanzlerin Merkel hatte jüngst die Durchsuchungen russischer Behörden bei deutschen Nichtregierungsorganisationen deutlich kritisiert. In der Bundestagsdebatte sprachen sich neben Unionspolitikern auch Redner von FDP und SPD dagegen aus, russische Dienstpass-Inhaber unter Generalverdacht zu stellen. Es müsse eine Einzelfallprüfung geben, sagte der SPD-Abgeordnete Franz Thönnes.

Unter Druck – deutsche politische Stiftungen in Russland

Mit ihrer Fundamentalkritik an den EU- Visumsverhandlungen mit Russland blieben die Grünen in der Bundestagsdebatte weitgehend allein.

Vorwurf der Dramatisierung

Einigkeit herrscht bei den Oppositionsparteien dagegen, dass die Bundesregierung den Zustrom von Asylbewerbern aus den Balkanländern dramatisiere, um die Visafreiheit mit diesen Staaten wieder einzuschränken. Die Zahlen von Asylbewerbern aus Serbien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina seien gering im Vergleich mit den 90er Jahren erklärten Abgeordnete von Grünen, SPD und Linken. Sie lehnten eine Wiedereinführung der Visapflicht für diese Länder ab.

Brüssel dagegen will auf Betreiben Deutschlands und anderer EU-Länder die Möglichkeit einräumen, die Visafreiheit für einen begrenzten Zeitraum auszusetzen, braucht dazu aber noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates.

Seit der Einführung der Visafreiheit hat es auch in Deutschland eine deutliche Zunahme von Asylanträgen, vor allem von Sinti und Roma aus Serbien und Mazedonien, gegeben. So lag die Zahl der serbischen Asylbewerber 2009 bei 581, im Jahr 2012 dagegen bei rund 8500. Der bayrische Innenminister Joachim Herrmann sagte am Freitag in der ARD, die Anträge seien fast alle unbegründet, die Anerkennungsquote liege bei null Prozent. Es handele sich nicht um Verfolgung, wie bei Flüchtlingen aus Syrien, sondern um offenkundigen Missbrauch. Hermann wörtlich: "Wir können nicht das Sozialamt für den ganzen Balkan sein." Besonders Vertreter von deutschen Kommunen hatten sich in jüngster Zeit beschwert, sie seien mit der Unterbringung der Asylbewerber überfordert.