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Grüne lassen Großen den Vortritt

19. September 2005

Einer der Wahlverlierer sind die Grünen unter Joschka Fischer. Ob die Partei aber in der Opposition oder einer neuen Koalition regieren wird, ist derzeit offen.

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Am Ende des WahlmarathonsBild: AP

Der erste ohrenbetäubende Applaus der Grünen-Basis galt bei der Bekanntgabe der ersten Prognose um 18.00 Uhr nicht etwa dem eigenen Ergebnis von knapp über 8 Prozent (2002: 8,6 Prozent), sondern dem unerwartet schlechten Ergebnis der Union. Grünen-Moderator Michael Rittmeier frotzelte auf der Wahlparty in der ehemaligen Flugzeughalle in Berlin-Tempelhof: "Die drei K der Union: Küche, Kirchhof, Katastrophe". Mit noch lauterem Jubel quittierten die Grünen die Sitzaufteilung im Bundestag und die Mitteilung: "Für Schwarz-Gelb reicht es nicht." Für Grünen-Chef Reinhard Bütikofer ein glasklares Signal: "Die Wähler wollen nicht von Merkel durchregiert werden."

Grünen-Spitzenkandidat Joschka Fischer räumte das Ende der rot-grünen Bundesregierung ein. "Rot-Grün hat keine Mehrheit", sagte er. Über den künftigen Bundeskanzler würden nun die großen Parteien entscheiden, und nicht die Grünen. Für seine Partei sprach er dennoch von einem "sehr guten Ergebnis". Allerdings werden die Grünen mit nach dem bisherigen Endergebnis nur die fünftstärkste Fraktion im neuen Bundestag sein und 51 Sitze stellen.

Auf der anderen Seite habe auch eine "Politik der sozialen Kälte und des ökologischen Rückschritts", wie sie Merkel und ihr Finanzminister-Kandidat Paul Kirchhof repräsentierten, keine Mehrheit gefunden. "Schwarz-Gelb ist gescheitert", sagte Fischer.

"Kommt es anders, wird es spannend"

Immer wieder schallten Rufe wie "Wahnsinn!", "Richtig!" oder auch hämische Mitleidsrufe für CDU-Chefin Angela Merkel bei den Fernsehübertragungen auf einer riesigen Videoleinwand durch die luftige Flughafenhalle. Nur bei manchen mischten sich nachdenkliche Töne dazwischen, die eine große Koalition für keine gute Lösung halten.

Die Grünen hätten einen Auftrag erhalten, die Gestaltung des Landes voranzubringen - "ob in der Opposition oder in einer anderen Rolle", rief Außenminister Joschka Fischer den 2500 grünen Anhängern zu, die ihren Frontmann so frenetisch feierten, als hätte er gerade die Wahl im Alleingang gewonnen. Komme die große Koalition gehe es schnell, prognostizierte Fischer. "Kommt es anders, wird es spannend."

Grüne im Koalitionspoker

Nach der vom Kanzler erteilten Absage an Gespräche mit der Linkspartei gibt es für die Grünen nur zwei Chancen, die Opposition zu umgehen: die Ampel mit SPD, FDP und dem Juniorpartner Grüne oder eine "Schwampel" aus Union, FDP und Grüne.

Grünen-Chef Reinhard Bütikofer will die von der Union angekündigten Gespräche über eine künftige Koalition nicht ausschlagen, hieß es am Morgen nach der Wahl, warnte aber vor zu großen Erwartungen. "Wir stehen nicht zur Verfügung als Hilfsmotor für die Durchsetzung der marktradikalen Politik des schwarz-gelben Durchregierens, das nun mal keine Mehrheit gewonnen hat", sagte Bütikofer in Berlin. "Inhaltsfragen kommen vor Machtfragen."

Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth hält eine Regierungszusammenarbeit mit Union und FDP - eine so genannte Jamaika-Koalition - für unwahrscheinlich. "Ich war noch nicht in Jamaika, aber ich bin alter Reggae-Fan und das hat herzlich wenig mit der Leitkultur von Herrn Stoiber zu tun", sagte Roth am Montag in der ARD. Die Grünen seien für Gespräche aber offen.

Grünen-Fraktionschefin Krista Sager hat eine Beteiligung ihrer Partei an einer unionsgeführten Koalitionsregierung als kaum realistische Möglichkeit bewertet. "Das Spielen mit der so genannten Jamaika-Ampel ist was für die Theorie und nicht für die Praxis", sagte sie im InfoRadio Berlin-Brandenburg. "Wir werden uns Gesprächen nicht entziehen, aber der Ball liegt nun wirklich nicht im Feld der Grünen." (kas)