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1200 Änderungsanträge

8. Mai 2009

Die Grünen starten optimistisch in den Bundestagswahlkampf - die kleinste Oppositionspartei will neue Wähler gewinnen. Doch für den Sprung in die Regierung fehlen bisher die passenden Partner.

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Der Parteichef der Grünen, Cem Özdemir, Foto: dpa
"Wums" - der grüne Wahlslogan:Wirtschaft und Umwelt, menschlich und sozialBild: picture-alliance/ dpa

Gut acht Prozent der Stimmen bekamen die Grünen bei der letzten Bundestagswahl. Dieses Mal - am 27. September 2009 - wollen sie deutlich zulegen. Als erste Partei wollen sie auf ihrem am Freitag in Berlin beginnenden Parteitag (08.05.2009) ihr Wahlprogramm für die Bundestagswahl beschließen. Wahlkampfleiterin Steffi Lemke hat ehrgeizige Ziele: Einen Platz auf dem Siegerpodest, gleich hinter den Volksparteien CDU und SPD. "Wir gehen sehr wohl davon aus, dass wir den Kampf um die dritte politische Kraft in diesem Land gewinnen werden", sagt Lemke. Das hieße, sowohl die starke FDP als auch die Linkspartei abzuhängen.

Beflügelt wird der Optimismus der Grünen dadurch, dass die Zahl der Mitglieder in den letzten Monaten stetig angestiegen ist - vor allem junge Menschen wenden sich der kleinsten der drei Oppositionsparteien im Bundestag zu.

Ökologie 2.0

Die Frage ist nur: Womit die Wähler locken? Die Zeiten sind längst vorbei, in denen Themen wie Ökologie und Klimaschutz ein Alleinstellungsmerkmal der Grünen waren. Inzwischen kümmern sich alle Parteien um Solarenergie und das Ozonloch. Aber wer genau hinschaut, so hoffen die Vorkämpfer des Umweltschutzes, findet bei ihnen immer noch die konsequentesten Positionen: Keine gentechnisch veränderten Nahrungsmittel, keine neuen Kohlekraftwerke und die Abschaltung aller Atomreaktoren. "Wer das Kreuz am Wahltag bei den Grünen macht, der bekommt garantiert den Ausstiegsbeschluss", wirbt Parteichef Cem Özedmir für das Nein seiner Partei zur Atomenergie, "in allen anderen Kombinationen kann man das nicht garantieren".

Ein wichtiges Ziel der Grünen: Der Atomausstieg, Quelle: AP/DW
Ein wichtiges Ziel der Grünen: Der AtomausstiegBild: AP/ DW-Fotomontage

Durch die Finanzkrise sehen sich die Grünen in ihrem Werben um nachhaltiges Wirtschaften bestätigt. Ökonomie und Ökologie sollen im Modell des "Green New Deal" zusammenwachsen - einer Ressourcen schonenden Wirtschaftspolitik, kombiniert mit einem solidarischen Sozialsystem. "Wir versprechen, eine Million Arbeitsplätze durch Investitionen in Klima, Gerechtigkeit und Bildung zu schaffen", sagt Parteichef Özdemir.

Die Grünen streben nicht weniger als eine "neue industrielle Revolution" an - und wollen ansonsten die Vermögenden zur Kasse bitten, um die Finanzlöcher aus der Krise zu stopfen.

Grüne Ideale

Verbunden fühlen sich die Grünen auch dem Ideal einer multikulturellen Gesellschaft, für die Einbürgerung von Migranten kein Schrecken und die Aufnahme von Flüchtlingen eine moralische Verpflichtung sind. Es ist kein Zufall, dass mit Cem Özdemir ein türkischstämmiger Politiker an der Spitze der Partei steht.

Im Wahlkampf sprechen die Grünen gezielt Migranten, junge Wähler und Frauen an. In der Partei selbst sind alle Posten gleichmäßig unter Frauen und Männern aufgeteilt. Auch an der Trennung von Amt und Mandat hält die Partei fest, damit niemand mehrere wichtige Ämter anhäuft.

Kanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem grünen Außenminister Joschka Fischer (1998 bis 2005), Foto: AP
Ist eine Neuauflage von rot-grün möglich?Bild: AP

Wenn die 870 Delegierten zum Parteitag anreisen, dann nicht als passive Zuhörerschaft, die die Spitzenpolitiker beklatscht. Die Parteibasis hat viel zu melden - und sie befeuert die Debatte über das Wahlprogramm mit mehr als 1200 Änderungsanträgen. Das ist selbst für grüne Verhältnisse ein Rekord.

Die Parteispitze wertet das nicht als Kritik, sondern als Beleg für die große Zustimmung. Das hält die Delegierten im Zweifelsfall aber nicht davon ab, Streitfragen basisdemokratisch bis Mitternacht auszudiskutieren - und gegebenenfalls den Antrag des Vorstands in die Tonne zu stimmen.

Kein Steigbügelhalter

Die Parteivorsitzende Claudia Roth (Foto: AP)
Die Parteivorsitzende Claudia Roth will Eigenständigkeit der GrünenBild: AP

Mit langen Diskussionen über das Wahlprogramm können die Grünen gut leben, als Mehrheitsbeschaffer für andere Parteien sehen sie sich nicht. "Wir ziehen mit einer klaren grünen Eigenständigkeit in den Wahlkampf", betont Parteichefin Claudia Roth, "nicht mit einem gemeinsamen Projekt wie in rot-grünen Zeiten, nicht als Anhängsel".

Die größten inhaltlichen Überschneidungen sehen die Grünen mit den Sozialdemokraten, wollen sich aber vor der Wahl nicht auf eine Koalitionsaussage festlegen. Denn die rechnerisch wahrscheinlichste Möglichkeit - eine Regierung aus SPD, FDP und Grünen - lehnen viele Parteimitglieder wegen der Differenzen mit der FDP ab.

Autorin: Nina Werkhäuser

Redaktion: Kay-Alexander Scholz