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Klimaschutz in Südafrikas Megacities

21. Juni 2010

Die WM 2010 brachte Südafrika einen Bauboom. Nicht den Ersten, denn seit 1994 werden Sozialbauten für jeden "Armen" gebaut. So schnell, dass Umweltstandards keine Rolle spielen. Das Projekt EnerKey will das ändern.

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Shacks in Südafrika, Quelle: IZT Berlin
Ein Haus für alle: leider sind die Sozialbauten alles andere als energieffizientBild: IZT Berlin

Ein Haus für jeden Südafrikaner. Seit 1994 ist dieser Traum, so sagt es die Regierung, bereits für fünf Millionen Südafrikaner wahr geworden. Ein gigantisches staatliches Wohnungsbauprogramm macht es möglich. Gebaut wird für all jene, die im Monat weniger als 3.500 Rand, also rund 375 Euro verdienen. Bis 2014 soll der Rest der ärmeren, überwiegend schwarzen Bevölkerung ein Dach über dem Kopf bekommen, so das ambitionierte Ziel. Das wurde per Verfassungsdekret festgehalten – im "Social Housing Act". Das Recht auf eine Wohnung wird von vielen als eine Art Wiedergutmachung verstanden. Für das Leid, was vor allem der schwarzen Bevölkerung während des Apartheid-Regimes zugefügt wurde.

Ein kleiner Traum der krank macht

Cosmo City Sozialbauten nahe Johannesburg, Quelle: IZT Berlin
Willkommen in Cosmo City: 12.500 Sozialbauten auf 1.200 Hektar LandBild: IZT Berlin

Entstanden sind bislang hunderttausende kleiner Hütten. Die so genannten "Shacks" haben im ganzen Land neue Städte entstehen lassen. Allein in der zehn Millionen Einwohnerregion Gauteng rund um Johannesburg wurden in den letzten Jahren jeweils 80.000 solcher Wohneinheiten fertig gestellt. Keine Hütte ist größer als 50 Quadratmeter, die meisten mit dünnen, rot getünchten Mauern und Wellblechdach.

Feuerstelle, Quelle: IZT Berlin
Noch bestimmen fossile Brennstoffe die Lebenswelt der meisten Südafrikaner.Bild: IZT Berlin

Das ist der Ort, an dem die Meisten in Südafrika mit der WM mitfiebern. Doch gleichzeitig auch der Platz, an dem die meisten ihrer Bewohner krank werden, sagt Timon Wehnert, Forscher am Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT). Das lang ersehnte Heim sei bislang eine glatte Fehlkonstruktion: "Die Leute in den Slums heizen mit 'Mbaulas', das sind im Prinzip einfach mit heißer Kohle gefüllte Blechtonnen", erklärt der studierte Physiker. "Die Kohle lässt man soweit durchglühen, dass es halbwegs nichts mehr raucht und dann stellt man sie mitten ins Haus." Das habe natürlich zur Folge, dass es sehr viel Kohlenmonoxid-Ausstoß gebe, woran immer wieder Erwachsene und auch viele Kinder sterben würden.

80 Prozent der südafrikanischen Energie stammt aus Kohle. Kaum verwunderlich, dass die klimaschädliche Energiequelle auch einen beträchtlichen Teil der täglichen Kosten gerade der ärmeren Bevölkerung verursacht. Und dass, obwohl es kostengünstige Alternativen gebe, sagt das Mitglied des Deutsch-Südafrikanischen EnerKey-Projekts Timon Wehnert: "Man könnte die Gebäude auch einfach so bauen, dass man im südafrikanischen Klima gar nicht heizen müsste."

Timon Wehnert, Quelle: IZT Berlin
Timon Wehnert, Forscher am Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung Berlin (IZT)Bild: IZT Berlin

Gesundes Wohnen durch die Kraft der Sonne

Wie das gehen kann, das zeigt der südafrikanische Projektpartner Douglas M. Guy bereits seit 1995. Seine Firma Peer Africa war grüner Pioneer beim energieeffizienten Häuserbau am Kap. Mit einer simplen Idee, für die er alle Bewohner der Regenbogen-Nation begeistern will: "Die Kraft der Sonne zu nutzen, um Familien ein gesundes und sicheres Wohnen zu erlauben, das ist eigentlich der ganze Trick."

Während in den normalen Neubauhütten die Menschen an Asthma erkrankten, seien die von ihm optimierten Häuser nicht nur sparsamer, sondern die Bewohner klagten nach seiner langfristigen Beobachtung auch deutlich weniger über Gesundheitsprobleme.

Schon bei der Konzeption der "Shacks" werde also der Grundstein dafür gelegt, wieviel Energie die späteren Benutzer bräuchten, sagt Douglas M. Guy beschwörend. Wer heute Bauplaner, Architekten und Stadtplaner überzeuge, der helfe den Menschen in unteren Einkommensschichten langfristig, Geld zu sparen: "Die größte Energieverschwendung ist, dass die Häuser nicht der Sonne zugewandt gebaut werden." Deshalb könnten sie dann auch nicht davon profitieren. "Zweitens sind die Städte so konzipiert, dass meist ein Haus einen Schatten auf das Nächste wirft". Schon minimale Änderungen bei der Planung der Siedlungen könnten dies aber ändern. "Und drittens werden Häuser oft ohne Dachverkleidungen, falsch zur Sonne gedreht und ohne Dämmung gebaut. Im Winter heißt das dann: die Wärme zieht es – im wahrsten Sinne – zu den Löchern hinaus."

Grüner Bewusstseinswandel und erkannte Einsparpotentiale

Mehrfamilienhäuser in Cosmo City, Quelle: IZT Berlin
Aus Platzmangel werden jetzt auch Mehrfamilienhäuser gebaut. Das ist kulturell für viele Südafrikaner ein Problem. Denn schwarze Landarbeiter wurden vom Apartheids-Regime in solche Mehrstockbauten umgesiedeltBild: IZT Berlin

Das Kostspieligste, um die staatlichen Sozialbauprogramme "grüner" zu gestalten, sei nicht die Ausstattung der Häuser mit Photovoltaik-Anlagen oder mit Dämmstoffen: "Das Teuerste ist die Überzeugungsarbeit", sagt der gebürtige Amerikaner Douglas M. Guy: "Das erste Mal, als wir eine richtige Dämmung eingebaut haben, kam der Bauaufseher und sagte: 'Nehmen sie das Zeug aus dem Dach raus. Warum noch mal stopfen sie das Dach so zu?'" Da sei viel Überzeugungskraft nötig. Das zusätzliche Dämmmaterial, das seien demgegenüber überschaubare Mehrkosten. Erklären und überzeugen dagegen, das dauere.

Passiert das nicht, droht Südafrika bis 2040 zu einem der weltweit größten Klimasünder zu werden. Die CO2-Emissionen des Landes könnten sich – im Vergleich zu heute - leicht verdoppeln, im schlimmsten Fall verdreifachen. Doch auch dank der deutsch-südafrikanischen Kooperation habe bereits ein Umdenken begonnen. Ein Beispiel sei die Megacityregion Gauteng, sagt Timon Wehnert: "Die Provinz-Regierung, bisher ohne Energiekonzept, hat jetzt eins entwickelt." Solche langfristigen Visionen für grüne Megacities will das EnerKey-Projekt fördern. Wobei auch den Forschern klar ist, dass jetzt erstmal vor allem eines wichtig ist: Fußball.

Autor: Richard A. Fuchs
Redaktion: Stephanie Gebert